René Wagner – Pole Position

Hochglanzkultur und maskuline Zerbrechlichkeit

Renè Wag­ner, Meis­sen­fel­ge, Foto: Nico­las Wefers

Vom 1. April bis 28. Mai 2023 zeigt der Kas­se­ler Kunst­ver­ein in sei­nen wie­der­be­zo­ge­nen Räu­men im Muse­um Fri­de­ri­cia­num die Aus­stel­lung „Pole Posi­ti­on“ von René Wagner.

Kas­se­ler Kunst­ver­ein
02.04. – 28.05.2023
Eröff­nung: Sams­tag, 01.04.2023, 19 Uhr

Der Aus­stel­lungs­raum des Kas­se­ler Kunst­ver­eins wird von einer ca. 3 Meter hohen Aus­stel­lungs­wand zer­schnit­ten, die nach dem Vor­bild von Chris­to­pher Wil­liams Aus­stel­lungs­ar­chi­tek­tur ein rie­si­ges Vehi­kel erken­nen lässt. Als impo­san­te Skulp­tur teilt sie die angren­zen­de Wand und ver­keilt sich in den Nach­bar­raum. Sie stellt sich den Ausstellungsbesucher*innen gleich einem falsch­ge­park­ten Auto in den Weg. In ihrer Wand befin­den sich Aus­spa­run­gen, in denen beleuch­te­te Expo­na­te zu sehen sind. Wag­ner ver­zich­tet in die­ser Aus­stel­lung auf Sockel­kunst. Des­halb sind sei­ne lackier­ten Vasen in einer Art Aus­puf­f­äs­the­tik lie­gend in den aus­ge­spar­ten Nischen ange­schraubt. Die auf­fäl­li­gen Nie­ten auf der Aus­stel­lungs­wand, die nor­ma­ler­wei­se an japa­ni­schen Auto­fel­gen zu fin­den sind, hat Wag­ner eigens für die Aus­stel­lung kom­men las­sen. Anlei­hen aus den Boso­zo­ku Style Tunings wer­den sicht­bar. Kunst­voll prä­pa­rier­te Fel­gen schei­nen die Aus­stel­lungs­wand zu tragen.

An ihr hän­gen Bil­der, die aus blech­dün­nem Alu­mi­ni­um bestehen und meh­re­re Lack­schich­ten haben, aber auch Lein­wän­de, die in alt­meis­ter­li­cher Manier grun­diert und mehr­fach lackiert wur­den. In ihren leuch­ten­den Far­ben erin­nern sie an die 90er-Jahre-Hotwheels-Ästhetik.

Unter „Pole Posi­ti­on“ ver­steht Wag­ner die eige­ne Aus­gangs­po­si­ti­on als Chro­nist und genau­er Beob­ach­ter. Die Tuning­sze­ne auf den Nach­bar­dör­fern sei­ner Hei­mat­stadt Hil­des­heim hat ihn schon immer fas­zi­niert. Tau­send­fach hat er sie mit sei­ner Kame­ra fest­ge­hal­ten beim War­ten an der Bushaltestelle.

René Wag­ner, Kin­der­zim­mer (Vase), Foto: Nico­las Wefers

In der Lei­den­schaft und Aus­dau­er der Men­schen, die ihre Autos tunen und die­se dann abends vor den Bus­hal­te­stel­len außer­halb des Dor­fes prä­sen­tie­ren, sieht der Künst­ler eine Par­al­le­le zur Kunst­welt, denn auch sie ist immer auf der Suche nach dem größ­ten, schöns­ten und gelun­gens­ten Kunst­werk. Tuning­sze­ne in der Scheu­ne ver­sus Kunst im Ate­lier bzw. Tuning­sze­ne auf dem Park­platz ver­sus Kunst im Ausstellungsraum.

Wag­ner wer­tet nicht, son­dern stellt die obses­si­ve Auf­merk­sam­keit und tota­le Per­fek­ti­on für jedes Detail und die damit ver­bun­de­ne Wert­schät­zung für das auf Hoch­glanz polier­te Auto auf die glei­che Ebe­ne wie die Kunst oder das Meiß­ner Por­zel­lan sei­ner Oma, das nie benutzt wer­den durf­te und im Schrank aus­ge­stellt war. Das Bedürf­nis, sich zu mes­sen und zu opti­mie­ren, scheint sich vor allem mit ober­fläch­li­chen und auf Hoch­glanz polier­ten Ober­flä­chen stil­len zu lassen.

Wag­ner kom­bi­niert die­se Wel­ten mit­ein­an­der in sei­ner in Meiß­ner-Por­zel­lan-Optik gestal­te­ten Alu­fel­ge, die er oben­drein in ent­spre­chen­dem Mus­ter bemalt hat.
Sei­ne sorg­fäl­tig bemal­ten Objek­te ver­wei­sen auf die Anti­ke, als auf Gebrauchs­ge­gen­stän­den wie Vasen Sze­nen aus dem Leben abge­bil­det wur­den. Das, was Wag­ner heu­te abbil­det, ist vor allem der Kon­sum­welt ent­nom­men. Sei­ne bemal­ten Objek­te hin­ter­las­sen bei uns das beklom­me­ne Gefühl, auf ihre Vor­der­grün­dig­keit her­ein­ge­fal­len zu sein und der Dar­stel­lung wider­spre­chen zu wol­len, weil sie das Gewohn­te torpedieren.

Womög­lich spie­gelt René Wag­ner unser Bedürf­nis nach soge­nann­ten Kost­bar­kei­ten, die wir prä­sen­tie­ren, um uns selbst gegen­über ande­ren auf­zu­wer­ten. Als Besucher*in beschleicht uns das Unbe­ha­gen, dass die eige­ne Bewun­de­rung oder das Bedürf­nis nach Erha­ben­heit an belie­bi­gen Objek­ten und Tätig­kei­ten fest­ge­macht wer­den kann und unter Umstän­den lächer­lich ist. Wag­ner hält uns einen Spie­gel vor, das eige­ne Han­deln und die Selbst­ver­liebt­heit womög­lich infra­ge zu stellen.

Wenn es nach René Wag­ner geht, ist die Pole Posi­ti­on nicht der Start­platz für ein Wett­ren­nen, son­dern die Refle­xi­on der eige­nen Haltung.

René Wag­ner (*1983) lebt und arbei­tet in Kas­sel.
Er hat Bil­den­de Kunst an der Kunst­hoch­schu­le Kas­sel studiert.

 

Kas­se­ler Kunst­ver­ein, Fried­richs­platz 18, 34117 Kassel

Öff­nungs­zei­ten
Di – So und an Fei­er­ta­gen von 11 – 18 Uhr
Don­ners­tag 11 – 20 Uhr

Ein­tritt
5€ / 3€ ermä­ßigt
mitt­wochs frei­er Ein­tritt
Für Mit­glie­der des Kas­se­ler Kunst­ver­eins ist der Ein­tritt frei.

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