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JURASSIC WORLD

Kers­tin Brätsch: Towards an Alphabet_ Dino Runes (Kas­sel Ver­si­on), 2020/2022 (Detail), Digi­tal print on wall­pa­per. © Kers­tin Brätsch. Foto: Son­ja Rossettini

MIMIKRY

Inter­ven­ti­on von Kers­tin Brätsch im Muse­um Fri­de­ri­cia­num
20. Janu­ar 2023 – bis Febru­ar 2027

Das Fri­de­ri­cia­num prä­sen­tiert in der Rotun­de, im Her­zen des Muse­ums, die ein­drucks­vol­le Raum­in­stal­la­ti­on MIMIKRY der 1979 in Ham­burg gebo­re­nen und in New York leben­den Künst­le­rin Kers­tin Brätsch.
Die Instal­la­ti­on wur­de für die Rotun­de und das dor­ti­ge Café ent­wi­ckelt und steht in Zusam­men­hang mit den Café-Ent­wür­fen, die Brätsch schon 2019 im Muse­um of Modern Art in New York und 2021 in der LUMA Foun­da­ti­on in Arles rea­li­sier­te.
Bes­ser gesagt han­delt es sich um eine „Inter­ven­ti­on“, eine Kunst­in­stal­la­ti­on, in die das Publi­kum ganz prak­tisch ein­be­zo­gen wird.

Kers­tin Brätsch und Moritz Wes­se­ler, Foto: Son­ja Rossettini

Was haben Men­schen und Dino­sau­ri­er gemein­sam? Was macht das Leben aus, was unter­schei­det Pflan­zen, Tie­re, Men­schen? Was ist die Ver­ant­wor­tung des Men­schen gegen­über dem Pla­ne­ten und des­sen Lebens­for­men?
MIMIKRY ist nicht nur deko­ra­tiv und lädt zum Ver­wei­len im Café ein, son­dern die Arbeit möch­te auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se zu einer Refle­xi­on und einer Aus­ein­an­der­set­zung mit der Zeit und der Ver­gan­gen­heit ein­la­den.
Wir sind aus Ster­nen­staub ent­stan­den. Das hört sich so roman­tisch und meta­pho­risch an, ist aber tat­säch­lich so.
Eine Rei­se in die weit zurück­lie­gen­de Ver­gan­gen­heit des Pla­ne­ten Erde kann die Bedeu­tung der mensch­li­chen Exis­tenz schnell ein­mal rela­ti­vie­ren: man merkt wie unbe­deu­tend wir Men­schen sind. Die Erde selbst ist etwa 4,6 Mil­li­ar­den Jah­re alt, die Dino­sau­ri­er gab es etwa vor 169 Mil­lio­nen Jah­re, uns Men­schen gibt es gera­de seit cir­ca 300.000 Jah­ren. Seit cir­ca 70.000 Jah­ren exis­tiert der Homo sapi­ens. Um der Ent­wick­lung, die der Mensch in den letz­ten Jahr­tau­sen­den durch­schrit­ten hat, Aus­druck zu ver­lei­hen, bezeich­nen Wis­sen­schaft­ler den Men­schen heu­te als „Homo sapi­ens sapi­ens“ – „Schlau­er, schlau­er Mensch“. Heu­te trägt der Mensch den­noch dazu bei, den Pla­ne­ten zu zer­stö­ren. Wie alle Lebe­we­sen gehö­ren Men­schen zur Natur, wir und die Dino­sau­ri­er sind eng ver­wandt, aber wir haben eine Beson­der­heit: Wir ver­än­dern die Natur und die­se Ver­än­de­run­gen haben mitt­ler­wei­le gra­vie­ren­de Folgen.

Kers­tin Brätsch
Towards an Alphabet_ Dino Runes (Kas­sel Ver­si­on), 2020/2022 (Detail), Fos­sil Psy­chic table model, 2022, Pap­pe, Papier, Heiß­kle­ber, Tisch­mo­dell,  © die Künst­le­rin, docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH,
Foto: Son­ja Rossettini

Ande­rer­seits möch­te Kers­tin Brätsch auch dar­auf auf­merk­sam machen, wie wir Kunst pro­du­zie­ren und auf das Kon­zept der Nach­ah­mung ver­wei­sen.
„Mimi­kry“ bezeich­net näm­lich in der Bio­lo­gie eine Form der Nach­ah­mung, der Imi­ta­ti­on, wenn Tie­re oder Pflan­zen (zum Bei­spiel Blu­men oder Insek­ten) um zu über­le­ben das Aus­se­hen, die Geräu­sche oder den Geruch ande­rer Tie­re oder Pflan­zen nach­ah­men.  In der Arbeit Brätschs bezieht sich Mimi­kry auf die Imi­ta­ti­on eige­ner älte­ren Wer­ke sowie auf die Imi­ta­ti­on von Mate­ria­li­en.
Die Künst­le­rin ver­wen­det Moti­ve, visu­el­le Hin­wei­se und Orna­men­te, die an frü­he­re Arbeit erin­nern, in neu­en Ele­men­ten und Pro­duk­ti­ons­kon­tex­ten wie­der, imi­tiert sie, kom­bi­niert älte­re und neue Mate­ria­li­en zu einer ein­zig­ar­ti­gen Ver­gan­gen­heit, die Urzei­ten, Natur­kräf­te und Brätsch eige­ne Geschich­te ein­schließt und eine archai­sche Kraft ent­fal­tet,  in deren Details sich das Auge ver­liert. 
MIMIKRY spie­gelt einen Teil der Erd­ge­schich­te wider, die die Kulis­se unse­rer Exis­tenz bil­det: Die Bil­der wer­den zu Ober­flä­chen auf­ge­tra­gen und Dinos, Gestei­ne, Sedi­men­te und Fos­si­li­en bil­den so in Form von lan­gen Digi­tal­prints Tape­ten, Vor­hän­gen und Raum­tei­lern – so rea­lis­tisch, dass sie fast ins Natur­kun­de­mu­se­ums pas­sen wür­den – wäh­rend Tische, Stüh­le und Bän­ke, die Innen­aus­stat­tung des Cafés in Stein­ma­te­ria­len imi­tie­ren. Die Ver­gan­gen­heit wird dank Dar­stel­lun­gen von Sau­ri­ern in die Gegen­wart gezo­gen und Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart drin­gen unauf­lös­lich ineinander.

Kers­tin Brätsch
Towards an Alphabet_ Dino Runes (Kas­sel Ver­si­on), 2020/2022 (Detail), Fos­sil Psy­chic table model, 2022, Pap­pe, Papier, Heiß­kle­ber, Tisch­mo­dell,  © die Künst­le­rin, docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH,
Foto: Son­ja Rossettini

Sowohl die Feld­for­ma­tio­nen an den Wän­den, die geo­lo­gi­sche Mar­mo­rie­run­gen, als auch die Tisch­skulp­tu­ren, die seit 2014 von der Arbeits­grup­pe Unsta­ble Talis­ma­nic Ren­de­rings geformt wur­den, sind mit Designs aus der Serie Fos­sil Psy­chics in der fast ver­lo­ren, ver­gan­ge­nen, tra­di­tio­nel­len Tech­nik des Stuc­co Mar­mo ver­ziert, als Simu­la­ti­on einer Ver­stei­ne­rung, als fas­zi­nie­ren­der Ver­such, eine ver­stei­ner­te Male­rei her­zu­stel­len, die vor­gibt, aus einem ande­ren Zeit­al­ter zu kom­men und wo sogar die Häu­te der Dino­sau­ri­er Gesteins­for­ma­tio­nen täu­schend ähneln. Und auch wenn die Fos­sil Psy­chics so wir­ken, als sei­en sie am Com­pu­ter ent­wor­fen wor­den, wer­den sie mona­te­lang sehr auf­wen­dig ana­log und hand­werk­lich her­ge­stellt. Täu­schen und Imi­tie­ren fast als amü­san­te Par­odie. Als “zeit­ge­nös­si­sche Dino­sau­rie­rin” ermu­tigt Brätsch ihre Kunst­wer­ke zum Über­le­ben, indem sie mit Mate­ria­li­en, Her­stel­lungs­ver­fah­ren und künst­le­ri­schen Sti­len spielt.

Kers­tin Brätsch
Towards an Alphabet_ Dino Runes (Kas­sel Ver­si­on), 2020/2022 (Detail), Fos­sil Psy­chic table model, 2022, Pap­pe, Papier, Heiß­kle­ber, Tisch­mo­dell,  © die Künst­le­rin, docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH,
Foto: Hel­mut Plate

Wäh­rend Künst­ler völ­lig frei, ohne Regeln und Bedin­gun­gen, als Selbst­zweck und schöp­fe­ri­sche Gabe, arbei­ten, ohne dass ihr Werk einem Zweck die­nen soll, haben Desi­gner ein Ziel vor Augen, denn Design kre­iert Objek­te, die für etwas Bestimm­tes benutzt wer­den kön­nen. Bei­de Berei­che ver­bin­det die Künst­le­rin im Fri­de­ri­cia­num in ihrer spek­ta­ku­lä­ren Gestal­tung mit Metho­dik, die Ver­knüp­fung von Tech­ni­ken, Refe­ren­zen, inhalt­li­cher Rele­vanz und Poe­sie, ist an der Erstel­lung von Neu­em eben­so inter­es­siert wie an der Bezie­hung zu Exis­tie­ren­dem in Form all­täg­li­cher Objek­te und hin­ter­fragt mit ihrer erstaun­li­chen und ein­drucks­vol­len Raum­in­sze­nie­rung unse­re Denk­mus­ter indem sie Kunst und All­tag ver­bin­det. Ihre Arbeit über­spannt die Gren­ze zwi­schen Kunst und funk­tio­na­lem Design.
MIMIKRY ist also ein bun­tes Kunst­werk, das benutzt wer­den kann, das jung und alt mit sei­nen Far­ben Freu­de macht; ein funk­tio­nel­ler Ort, der zum Reflek­tie­ren, Genie­ßen und Ver­wei­len im Café ein­lädt. Oder auch für einen Kin­der­ge­burts­tag gebucht wer­den kann.


[ Son­ja Rossettini ]

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