Rondell

Das Ron­dell an der Wal­ter-Lüb­cke-Brü­cke thront neben der Schlagd, eine Bas­ti­on, die auch noch nach dem 30jährigen Krieg die Stadt vor Ein­dring­lin­gen beschützt hat. Der ehe­ma­li­ge Geschütz­turm aus dem Jahr 1523 ist der ältes­te Teil der Befes­ti­gungs­an­la­ge der Stadt Kas­sel und der letz­te erhaltene.

Grau­sam und bru­tal ging es hier frü­her zu. Inqui­si­ti­ons­ge­rich­te schick­ten hier Men­schen zu per­fi­den Fol­te­rungs­an­la­gen, sogar eine “Eiser­ne Jung­frau” soll ihren schreck­li­chen Dienst ver­rich­tet haben. Ein Kanal unter dem Tötungs­ge­rät spül­te die Über­res­te direkt in die Fulda.

Den kup­pel­ar­ti­gen Innen­raum nutzt heu­te die “Bas­ti­on Kunst” für Kunst­aus­stel­lun­gen, Musik­per­for­man­ces, Lesun­gen und ähn­li­ches. Auf dem Ron­dell kann man im Bier­gar­ten einen gran­dio­sen Blick über die Ful­da genießen.

Nguyễn Trinh Thi ist eine in Hanoi leben­de Fil­me­ma­che­rin und Künst­le­rin und bespielt den Innen­raum wäh­rend der docu­men­ta. Nguyễn zeigt eine neue mul­ti­me­dia­le Instal­la­ti­on, in der die Lan­des- bzw. Kon­ti­nen­tal­gren­zen auf­ge­löst wer­den. Das Pro­jekt ist inspi­riert von Bùi Ngọc Tấns auto­bio­gra­fi­schem Roman Tale Told in the Year 2000, der im Jahr 2000 erschien, in Viet­nam aber bis heu­te ver­bo­ten ist. Der Roman schil­dert das Leben in den Inter­nie­rungs­la­gern des kom­mu­nis­ti­schen Nord­viet­nams in den 60er und 70er Jahren.

Im Ron­dell ist es dun­kel, immer wie­der gibt es einen Licht­ein­fall und ein Schat­ten­wald aus Chi­li­pflan­zen ist zu sehen. Dazu hört man Flö­ten­tö­ne einer Sáo-Ôi-Flö­te, einem Musik­in­stru­ment, das ver­schie­de­ne Grup­pen aus den nörd­li­chen Berg­re­gio­nen spie­len, dar­un­ter die eth­ni­schen Min­der­hei­ten der Mường, Tày und Nùng. Die Fas­zi­na­ti­on die­ser Arbeit ist, dass ein auto­ma­ti­sier­tes Steue­rungs­sys­tem live Wind­da­ten von einem Sen­sor abruft, der in Tam Dao, dem Inter­nie­rungs­la­ger in Viet­nam, in dem der Autor saß, instal­liert ist. Die­se Impul­se akti­vie­ren die Flö­ten und Lich­ter im Ron­dell.

Bereits ohne die genaue Geschich­te zu ken­nen, ist die Atmo­sphä­re in dem Gewöl­be etwas beklem­mend, mit dem Wis­sen um den Hin­ter­grund der Arbeit stei­gert sich die­ses Gefühl in Bedro­hung und Furcht.

Die Künst­le­rin hat eine ein­zig­ar­ti­ge Sym­bio­se aus Doku­men­ta­ti­on, Film und Per­for­mance geschaf­fen. Wenn man dann erfährt, dass Win­de aus 10.000 Kilo­me­ter Ent­fer­nung die visu­el­le und audi­tive Wahr­neh­mung beein­flus­sen, macht das den Besuch sehr besonders.


[ Ger­rit Bräu­ti­gam | Redaktion ]

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Ron­dell
Johann-Heu­gel-Weg, 34117 Kassel