die 
neue
gale­rie

Die Neue Gale­rie ist Kas­sels Haus der Moder­ne. Es beher­bergt die städ­ti­schen und staat­li­chen Kunst­samm­lun­gen mit Wer­ken des 19. bis 21. Jahr­hun­derts. Der Bau an der Schö­nen Aus­sicht mit Blick über die Karl­saue ori­en­tiert sich an dem Vor­bild der Alten Pina­ko­thek in München. Wie­der­holt als tem­po­rä­rer Aus­stel­lungs­ort der docu­men­ta genutzt, verfügt die Neue Gale­rie heu­te über eine umfang­rei­che Samm­lung von docu­men­ta-Kunst­wer­ken – ange­fan­gen von Joseph Beuys, Mario Merz, Per Kir­ke­by und Ger­hard Rich­ter bis hin zu Micha­el Rako­witz, Doris Sal­ce­dos und Ai Weiwei.

STATE OF THE ART

Inter­na­tio­nal her­aus­ra­gen­de Male­rei, Skulp­tu­ren
und Neue Medi­en des 19. bis 21. Jahrhunderts


Die Neue Gale­rie wur­de nach umfas­sen­dem Umbau im Novem­ber 2011 wie­der­eröff­net und bewahrt eine rei­che Samm­lung regio­nal wie inter­na­tio­nal her­aus­ra­gen­der Male­rei, Skulp­tu­ren und neu­er Medi­en des 19. bis 21. Jahr­hun­derts. Grund­la­ge bil­den die Bestän­de aus städ­ti­schem und staat­li­chem Besitz, durch deren Zusam­men­füh­rung im Jahr 1976 ein Muse­um für die Moder­ne in Kas­sel ver­wirk­licht wer­den konn­te. Das Spek­trum der prä­sen­tier­ten Wer­ke reicht von der Roman­tik über den His­to­ris­mus und den deut­schen Impres­sio­nis­mus, die Male­rei und Skulp­tur der Klas­si­schen Moder­ne bis zur Kunst der Nach­kriegs­zeit: Infor­mel, Pop-Art und Expo­na­te abs­trak­ter, unge­gen­ständ­li­cher Male­rei. Die docu­men­ta-Erwer­bun­gen seit 1982 bil­den mit Wer­ken inter­na­tio­nal renom­mier­ter Künst­le­rin­nen und Künst­ler einen eige­nen Schwerpunkt.

Das Muse­ums­ge­bäu­de der Neu­en Gale­rie wur­de ober­halb der Karl­saue zwi­schen 1871 und 1877 nach Plä­nen des Archi­tek­ten Hein­rich von Dehn-Rotfelser im Stil der Neo­re­nais­sance erbaut. Der als Gemäl­de­ga­le­rie errich­te­te Bau beher­berg­te ursprüng­lich die Gemäl­de­samm­lung „Alte Meis­ter“. Auf­grund der Zer­stö­run­gen des Gebäu­des im Zwei­ten Welt­krieg wur­de die­se Samm­lung in das Schloss Wil­helms­hö­he verlagert.

Die Neue Gale­rie wur­de wie­der­auf­ge­baut und eröff­ne­te 1976 mit neu­em Kon­zept und unter ihrem heu­ti­gen Namen. Bis 2006 prä­sen­tier­te sie Kunst vom 18. Jahr­hun­dert bis in die Gegen­wart. Heu­te ist Kunst des 19., 20. und 21. Jahr­hun­derts aus­ge­stellt. Dane­ben bleibt Raum für Wech­sel­aus­stel­lun­gen sowie wei­te­re documenta-Ankäufe.

© Foto: Moni­ka Nikolic

Wären nicht die­se vier­spu­ri­ge Stra­ße gleich neben­an und in halb­wegs siche­rer Ent­fer­nung Jus­tiz­pa­last und Kreu­zung – das Haus läge einem Tem­pel gleich in einer Ide­al­land­schaft: mit Fels­wand und sanf­ten Hügeln im Wes­ten und wei­tem Blick nach Süden und Osten über die Fluß­nie­de­rung mit Park­land­schaft zu Füßen des Steil­han­ges. Der Bau kann sich sehen las­sen. Von Ein­schüch­te­rungs­bom­bast und hyper­tro­phem Barock wie von post-moder­nen Infan­ti­lis­men glei­cher­ma­ßen ent­fernt, neo­klas­si­zis­tisch in Anla­ge und Anmu­tung, errich­tet 1877, schwerst beschä­digt 1943, tech­nisch und ästhe­tisch vor weni­gen Jah­ren hoch­mo­dern restau­riert – kurz­um: Sta­te of the art. Inge­nieu­re und das Büros Sta­ab Archi­tek­ten ver­schaff­ten in küh­ler Berech­nung der Kunst neu­en Raum und mehr Licht, in dem sie nun seit 2011 erstrahlt.

Arka­di­schen Visio­nen, im 20. Jahr­hun­dert ohne­hin kaum glaub­haft, baut eine mar­kan­te Skulp­tur an der West­sei­te des Hau­ses zuver­läs­sig vor: Stäh­ler­ne Plat­ten, um eine kreis­run­de lee­re Mit­te auf­ge­fä­chert wie die Kar­ten eines Magi­ers. Das erin­nert nicht nur wegen des Titels Auro­ra, den ihr Schöp­fer Eber­hard Fie­big wähl­te, an Mor­gen­rö­te wie an den Pan­zer­kreu­zer glei­chen Namens, des­sen Kano­nen­don­ner das Zei­chen zu einer Revo­lu­ti­on gab. Denn nicht nur die Epi­go­nen, die im über­lan­gen 19. Jh. auf Géri­cault, auf Men­zel und ande­re folg­ten, ver­schaff­ten der Moder­ne die Aura ersehn­ter Erlö­sung. Ande­re und dies­sei­ti­ge­re Erschei­nun­gen bewirk­ten das noch weit ent­schie­de­ner. Sie waren es, die das Schö­ne und Gute zu Guns­ten des Wah­ren zur Höl­le schick­ten: mit dem Gift­gas auf den Schlacht­fel­dern des Ers­ten Welt­krie­ges und dem Ver­re­cken in sei­nen Schüt­zen­grä­ben. Es bla­mier­te sich die Idee am Inter­es­se. Spä­tes­tens jetzt waren Still­le­ben nicht mehr recht glaub­haft, und Land­schaft war kei­ne Idyl­le, son­dern eine Schä­del­stät­te in Flandern.

© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Ein Haus für die Moder­ne, dies die Bestim­mung in den Wor­ten sei­ner lang­jäh­ri­gen Lei­te­rin Mari­an­ne Heinz, ist eben auch ein Haus der Geschich­te. Und da die Moder­ne wie alle Kunst eine Vor­ge­schich­te hat, sieht man auch die: Ölma­le­rei aus dem 19. Jh. samt Bie­der­mei­er, Spät­romantik und Naza­re­nern, dazu ein his­to­ri­sie­ren­der Makart als adi­pö­se Beschwö­rung einer schon ver­gan­ge­nen Zeit. Ernst Bloch bemerk­te wei­land mokant: Und in Mün­chen mal­te von Len­bach, vom Gene­ral­di­rek­tor auf­wärts, als hie­ße er Tintoretto.

LOUIS KOLITZ
Das regen­nas­se Königs­tor in Kas­sel bei Son­nen­un­ter­gang,
1895/1900, MHK

Ein Haus für die Moder­ne, dies die Bestim­mung in den Wor­ten sei­ner lang­jäh­ri­gen Lei­te­rin Mari­an­ne Heinz, ist eben auch ein Haus der Geschich­te. Und da die Moder­ne wie alle Kunst eine Vor­ge­schich­te hat, sieht man auch die: Ölma­le­rei aus dem 19. Jh. samt Bie­der­mei­er, Spät­romantik und Naza­re­nern, dazu ein his­to­ri­sie­ren­der Makart als adi­pö­se Beschwö­rung einer schon ver­gan­ge­nen Zeit. Ernst Bloch bemerk­te wei­land mokant: Und in Mün­chen mal­te von Len­bach, vom Gene­ral­di­rek­tor auf­wärts, als hie­ße er Tintoretto.

WOLF VOSTELL
Mari­lyn Mon­roe, 1962, MHK
© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Und weil es so ein­fach nicht mehr wei­ter­ging, kam bald schon Lovis Corinth mit Berg­land­schaft und Wal­chen­see: feu­ri­ger Hoch­som­mer und kei­nes­falls abs­trakt. Und von hier ist es unterm sel­ben Dache nim­mer weit bis zur Vitri­ne mit den artig geschnitz­ten Blut­wurst­stümpf­chen, denen Joseph Beuys zwei Box­hand­schu­he mit deut­li­chen Gebrauchs­spu­ren bei­gab. Gleich dane­ben ein Glas mit einem Eli­xier, das nann­te er: Mor­phe. Die rhei­nisch anti­ki­sie­ren­de Dik­ti­on lässt ahnen: Wer davon getrun­ken, bekommt nicht nur Erschei­nun­gen und Gesich­te, er schafft auch wel­che. Etwa das legen­dä­re Vehi­kel im Unter­ge­schoss, aus des­sen ble­cher­ner Heck­klap­pe ein Rudel Schlit­ten aus­schwärmt in immer noch nicht näher ermit­tel­ter Mis­si­on, bestückt mit Fett, Filz und dicken Taschen­lam­pen. Fett nährt, Filz wärmt, die Lam­pe erleuch­tet. Aus­ge­rech­net Horst Jans­sen, Jahr­hun­dert­zeich­ner und nicht eben für Duld­sam­keit unter Kol­le­gen bekannt, nann­te Joseph Beuys, den mit Kas­sel mehr als nur mehr­fa­che docu­men­ta-Teil­nah­men ver­band, einen warm­blü­ti­gen, einen fein­ner­vi­gen und der Mate­rie sinn­lich erge­be­nen Künstler.

JOSEPH BEUYS
Raum­in­stal­la­ti­on mit The pack (Das Rudel), 1969
© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Neben der stän­di­gen Samm­lung immer wie­der Aus­tel­lun­gen zu Gegen­wart und jün­ge­rer Geschich­te: Jüngst etwa gab es Pla­kat­kunst aus Kas­sel. Die hat­te Schu­le gemacht. Zu ihren Grün­der­vä­tern gehör­te Hans Hill­mann, Schöp­fer zahl­lo­ser prä­gnan­ter Pla­ka­te und mit sei­ner groß­ar­tig Aus­ga­be von Dashiell Ham­metts „Flie­gen­pa­pier” Autor einer der bes­ten gra­phic novels überhaupt, Leh­rer und Inspi­ra­tor gan­zer Gene­ra­tio­nen, her­aus­ra­gend wie sein Schüler Ram­bow, der zusam­men mit sei­nem Sozi­us Lie­ne­mey­er Pla­ka­te schuf, die den Jugend­li­chen der frühen Jah­re den Weg zum ers­ten Blues­kon­zert wie­sen und bald auch ins Schau­spiel Frank­furt zu Brecht, zu von Hor­vath und zu Höl­der­lin. All das und noch viel mehr bie­tet die­se Gale­rie unter nüchtern öffent­li­cher Trä­ger­schaft, gewis­ser­ma­ßen ein Regie­un­ter­neh­men. Das sei­ne Höhen und Tie­fen erleb­te, dem bedeu­ten­de Leih­ga­ben zugin­gen und wie­der ent­zo­gen wur­den – genannt sei­en die Samm­lun­gen Herbig und Krätz und ihr scham­lo­ser Abzug 1991 bzw. 1997 – und das bei die­ser Gele­gen­heit die Fähr­nis­se pri­va­ten Gön­ner­tums zu den Bedin­gun­gen öffent­li­cher Bewah­rung und Prä­sen­ta­ti­on (nebst Kos­ten­last) erfuhr. Vul­go: Eigen­tum ist Eigen­tum, Lei­he ist Lei­he, ein Ver­trag ist ein Ver­trag, und in New York zahlt man ein­fach mehr als in Nordhessen.

MARIO MERZ
Iso­la (Insel), 1982, 237 x 590 x 520 cm, Instal­la­ti­on aus Stahl, Glas, Sand­stein­plat­ten, Rei­sig (Hasel­nuss), Städ­ti­scher Kunst­be­sitz
© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

ROMUALD HAZOUMÉS
Boot „Dream“, Publi­kums­lieb­ling bei der docu­men­ta 12
© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Das Haus hat es überstanden. Und mehr als das: Dass man den Beuys­schen Raum samt Rudel zu statt­li­chem Prei­se erwarb und ihn so den lah­men Höhe­punk­ten der Event-Kul­tur wie auch den Hys­te­rien einer moder­nen Vari­an­te der Tul­pen­spe­ku­la­ti­on ent­zog, wäre einen Lob­ge­sang wert: wie öffent­li­ches Inter­es­se Kunst­ver­stand bewies und sich das was kos­ten ließ. Für drei Mona­te bis zum Beginn der docu­men­ta 14 blei­ben die Tore geschlos­sen: Vor­be­rei­tun­gen zum gro­ßen Ereig­nis dul­den kei­nen Publi­kums­ver­kehr. Das mag tech­ni­sche Gründe haben. Zudem weiß jeder Wer­be­fach­mann, wie man per Geheim­hal­tung gespann­te Neu­gier erzeugt und damit die unter­schied­lichs­ten Resul­ta­te zu Offen­ba­run­gen ver­klärt.
In dem ele­gan­ten Bau in der nord­hes­si­schen Metro­po­le weiß man das schon längst. Denn im Fünf-Jahres-Turnus rich­tet man den beschleu­nig­ten Puls­fre­quen­zen und dem agi­tier­ten Habi­tus der je aktu­el­len docu­men­ta eine Art Inten­siv­sta­ti­on ein, je nach Expo­nat auch mit rein pal­lia­ti­ven Zügen. Und setzt, wenn das vorüber ist, die Arbeit fort unter Ägi­de der neu­en Lei­te­rin Doro­thee Ger­kens, pro­mo­vier­te Kunst­his­to­ri­ke­rin, die taten­froh und ein­falls­reich ihres Amtes wal­tet: Eine Stät­te her­zu­rich­ten und zu unter­hal­ten, in der es stil­le zugeht und span­nend und fröh­lich, in der man los­lacht und inne­hält, ein Ort, an dem die Migra­ti­on der For­men nicht sprach­li­che Dut­zend­wa­re ist und mehr als nur Asyl fin­det. Und in dem – auch das ist erlaubt, wenn auch der­zeit nicht immer en vogue – man sich freut an den Wer­ken der Ein­bil­dungs­kraft. Peter Weiss nann­te sie so und mein­te damit: die Kunst.

Neue Gale­rie
Schö­ne Aus­sicht 1 | 34117 Kas­sel
Fon: 0561 31680400 | E‑Mail: info@museum-kassel.de
www.museum-kassel.de/de/museen-schloesser-parks/neue-galerie
Di – So & an Fei­er­ta­gen 10 – 17 Uhr
Do 10 – 20 Uhr