Deutsches Tapetenmuseum
Bild Entwurf Neubau: Copyright Harry Güggel Studio / MHK
Das Deutsche Tapetenmuseum wurde 1923 gegründet und ist damit der jüngste Spross in der Familie der Museumslandschaft Hessen Kassel. Auf Initiative des Tapetenhändlers Gustav Iven und weiterer führender Tapetenhersteller und ‑händler entstand so ein Museum, das einzigartig in Deutschland ist und mittlerweile etwa 23.000 Objekte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart umfasst.
Spiegelbilder der Epochen
Als Zeitzeugen von enormer Beredtheit dokumentieren Tapeten nicht nur Geschichte, sondern erlauben auch den begehrten „Blick hinter die Kulissen“. Historische Tapeten erzählen vom Leben in der Privatheit der eigenen vier Wände.
Diese Überlegung und natürlich der handwerkliche Aspekt mögen den Hamburger Tapetenhändler Geheimrat Gustav Iven Anfang des 20. Jahrhunderts zur Einrichtung eines Tapetenmuseums angeregt haben. Vom damaligen Kasseler Oberbürgermeister Philipp Scheidemann als „Beweis für die Lebenskraft des deutschen Volkes“ gerühmt und begrüßt, kam als Standort der neuen Museumsgründung eigentlich nur Kassel in Frage. Hatte die Stadt auf diesem Gebiet doch Tradition: Bereits im Jahr 1791 nahm hier die erste und lange Zeit einzige deutsche Papiertapetenmanufaktur erfolgreich die Produktion auf und bestand fast 100 Jahre.
Ihr Gründer, Johann Christian Arnold, gilt als Pionier der bedruckten Tapete. Aus eigener Herstellung, die sich ab 1815 im Haus Brüder Grimm-Platz 4 befand, belieferte er den landgräflichen Hof in Kassel sowie König Jérôme Bonaparte. Beispiele dieser ersten mit Holzmodeln bedruckten Wanddekorationen gehören zur Sammlung des 1923 gegründeten Deutschen Tapetenmuseums. Es beherbergt eine einzigartige von Tapetenherstellern und ‑händlern zusammengetragene Sammlung von mehr als 23.000 Kostbarkeiten aus fünf Jahrhunderten: vom ältesten Stück, der luxuriösen Goldledertapete von 1570, über Velourstapeten des 17. Jahrhunderts, raumgreifenden Panoramen des 19. Jahrhunderts, bis hin zu reduzierten Dessins der Bauhauszeit, Künstlertapeten der 1950er und Entwürfen der Gegenwart.
Von der Innenstadt nach Wilhelmshöhe und zurück
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das Tapetenmuseum neugierig und rastlos war, denn es hat in seiner vergleichsweise recht kurzen Geschichte schon einige Standortwechsel hinter sich gebracht: Den ersten Sitz hatte es im Roten Palais am Friedrichsplatz und wurde schnell auch auf das Weiße Palais ausgeweitet. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befanden sich ab 1948 die Ausstellungsräume im Schloss Wilhelmshöhe, genauer gesagt im Weißensteinflügel, wo jedoch nur ein Teil der Sammlung gezeigt wurde. 1976 ging es an den Anfang der Wilhelmshöher Allee in das Hessische Landesmuseum, wo es bis zur sanierungsbedingten Schließung 2008 seine Exponate auf 1000 Quadratmetern zeigen konnte. Herausragend sind sicher die Goldlederarbeiten der Renaissance, des Barock und Rokoko sowie Flock- und Leinwandtapeten des 18.Jahrhunderts, ein weiterer Höhepunkt sind die handgedruckten französischen Panoramatapeten des 19. Jahrhunderts.
Derzeit ist die einmalige Tapetensammlung nur Online zu bestaunen, ein Neubau, geplant vom Schweizer Büro Harry Güggel Studio. Nach dem Gewinn des Architektenwettbewerbs bekamen sie den Zuschlag für den 25-Millionen-Bau. Mittlerweile hat sich das Land Hessen allerdings vom Architekten Güggel getrennt, gebaut werden soll der preisgekrönte Entwurf dennoch. Vor 2025 ist wohl nicht mit der Neueröffnung zu rechnen.