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Tapeten der 1970er Jahre

Eine Son­der­aus­stel­lung der mhk im Schloss Wil­helms­hö­he
8. April bis 25. Sep­tem­ber 2022

Nach über zwei Jahren Warten auf das Ende der Corona-Maßnahmen war es am 07. April 2022 endlich wieder soweit: Eine Ausstellungseröffnung der mhk im Ballhaus mit anwesendem Publikum! 

In den Gesichtern der Protagonisten war, allen voran bei Herrn Prof. Dr. Martin Eberle, dem Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel, die Erleichterung und Freude abzulesen. Eberle scherzte in seiner Begrüßungsrede, er wisse nicht, ob er das überhaupt noch könne. Er konnte.

Passend zu der Ausstellung, in der die 1970er Jahre in die Sammlung der Alten Meister integriert wurde, war die musikalische Begleitung des Abends: Boris Tesic spielte auf der klassischen Gitarre „How deep is your love“ von den Bee Gees und Abbas „Waterloo“.

100 Jahre Deutsches Tapetenmuseum

In der infor­ma­ti­ven Ein­füh­rung lag der Fokus natür­lich auf der Tape­ten­samm­lung und damit auch auf ein sich ankün­di­gen­des Jubi­lä­um: 100 Jah­re Deut­sches Tape­ten­mu­se­um 2023. Der Ver­ein Deut­sches Tape­ten­mu­se­um, der 1920 zum Auf­bau des Muse­ums gegrün­det wur­de, setz­te sich Anfangs aus Tape­ten­fa­bri­kan­ten und ‑händ­lern zusam­men. Sie betei­lig­ten sich an der Idee und unter­stütz­ten das Muse­um durch die Schen­kung eige­ner Samm­lun­gen sowie kost­ba­rer Expo­na­te. Im Lau­fe der Jah­re kamen so über 23.000 sel­te­ne Objek­te aus 500 Jah­ren Tape­ten­ge­schich­te zusam­men. Ein Schatz, aus dem nun auch die­se Aus­stel­lung gespeist wer­den konnte.

Erst zum Ende des Zwei­ten Welt­kriegs ent­wi­ckel­te sich die Tape­te vom Luxus­gut zum All­tags­ge­gen­stand, der in den meis­ten bür­ger­li­chen Haus­hal­ten Ein­zug hielt. In den 70er Jah­ren kam mit der Beto­nung auf Indi­vi­dua­li­tät die Lust auf auf­wän­di­ge­re Tape­ten: Schril­le Mus­ter und psy­che­de­li­sche Moti­ve waren gefragt. Die Deut­sche Tape­ten-Gemein­schaft warb des­halb am Anfang der 70er Jah­re mit grel­len und wit­zi­gen Anzeigen.

Zum Ende der 70er Jah­re dreh­te sich das Gan­ze zu schlich­te­ren Aus­füh­run­gen und Natur­ma­te­ria­li­en wie zum Bei­spiel Gras.

Nach dem Eröff­nungs­pro­gramm konn­te man nun die Aus­stel­lung besu­chen. Der kur­ze Weg vom Ball­haus zum Schloss Wil­helms­hö­he soll­te sich aber als ech­te Prü­fung her­aus­stel­len: Regen ergoss sich aus den Wol­ken wie aus Gieß­kan­nen, der ein­set­zen­de Sturm lies auch den ein oder ande­ren Regen­schirm zer­stört auf dem Weg zurück.

Erinnerungstücke geben ein persönliches Gesicht

Ziem­lich durch­nässt trat man dann durch einen „Zeit­tun­nel“ in die Aus­stel­lung im zwei­ten Stock ein. 

Kon­zi­piert von dem Büro Homann Güner Blum Visu­el­le Kom­mu­ni­ka­ti­on und Aus­stel­lungs­ge­stal­tung betritt man die Wohn­wel­ten der 70er. Das beson­de­re an der Aus­stel­lung ist, dass die mhk einen Zei­tungs­auf­ruf gestar­tet und alle Hes­sin­nen und Hes­sen auf­ge­for­dert hat, eige­ne Bil­der und All­tags­ge­gen­stän­de der 70er Jah­re ein­zu­rei­chen. Die­se Erin­ne­rungs­stü­cke geben der Aus­stel­lung ein ganz per­sön­li­ches Gesicht. Das heißt, neben den Objek­ten aus der Samm­lung des Deut­schen Tape­ten­mu­se­ums fin­den sich auch aller­hand Gebrauchs­ge­gen­stän­de und rot­sti­chi­ge Fotos mit zeit­ge­nös­si­schen Tape­ten als Haupt­ak­teur. Eine Mus­ter­woh­nung mit Pla­ka­ten in dem all­ge­gen­wär­ti­gen Oran­ge zeigt das pri­va­te Leben der Bewoh­ne­rin­nen und Bewohner.

Ein hap­ti­sches Erleb­nis bie­tet die Aus­stel­lung auch: In diver­sen Mus­ter­ka­ta­lo­gen wie zum Bei­spiel von „Schö­ner Woh­nen“ aus dem Jahr 1973 kann man etli­che Tape­ten der dama­li­gen Zeit erfühlen.

more about

Neue Wege geht die mhk mit einem beglei­ten­den Aus­stel­lungs­ma­ga­zin: „more about“ ist ein reich bebil­der­tes und gut les­ba­res Jour­nal, dass den Zeit­geist, den poli­ti­schen Kon­text und künst­le­ri­sche Ent­wick­lun­gen der 70er Jah­re näherbringt.

Der iri­sche Schrift­stel­ler Oscar Wil­de hat­te bereits eine ganz eige­ne Bezie­hung zu Tape­ten. Auf sei­nem Ster­be­bett soll er im Alter von nur 46 Jah­ren dem beson­ders häss­li­chen Exem­plar an der Wand gesagt haben: „Du oder ich. Einer von uns bei­den soll­te end­lich gehen.“ Die Tape­te blieb.

[ Ger­rit Bräu­ti­gam | Redaktion ]

Schloss Wil­helms­hö­he
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