Saskia

Die Mona Lisa Kassels

© MHK (Muse­ums­land­schaft Hes­sen Kassel) 

Saskia über Saskia

Ein ganz per­sön­li­ches Porträt.

Nicht nur unter Kunst­his­to­ri­kern und ‑ken­nern spielt sie in einer Liga mit Leo­nar­dos Mona Lisa und Ver­meers Mäd­chen mit dem Per­len­ohr­ring: die Saskia, von Rem­brandt in Öl ver­ewigt, eines der bedeu­tends­ten Wer­ke Rem­brandts, ewi­ger Publi­kums­ma­gnet der Gemäl­de­ga­le­rie „Alte Meis­ter“ im Schloss Wil­helms­hö­he. Wie über ihr Renais­sance-Pen­dant im Lou­vre, wur­den und wer­den über Saskia immer wie­der Bücher geschrie­ben, sie inspi­rier­te über Jahr­hun­der­te hin­weg Maler und Schrift­stel­ler, sie prangt auf Brief­mar­ken, Radier­gum­mis, Pra­li­nen­schach­teln und Pos­tern – eine Wer­be-Iko­ne für Kassel.

Rem­brandts Muse:
Ein Blick hin­ter die Kos­tü­me der Saskia

Wäre ich ein Jun­ge gewor­den, wür­de ich jetzt Mau­rice hei­ßen. Ein Name, mit dem ich nichts ver­bin­de, außer etwas vage Fran­zö­si­sches und einen unter­schätz­ten Hugh-Grant-Film von 1987. Da die­ser Fall trotz der uner­schüt­ter­li­chen, aber medi­zi­nisch unbe­stä­tig­ten Intui­ti­on mei­ner Mut­ter nicht ein­ge­tre­ten ist, muss­te hek­tisch ein Mäd­chen­na­me her, und nun hei­ße ich Saskia. Nach Rem­brandts Ehe­frau und Lieb­lings­mo­dell, so geht die Fami­li­en­le­gen­de. Was auch irgend­wie schö­ner ist als nach einer gleich­na­mi­gen, vor­wie­gend fest­ko­chen­den Kar­tof­fel­sor­te oder der Mine­ral­was­ser­mar­ke von Lidl benannt zu sein, bei der das Pfand teu­rer ist als das „Saskia“-Bizzelwasser selbst.

Für dich kann ich alles sein, Baby

Saskia van Uylen­burgh also, eine 400 Jah­re alte nie­der­län­di­sche Frau in Öl, die unter gro­ßen Hüten her­vor aus Rah­men schaut, und die mich geschen­ke­be­dingt seit mei­ner Geburt als Kühl­schrank­ma­gnet, Post­kar­te, Brief­mar­ke, Tas­se, Hand­spie­gel und Minz­pas­til­len-Dose beglei­tet. In den Rem­brandt-Wür­di­gun­gen zum 350. Todes­tag des Malers (der anschei­nend nicht beschrie­ben wer­den kann, ohne das Wort Genie zu benut­zen), taucht Saskia über­wie­gend als nach­ge­ord­ne­te Muse und Ehe­frau auf, die für ihren begna­de­ten Gat­ten in ver­schie­de­ne Rol­len schlüpf­te. Sie wur­de zur Schä­fe­rin, zur Göt­tin, zur Nym­phe Flo­ra, zur Bibel­ge­stalt und auch zur Dir­ne. Für dich kann ich alles sein, Baby.

In Rem­brandts Kunst war sie eine Pro­jek­ti­ons­flä­che für die Krea­ti­vi­tät des Meis­ters. Eine wei­che Schön­heit mit Dop­pel­kinn, die dem Zeit­geist ent­sprach, und die nie erwähnt wird, ohne dass ihr Aus­se­hen so detail­liert seziert wird wie der Ver­bre­cher­kör­per in Rem­brandts Aut­op­sie-Gemäl­de „Die Ana­to­mie des Dr. Tulp.“

Saskia hat den Jahr­hun­dert­künst­ler Rem­brandt erst ermög­licht,
die hol­ly­wood­rei­fe Lovestory.

Rem­brandts und Saski­as Ehe wird gern als die hol­ly­wood­rei­fe Love­sto­ry der Kunst­ge­schich­te erzählt. Kurz zwar, aber ein Kos­tüm­schin­ken geprägt von Reich­tum, Rausch und Erfolg im gol­de­nen Zeit­al­ter der nie­der­län­di­schen Kunst. Tra­gisch endet sie noch dazu. Nach dem frü­hen Tod sei­ner Frau hat Rem­brandt eine Zeit lang das Malen völ­lig ein­ge­stellt und nie wie­der gehei­ra­tet. Was aller­dings auch damit zu tun gehabt haben dürf­te, dass bei einer erneu­ten Ehe­schlie­ßung das gemein­sa­me Ver­mö­gen sofort zur Hälf­te an ihren Sohn und im Fal­le von des­sen Tod an ande­re Ver­wand­te gefal­len wäre.

Tas­sen, Magne­te, Minzpastillen-Dosen

1642, im Ster­be­jahr sei­ner Frau, hat Rem­brandt noch ein­mal das berühm­tes­te Saskia-Por­trät im roten Ornat mit Feder­hut über­ar­bei­tet, das heu­te im Schloss Wil­helms­hö­he in Kas­sel hängt. Das, was man kennt, von den Tas­sen, Magne­ten, Minz­pas­til­len-Dosen. Das präch­ti­ge rote Gewand und der Rie­sen­hut mit Feder sind schon damals aus der Zeit gefal­len. Es ist schwer, in dem gan­zen Putz einen Men­schen zu fin­den. Die Per­son ist ver­klärt, über­höht, zur Mumie auf Lein­wand in Far­be ein­bal­sa­miert. Es ist das, was sich bei mir ein­ge­brannt hat: Eine Frau, die nie­mals um ihrer selbst wil­len gese­hen wird.

Ein Leuch­ten aus Rem­brandts Pinsel

Saskia hat ein Leben gelebt, dass von Ver­lust und Trau­er geprägt war. Sie war mit zwölf Jah­ren Voll­wai­se, hat drei ihrer vier Kin­der kurz nach der Geburt ver­lo­ren und starb mit 30 Jah­ren wahr­schein­lich an Tuber­ku­lo­se. Sie ist kei­ne hei­ter glän­zen­de Namens-Patro­nin, son­dern höchst­wahr­schein­lich eine tief­trau­ri­ge Frau, die nur durch die Bil­der ihres Man­nes im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis gedul­det wird. Und trotz­dem lie­be ich ihr Gesicht. Die Sanft­heit dar­in, und ein Leuch­ten, das natür­lich aus Rem­brandts Pin­sel kommt, aber dem man sich nur schwer ent­zie­hen kann.

Schicht für Schicht schälen

Es gibt ein Por­trät von Saskia von ca. 1635, auf dem sie auf mich wie eine alte Frau wirkt, obwohl sie gera­de 23 Jah­re alt ist. Es ist das unver­stell­tes­te Gemäl­de, das ich von ihr ken­ne (auch wenn es viel­leicht nicht von Rem­brandt selbst, son­dern von einem Schü­ler gemalt wur­de). Der Hin­ter­grund, die Haa­re und die Klei­dung sind in dunk­len Tönen gehal­ten, alles Licht liegt auf ihrem leicht gerö­te­ten Gesicht. Sie sieht etwas müde und melan­cho­lisch aus, aber auch nah­ba­rer als in der vol­len Pracht der Göt­tin oder der Nym­phe. Die­se Saskia ist mir beson­ders ans Herz gewach­sen. Sie ist eine Figur, die man Schicht für Schicht schä­len will, aber die wie so vie­le ande­re nicht ohne Mythos und den Genie-Fil­ter ihres Man­nes zu haben ist. Ich den­ke bei ihr nicht zuerst an eine Lie­bes­ge­schich­te, son­dern eher an die Bil­der, die sich Men­schen von­ein­an­der machen.
Also alles in allem ein guter Name. Einer, der mit der Gebrauchs­an­wei­sung kommt, hin­ter Kos­tü­me zu schauen.

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Die Autorin Saskia Tre­bing
ist nach Rem­brandts Ehe­frau und Lieb­lings­mo­dell Saskia benannt. Sie denkt an die­se Frau, die immer ver­klärt und in einer Rol­le dar­ge­stellt wur­de. Und die ihr trotz­dem ans Herz gewach­sen ist. Ein ganz per­sön­li­ches Porträt.

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