ON MY WAY
Interview mit Oksana Kyzymchuk
Die Künstlerin ist mit ihrer erstaunlichen Kunst aus den letzten Jahren in dem neuen Kunstinkubator am Königstor neu zu entdecken.
Wer Oksana hört und erlebt, fühlt sich besser. Vielleicht dürfte man Ihre Kunst deswegen „Feel Better Art“ nennen. Anlässlich Ihrer Ausstellung erzählt sie im Interview, wie sie selbst zum Gestalten Ihrer letzten Werke gekommen ist und wie ihr kreativer Flow aussieht und spricht über Ihre Arbeit als Künstlerin, Ihre Reiseerfahrungen und Lebenseinstellungen.
W.K.K.: Liebe Oksana, wie kam es zu der Idee des Kunstinkubators? Was war für dich die größte Motivation, einen Kunst Space zu kreieren?
O.K.: Auf der Suche nach einer Ausstellungsfläche für meine diesjährige Ausstellung in meiner Heimat Kassel – so mag ich diese Stadt mittlerweile bezeichnen- bin ich auf dieses wunderbare Gebäude aus den 50-er Jahren gestoßen. Die Ausformungen des Erdgeschosses mit seinen runden Schaufenstern, lassen einem sofort an einen Brutkasten, also Inkubator, denken. So kam dann eines zum anderen. Der Begriff ist aber keine leere Worthülse. Im Kontext meiner Kunst wird es verschiedene Veranstaltungen geben, die diese Räume zusätzlich aktivieren, ihnen Energie verleihen. Veranstaltungen, die spontan entstehen dürfen mit bis zu einer Teilnehmeranzahl von 50 Teilnehmer*innen. Da wird dann way „ausgebrütet“. Einiges ist auch schon einiges in der Planung.
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W.K.K.: Was ist mit dem titelgebenden Ausdruck „on my way“ gemeint.
O.K.: Es ist bekannt, dass ich in den letzen 12 Monaten in verschiedenen Ländern gearbeitet habe. Frankreich, Italien , Österreich und natürlich in Deutschland, in Kassel und Landshut. Da liegt so ein Titel natürlich nahe. Der Titel hat jedoch zwei Aspekte: „On my way“ deutet auch auf meinem Lebensweg hin. Deswegen gibt es auch, insbesondere im Obergeschoss, noch nicht ausgestellte Werke, aus früheren Jahren, die meinen Lebensweg zeichnen, wenn man meine Kunst „lesen“ mag.
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W.K.K.: Du warst die letzten Monate viel unterwegs und in deiner Einzelausstellung zeigst du Werke, die während deiner Zeit in der Bretagne entstanden sind. Was begeistert dich an diesem Land? Was bringst du von deinen Reiserfahrungen mit? Was davon spiegelt sich in Deiner Kunst? Was war das schönste Erlebnis das du dort erlebt hast?
O.K.: Die Bretagne ist geprägt vom Meer. Ein Meer das ständig kommt und geht, und das an keinem Tag gleich ist. Das macht was mit einem. Man fühlt sich näher an der Natur , an der Erde. Meine Werke sind dort harmonisch, rund, friedlich und hoffnungsvoll geworden, denn ich habe mich genau so dort gefühlt. Was ich auch, bedingt durch den längeren Aufenthalt, erfahren durfte: Die Bretonen sind so freundliche, geduldige , tolerante , entspannte Menschen, da können wir uns hier in Deutschland eine große Scheibe davon abschneiden. Das alles spiegelt sich in meinen Werken aus dieser Zeit im Februar diesen Jahres. Es gab so viele schöne Erlebnisse dort . Das Meer in seinen tausend Zuständen und Farben. Besonders berührend fand ich, dass die Menschen, Restaurants und Austernzüchter schon nach wenigen Tagen, mir ihre leere Austern einfach so vor die Tür gestellt haben, dass ich sie bemalen kann. Jetzt verkaufen sogar die Geschäfte in dem Ort die bemalten Austern und im Muschelmuseum sind sie auch ausgestellt.
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W.K.K.: Was bedeutet es nun für dich, diese Arbeiten wieder in Kassel auszustellen? Was verbindet dich mit Kassel?
O.K.: Kassel ist meine Heimat geworden. Sie hat den gleichen Stellenwert wie meine Heimat Ukraine. Ich habe hier unfassbar gute Menschen kennengelernt, die mir zu Freunden wurden. Ich habe hier so viele Menschen getroffen, die meine Arbeit unterstützen, mich unterstützen, die so herzlich sind. Mit diesen möchte ich meine Arbeit teilen, ihnen zeigen, was ich geschaffen habe. Wenn ich mal nicht mehr in Kassel wohnen sollte, dann sind neben meinen Besuchen zumindest mein Herz, meine Seele hoffentlich in vielen Häusern dieser Stadt in Form von meinen Kunstwerken zuhause.
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W.K.K.: Welche Themen beschäftigen dich in deinem Schaffen zurzeit besonders? Fühlst du dich mit deiner Kunst verstanden? Wie reagieren die Betrachter auf deine Kunst? Hast du den Eindruck dass es Berührungspunkte zwischen deinen Intentionen um denen des Betrachters gibt?
O.K.: Gerade weil Krieg in meiner Heimat Ukraine ist, beschäftige ich mich mit den scheinbar kleinen Dingen des Lebens, die Hoffnung machen, die das schöne im Leben zeigen, die das Miteinander in Frieden darstellen. Diese visuellen Aussagen sind nicht unpolitisch. Sie sind ein Aufruf für Frieden und ein menschen- wie naturgerechtes Miteinander. Ich spüre immer wieder, dass sich die Menschen von meiner Intension berührt fühlen, sie zumindest verstehen. Oft sehe ich Menschen gehetzt an den Schaufenstern der Galerien, in denen meine Werke ausgestellt sind, vorbei gehen. Auf einmal haben sie ein Lächeln im Gesicht, nach einem Blick ins Schaufenster. Anscheinend hat sie dort etwas positiv angefasst. Oder sie haben intuitiv meine dargestellten Gedanken verstanden. Das ist doch toll.
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W.K.K.: In den letzten Jahren hast du eine einzigartige wiedererkennbare Maltechnik entwickelt. Wie gehst du beim Malen vor? Wie muss man sich deine Arbeit genau vorstellen? Was ist deine größte Herausforderung?
O.K.: Ich zeichne nie vor. Meine Arbeit muss in langen, fließenden Strichen erfolgen. Meine Arbeit ist nicht „gedacht“, sondern ein kehren von innen nach außen. Die Herausforderung ist die, bei mir selbst zu sein. Ob traurig, glücklich oder sonstwie. Sonst wird das Werk leblos und wandert in Ablage P. Meistens fange ich aber dann gar nicht erst an zu malen, sollte ich mich nicht bei mir fühlen.
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W.K.K.: Deine Bilder sind ja so richtig beeindruckend, sehr lebendig, zum Teil auch sehr groß. Wie lange brauchst du in der Regel für so eine Arbeit? Wie sieht dein kreativer Prozess aus?
O.K.: Ehrlich gesagt: Zwischen 30 Minuten und einem Jahr. Vieles bleibt liegen und wird intuitiv wieder neu angefasst, vieles „sprudelt“ aber einfach auch so aus mir heraus und findet relativ schnell seine Vollendung.
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W.K.K.: Wer sind die Figuren und Personen, die du in deinen Bildern darstellst? Gibt es in deinen Kunstwerken auch versteckte Selbstporträts zu finden? Wieviel Seele von dir fließt in eine neu erschaffene Figur mit ein?
O.K.: Es gibt viel Symbolik in meinen Bildern. Es gibt schöne und weniger schöne Menschen in meinen Bildern, es gibt Tiere und Erotik. Alles steht in einem spezifischen Kontext. Ein Beispiel: Das Titelbild meiner Ausstellung heißt „Arche Noah“. Ich habe das Gefühl, dass wir demnächst eine Arche Noah brauchen, wenn wir weiter so mit dieser Erde umgehen. So stelle ich mir eben diese Arche Noah vor. In einem anderen Bild hat die Anordnung von zum Beispiel Mensch und Tier eine völlig andere Bedeutung, wird in einen anderen Strich und Vordergründigkeit dargestellt.
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W.K.K.: Hat deine Herkunft dich auch künstlerisch geprägt oder auf eine bestimmte Weise für besondere Themen besonders sensibilisiert?
O.K.: Selbstverständlich. Ich glaube, jeder Mensch wird zuerst einmal durch seine Herkunft, durch die Kultur seines Landes in dem er geboren ist, geprägt.
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W.K.K.: Was macht Dich glücklich?
O.K.: Ich bin froh, dass es mir mit meiner Arbeit, meinen Freund*innen, den Menschen, die mich und meine Arbeit schätzen, mit meinem Lebenspartner gut geht. Richtig glücklich kann ich wieder werden, wenn in meinem Geburtsland Ukraine kein Krieg mehr herrscht und die Menschen dort in Frieden ihr Land — mit unserer Unterstützung — wieder aufbauen können.
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W.K.K.: Danke für das wunderbare Interview und die Einblicke in deinen Werdegang.
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[ Das Interview führten: Sonja Rosettini + Helmut Plate ]
[ © Fotos: Sonja Rosettini ]
Ausstellung “ON MY WAY“
13. April 2023 – 28. Mai 2023
Königstor 2, 34117 Kassel