Meine Welt ist bunt“

Mona Gassim

Ein Leben zwischen den Kulturen.

Die Glo­ba­li­sie­rung der Kunst­welt wur­de längs­te Zeit von Wei­ßen ohne Ein­be­zie­hung des afri­ka­ni­schen Blicks domi­niert, doch der Rie­sen-Hype um afri­ka­ni­sche Gegen­warts­kunst ver­än­dert das gera­de. Welt.Kunst.Kassel. hat die inter­na­tio­nal bedeu­ten­de – aber in Kas­sel vielleicht noch nicht so bekann­tesuda­ne­si­sche Künst­le­rin Mona Gas­sim getrof­fen. Ihre Bildspra­che hat uns fas­zi­niert, unse­re Fan­ta­sie beflü­gelt und das krea­ti­ve Poten­ti­al wech­sel­sei­ti­gen Kul­tur­aus­tauschs offenbart.

Mona Gas­sim ist nun gera­de etwas län­ger als vier Jah­re in Kas­sel, hat­te hier schon eini­ge Aus­stel­lun­gen und ist in der Stadt dank ihrer authen­ti­schen und künst­le­ri­schen Hand­schrift dem ein oder ande­ren bereits bekannt.

Sie ist 1976 in Kart­ho­um, in Sudan, gebo­ren, stu­dier­te in Ägyp­ten und dem Sudan und hat ihre Bil­der in zahl­rei­chen inter­na­tio­na­len Aus­stel­lun­gen in Euro­pa und mitt­le­rem Osten, Afri­ka und Indi­en prä­sen­tiert, sowie auch an Gruppen­aus­stel­lun­gen teilgenommen.

© Foto: Rei­mund Lill

© Foto: Rei­mund Lill


Mona
Gas­sims Male­rei beruht auf einer leb­haf­te Farb­wahl und setzt Far­be und Farb­kon­tras­te als vor­ran­gi­ges Gestal­tungs­mit­tel ein. Wich­tig ist die reine Wir­kungs­wei­se der Far­be. Der Wert und die Schön­heit der Far­be ste­hen im Vor­der­grund, als eigen­stän­di­ges The­ma, als die Bild­aus­sa­ge selbst. 

In ihren Arbei­ten setzt sich die Bild­flä­che oft aus nichts ande­rem als aus Far­be zusam­men, wird aber auch räum­lich wahr­ge­nom­men, denn auch ein unge­gen­ständ­li­ches Bild sug­ge­riert in gewis­sem Sin­ne Räum­lich­keit. Die Wei­te und Tie­fen­wir­kung der Far­ben ver­lei­hen den Bil­dern bei län­ge­rer Betrach­tung eine enor­me ästhe­ti­sche Dich­te und zie­hen die Auf­merk­sam­keit magisch an.

© Foto: Rei­mund Lill

Mona Gas­sim gibt ihren Gedan­ken und Gefüh­len beim Malen frei­en Lauf und begibt sich auf eine Art Rei­se durch ver­schie­de­ne Erin­ne­rungs­or­te, die sie inspi­rie­ren, als Erfin­dung einer neu­en Art des Geschich­te-Erzäh­lens. Ihre Gemäl­de geben Impres­sio­nen aus Ihrer Hei­mat Sudan wie­der. Der Sudan mit sei­nen Wüs­ten und Savan­nen, schutz­lo­sen, ein­sa­men und men­schen­lee­ren Land­schaf­ten, aber auch der Nil mit sei­ner gran­dio­sen Wei­te. Ein sat­tes Blau, das in der Erin­ne­rung zwi­schen Ultra­ma­rin, Azur, Him­mel­blau, strah­len­dem Tür­kis und Sma­ragd­grün chan­giert. Für die Künst­le­rin ver­schmel­zen hier Bedeu­tung, Far­be, Bewe­gung, Wild­heit im Sin­ne einer Ursprüng­lich­keit und Har­mo­nie, einer Prä­senz der Kunst in der Natur, Natur als Kunst, die sie durch den ihr eige­nen Aus­druck wie­der erleb­bar macht. 


Ihre Hei­mat
, aber auch die vie­len Län­der, die sie schon durch ihre Aus­stel­lun­gen ken­nen­lernt hat, das Mit­tel­meer, Asi­en, die Sei­den­stra­ße, aber auch euro­päi­sche Städ­te wie Paris, Oslo, Ber­lin usw... Die meis­ten ihrer Arbei­ten haben einen erzäh­le­ri­schen Ansatz und ver­su­chen auf das Erle­ben und den sozia­len Kon­text zu reagie­ren. Mona Gas­sim stellt also per­sön­li­che Rei­se­er­in­ne­run­gen, Erfah­run­gen und Gefüh­le in ihren Bil­dern dar, aber gleich­zei­tig spre­chen ihre Wer­ke auch eine uni­ver­sel­le abs­trak­te gemein­sa­me Spra­che, weil sich jeder in den Far­ben und Erinne­run­gen wie­der fin­den kann, eige­ne Rei­se­er­fahrun­gen und Erin­ne­run­gen findet.

Acryl on Can­vas Duo, 100 x 80, 2021 | © Foto: Rei­mund Lill


Durch die Kraft ihrer Bil­der erle­ben wir Kul­tur als etwas Ver­bin­den­des, nicht Tren­nen­des. Das Erken­nen der eige­nen Fremd­heit und Ähn­lich­keit mit der Fremd­heit ande­rer. Die unter­schied­li­chen Lebens­for­men, Wer­te und Welt­an­schau­un­gen ermög­li­chen neue kul­tu­rel­le Ver­bin­dun­gen. Kunst schafft Brücken.

Acryl on Can­vas trio, 120 x 40, 2021 | © Foto: Rei­mund Lill

Und so sind Mona Gas­sims Bil­der auch Brü­cken durch ver­schie­de­ne Kul­tu­ren, stets auf der Suche nach einem frei­en und gleich­be­rech­ti­gen Dia­log, ohne Vor­ur­tei­le. Mein Ate­lier ist ein Ort des Dia­logs“, lädt Mona Gas­sim uns ein.

Ihre Wer­ke sind natür­lich durch ihre afri­ka­ni­sche Iden­ti­tät geprägt, aber stel­len auch eine uni­ver­sel­le Kunst­spra­che dar, die für jeden ver­ständ­lich ist, außer­halb der afri­ka­ni­schen Kli­schees für Tou­ris­ten und dem idyl­li­schen Bild Afri­kas, auch weil die isla­mi­sche und afri­ka­ni­sche Kunst und Kul­tur sich auf kei­nen gemein­sa­men Nen­ner brin­gen lassen.

Acryl on Can­vas | © Foto: Rei­mund Lill

Mona Gas­sim beschreibt ihre Kunst so:

Mei­ne Male­rei ent­spricht nicht dem Kli­schee von afri­ka­ni­scher Kunst mit Bil­dern von Frau­en, die Las­ten auf dem Kopf durch den Urwald tra­gen.
Aber mei­ne Kunst atmet den Geist Afri­kas.


© Foto: Rei­mund Lill

Der Aus­tausch mit ande­ren Kul­tu­ren und mit ande­ren Men­schen und Künst­lern aus der gan­zen Welt ist Mona beson­ders wich­tig, um ihren Hori­zont stän­dig zu erwei­tern: Kunst als “inter­ak­ti­ver Aus­tausch”, von Per­spek­ti­ven, Ideen, Emo­tio­nen, Erfah­run­gen, Tra­di­tio­nen und Denkmustern.

Mona Gas­sim ist nicht nur eine begab­te Künst­le­rin son­dern auch eine offe­ne, fröh­li­che Frau, ein Her­zens-Mensch und eine Bot­schaf­te­rin, die durch die Kunst dazu beiträgt, dass Men­schen zuein­an­der fin­den und in Dia­log kommen.

 

Acryl on Can­vas, 120 x 40, 2021 | © Foto: Rei­mund Lill

Inter­view

W.K.K.: Afri­ka scheint im Kunst- und Kul­tur­be­reich immer wie­der der „neu­es­te Trend“ zu sein, wenn wir das mal so aus­drü­cken dür­fen, und Gegen­warts­kunst aus Afrika wird zuneh­mend in die glo­ba­le Dis­kus­si­on ein­be­zo­gen. War­um wird ein Kon­ti­nent wie Afri­ka immer wie­der neu ent­deckt?

M.G.: Die Welt ist groß, aber heut­zu­ta­ge, dank der moder­nen Tech­no­lo­gien, wie Inter­net oder Goog­le, wird sie auch etwas klei­ner, wie ein klei­nes Dorf. Die Men­schen ver­rei­sen mehr, kön­nen mehr erle­ben und erfah­ren, auch mehr über Afri­ka. Man kann afri­ka­ni­sche Künst­ler gut mit ihren Far­ben oder The­men erken­nen, denn es gibt unter­schied­li­che Kul­tu­ren und Farben.

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W.K.K.: Der Begriff „afri­ka­ni­sche Kunst“ kann auch sehr „einschrän­kend“ sein und Vor­ur­tei­le mit sich brin­gen. Die Dis­kus­si­on dreht sich zumeist allein um die Her­kunft der Künstler*Innen und nicht so sehr um die ein­zel­nen Posi­tio­nen. Afri­ca is not a coun­try – und so viel­fäl­tig wie der Kon­ti­nent ist auch die Kunst­sze­ne. Ist nicht eine Diver­si­fi­zie­rung der Defi­ni­ti­on „afri­ka­nisch“ in der glo­ba­len Kunst­welt des­halb not­wen­dig?

M.G.: Afri­ka ist ein rie­si­ger Kon­ti­nent, mit vie­len ver­schie­de­nen Län­dern, Kul­tu­ren und Posi­tio­nen. Auch die Kunst dif­fe­ren­ziert sich in den ein­zel­nen Län­dern sehr und es gibt immer wie­der Neu­es zu ent­de­cken. Afri­ka­ni­sche Kunst hat eine lan­ge und fas­zi­nieren­de Geschich­te, die bis in die Anti­ke zurück­reicht. Die Viel­falt der afri­ka­ni­schen Kunst spie­gelt die rei­che kul­tu­rel­le Viel­falt des Kon­ti­nents und umfasst vie­le ver­schie­de­ne Sti­le, Tech­ni­ken und Mate­ria­li­en. Auch die Far­ben sind vom Land zu Land anders. In die­ser unter­schied­li­chen Farb­ver­tei­lung spie­geln sich auch die kul­tu­rel­len Ver­hält­nis­se des Kon­ti­nents wider. 

In mei­nem Land Sudan herrscht die Far­be Blau vor. Die­se beson­de­re blaue Far­be, ein Kobalt­alu­mi­nat-Pig­ment, wur­de schon in der Anti­ke im Sudan auf Sai, eine der größ­ten Inseln im nubi­schen Nil, pro­du­ziert und welt­weit expor­tiert. Die Far­ben­viel­falt, die im Sudan zu beob­ach­ten ist, hat­te star­ke Ein­flüs­se und wirk­te auf allen spä­te­ren medi­terranen und vor­asia­ti­schen Kul­tu­ren ein.

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Acryl auf Lein­wand, 116 x 81 cm | © Foto: Rei­mund Lill

W.K.K.: Was bedeu­tet Kunst für dich?

M.G.: Kunst ist Leben. Es ist für mich wie Sauerstoff.

Ich war schon als Kind, noch bevor ich zur Schu­le ging oder ich das Schrei­ben lern­te, rich­tig hung­rig nach Far­ben, woll­te malen und mich mit Far­ben aus­drü­cken und habe die uner­schöpfliche Welt der Krea­ti­vi­tät bereits früh für mich ent­deckt. Mei­ne Welt war schon immer bunt. Das ist mei­ne Art, die Welt zu leben und zu genie­ßen: die Welt ein wenig far­ben­fro­her zu machen! Kunst ist für mich ein Raum in dem ich mich krea­tiv ent­decken und aus­to­ben kann, ohne Ziel­vor­ga­be, ohne Ver­glei­che, ein­fach nur mit Freu­de am Tun und Sein.

Mei­ne Male­rei bedeu­tet für mich auch Frei­heit: die Frei­heit mich, dank der Far­ben, aus­drü­cken zu kön­nen. Mei­ne Wer­ke sind meis­tens groß­for­ma­tig, auch weil ich Raum brau­che, mei­nen Gefüh­len Aus­druck zu ver­lei­hen, ohne dass das Bild zu über­füllt wirkt.

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W.K.K.: Wie wür­dest du dei­ne Kunst beschreiben?

M.G.: Die Men­schen defi­nie­ren mei­ne Bil­der als abs­trak­te Kunst. Aber wenn sie mein Land Sudan besu­chen wür­den, wür­den sie erken­nen, dass ich nur die Land­schaft mei­nes Lan­des male. Der Sudan lei­det seit länge­rem an Armut und Krieg. Das sind auch die gän­gi­gen Asso­zia­tio­nen, wenn die Men­schen hier in Deutsch­land sich mein Land vor­stel­len. Doch der Sudan ist auch ein Land von unge­ahn­ter land­schaft­li­cher Schön­heit und ein Land von fas­zi­nie­ren­der Farbigkeit.

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W.K.K.: Wie schaffst du es, immer wie­der neue Krea­tio­nen und Farb­kom­bi­na­tio­nen zusammenzustellen?

M.G.: Meine Kunst ent­wi­ckelt sich immer wei­ter und ändert sich alle 7 Jah­re. Ich habe am Anfang mit ver­schie­ben­den Mate­ria­li­en expe­rimentiert und nicht nur Far­ben, son­dern auch Holz und ande­re Stof­fe ver­wen­det. Ich habe meine Farb­palet­te aber spä­ter redu­ziert, um die Far­ben noch aus­drucks­stär­ker wir­ken zu las­sen. Es wäre ansons­ten viel zu viel gewe­sen: Es ist wie eine Geschich­te zu schrei­ben und wenn man zu viel schreibt und sie zu lang wird, ver­liert sie an Wir­kung und Bedeu­tung. So wir­ken die Bil­der jetzt ruhi­ger.

Die Phi­lo­so­phie des Sufis­mus besagt, dass, „ein wenig vom Gro­ßen genug ist, um ganz zu erfül­len.“ Der Sufis­mus ist die spi­ri­tu­el­le Dimen­si­on der isla­mi­schen Reli­gi­on. Es ist ein Weg, Frie­den zu erlan­gen, zuerst mit sich selbst, dann mit der Gesell­schaft und schließ­lich mit Gott. Musik, Tanz, Poe­sie und Kunst sind, neben wei­te­ren Wegen, Hilfsmit­tel, um Gott näher­zukom­men.

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W.K.K.: Wel­che Bezie­hung hast du als Künst­le­rin zu dei­nen Bildern?

M.G.: Mei­ne Bil­der sind wie Kin­der für mich. Es ist auch immer schwer, wenn ein Bild ver­kauft ist. Ich habe aber nicht immer die glei­che Bezie­hung zu allen mei­nen Bil­dern. Es gibt Bil­der, die für mich eine beson­de­re Bedeu­tung haben, weil ich mit ihnen beson­de­re Erin­ne­run­gen und Erleb­nis­se ver­bin­de. Die Leu­te haben die­se nai­ve Ein­stel­lung, dass es der Arbeits­auf­wand ist, der den Wert eines Bil­des aus­macht und fra­gen, wie lan­ge es gedau­ert hat, das Bild zu malen. Aber das ist nicht das Wich­tigs­te. Für mich sind die Erin­ne­run­gen, mei­ne Gefüh­le, die den Wert des Bil­des bestim­men.

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W.K.K.: Wel­che Künstler*Innen haben dich inspi­riert oder inspi­rie­ren dich noch heu­te? Hast du gro­ße Vor­bil­der? Wel­che Rol­le hat dei­ne Tan­te Kama­la Ibra­him Ishag, die als Pio­nie­rin und eine der bedeu­tendsten bil­den­den Künst­ler Afri­kas gilt und unter ande­ren in MOMA in New York und in der Saat­chi Gal­lery in Lon­don ver­tre­ten ist, (https://www.youtube.com/watch?v=Cd2alCFuK4U) in dei­ner künst­le­ri­schen Ent­wick­lung gespielt?

M.G.: Anders als in Euro­pa, spiel­ten in mei­nem Land schon immer in der Geschich­te Frau­en eine wich­ti­ge Rol­le in der Kunst. Frau­en waren für die Deko­ra­ti­on des Hau­ses und im Haus zustän­dig und maß­geb­lich in der Male­rei und der Tep­pich­kunst. Die Kunst der Far­ben gehör­te alle­zeit zu den Frau­en. Mei­ne Tan­te Kama­la Ibra­him Ishag, die 1939 gebo­ren ist und mitt­ler­wei­le 84 Jah­re alt ist, war die ers­te Frau, die als Künst­le­rin bekannt wurde und auf­grund ihrer lan­gen Kar­rie­re mitt­ler­wei­le als eine der bedeu­tends­ten bil­den­den Künst­le­rin­nen Afri­kas gilt. 

Viel­leicht kommt mei­ne Anziehungs­kraft zur Kunst auch aus den Genen. Aber in mei­ner Fami­lie spiel­te Kunst schon immer eine wich­ti­ge Rol­le, sie war all­ge­gen­wär­tig und das hat natür­lich auch eine Bedeu­tung in mei­ner Erzie­hung gehabt.

Wei­te­re Künst­ler, die für mich sehr wich­tig waren, sind, zum Bei­spiel, der Suda­ne­se Moham­med Omer Kha­lil, der in New York wohnt und sehr bekannt für sei­ne Ätz­ra­die­run­gen ist.

https://contemporaryand.com/magazines/mohammad-omar-khalil-homeland-under-my-nails/

https://artbreath.org/interviews/mohammad-omer-khalil

Auch Ali Ras­hid, aus dem Iraq, ein sehr guter Freund von mir, hat mich in mei­ner Arbeit beein­flusst http://www.alirashid.nl/Home.html sowie Ahmed Jarid aus Marok­ko http://www.luxoratelier.gov.eg/?q=node/1676 und vie­le wei­te­re Künst­ler aus der Nahen Osten, weil ich fin­de, dass wir einen teil­wei­se ähn­li­chen Geist teilen.

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W.K.K.: In dei­nem neu­en Kunst­pro­jekt geht es um Frau­en und Schu­he. Möch­test du uns schon etwas dar­über erzählen?

M.G.: Es ist kein Gen­der- oder femi­nis­ti­sches Kunst‑Projekt. Mir geht es haupt­säch­lich um die Frau­en in der Kunst und um das Wir­ken, das Ver­ständ­nis und die Situa­ti­on von Frau­en in der bil­den­den Kunst in der Ver­gan­gen­heit. Es gab schon vie­le sehr talen­tier­te Künst­le­rin­nen in der Geschich­te, aber nur die Män­ner kom­men in Kunst­ge­schich­te vor. Jeder kennt Michel­an­ge­lo, Monet, Picas­so… aber als Frau ist meis­tens nur Fri­da Kahlo bekannt. Das ist aber auch schon moder­ne Kunst­ge­schich­te. In der Kunst­ge­schich­te haben Frau­en aber schon immer eine wich­ti­ge Rol­le gespielt und waren auch oft fortschrittlicher und anspruchs­vol­ler als Män­ner. Aber sie hat­ten lei­der kei­ne Chan­ce, in der Gesell­schaft aner­kannt zu werden. 

Und Frau­en mögen Schu­he. Ich weiß nicht war­um, aber Frau­en haben immer vie­le Schu­he im Schrank. Was mich betrifft, ich kau­fe immer neue Schu­he, manchmal tra­ge ich sie auch nur ein paar Male oder sogar nie, aber sie sind da. Schu­he sind für Frau­en was beson­deres. In mei­nem Pro­jekt möch­te ich die Geschich­te eini­ger Künst­le­rin­nen der Ver­gan­gen­heit durch ihre Schu­he erzählen.

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W.K.K.: Aus künst­le­ri­scher Sicht ist die ara­bi­sche Kal­li­gra­fie für ihre Viel­falt und ihr gro­ßes Ent­wick­lungs­po­ten­zi­al bekannt und wird dafür geschätzt. Du wirst im Sep­tem­ber einen Kurs zu die­ser fast ver­ges­se­nen Kunst des Schön­schrei­bens geben. Wie kam es dazu und wie ist dei­ne Bezie­hung zu Kalligrafie?

M.G.: Kal­li­gra­fie ist eigent­lich selbst eine Kunst, wie Malen. In der ara­bi­schen Zivi­li­sa­ti­on wur­de die Kal­li­gra­fie in ver­schie­de­ne Berei­che ein­ge­bun­den, etwa Kunst, Archi­tek­tur, Bil­dung, sowie im Hand­werk und nicht zuletzt auch in die Reli­gi­on. Bedingt durch das Bil­der­ver­bot im Islam, stellt die Kal­li­gra­fie die tra­di­tio­nel­le bil­den­de Kunst in der isla­mi­schen Welt dar und ist sozu­sa­gen die ästhe­ti­sche Sei­te der isla­mi­schen Reli­gi­on. Es geht dabei um Schön­heit, Geduld, Meditati­on: Es ist ein künst­le­ri­sches Schaf­fen, das zur per­sön­li­chen Ent­wick­lung bei­tra­gen kann.

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W.K.K.: Seit der Unab­hän­gig­keit der Repu­blik Sudan im Jahr 1956 beherr­schen gewalt­vol­le Kämp­fe zwi­schen Regie­rung und Rebel­len, zwi­schen reli­giö­sen und eth­ni­schen Grup­pen den All­tag der Men­schen. Im Sudan tobt zur­zeit ein Macht­kampf zwi­schen Regie­rungs­trup­pen und para­mi­li­tä­ri­schen Mili­zen. Hoff­nun­gen auf eine Demo­kra­ti­sie­rung nach dem Sturz von Omar al-Baschir im Jahr 2019 haben sich vor­erst zer­schla­gen. Mil­lio­nen Men­schen sind auf der Flucht. Was soll­ten die Men­schen hier über Sudan, ihre Geschich­te und den Bür­ger­krieg erfah­ren?

M.G.: Ich emp­fin­de es als sehr trau­rig, dass hier in Deutsch­land in den Medi­en kaum über den Krieg im Sudan berich­tet wird. Es gibt vie­le Leu­te, die gar nicht wis­sen, was dort zur­zeit pas­siert. Das tut weh. Ich habe hier vie­le Freun­de,aber ich füh­le mich manch­mal ziem­lich alleingelas­sen, weil sie mei­ne Angst, die Sor­gen um das Leben mei­ner Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen und die Zukunft mei­nes Lan­des nicht ver­ste­hen kön­nen. Und es pas­sie­ren dort so vie­le schlim­me Sachen: seit Beginn der Kämp­fe hat es bereits zahl­rei­che Kriegs­ver­bre­chen und Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit gege­ben, die Gewalt eska­liert, Ver­ge­wal­ti­gung und ande­re For­men sexua­li­sier­ter Gewalt gegen Frau­en und Mäd­chen sind weit ver­brei­tet, es gibt täg­lich unglaub­lich vie­le Tote, die Men­schen leben in Angst und ver­hun­gern, Mil­lio­nen Men­schen wur­den in die Flucht getrie­ben...

Die Revo­lu­ti­on im Sudan im Jahr 2019 sym­bo­li­sier­te eine viel­ver­spre­chen­de Wen­de für die Demo­kra­tie­be­we­gun­gen in Afri­ka und im ara­bi­schen Raum. Nach mona­te­lan­gen Pro­tes­ten war der Lang­zeit­dik­ta­tor Omar al-Baschir gestürzt und eine Über­gangs­re­gie­rung aus Zivi­lis­ten und Mili­tärs gebil­det wor­den, wobei die Rol­le der Frau­en, freie Medi­en und Gewerk­schaf­ten gestärkt wur­den. Jedoch dau­er­te die­se Frie­den nur kurz und die Span­nun­gen führ­ten im April 2023 zu dem bewaff­ne­ten Kon­flikt und jetzt kämp­fen die Armee unter Gene­ral Bur­han und den RSF-Mili­zen unter Muham­mad Hamd­an (“Hemed­ti”) Daga­lo um die Macht im Sudan.

Die Men­schen hoff­ten nach der Revo­lu­ti­on auf eine bes­se­ren Zukunft, aber nach so vie­len Jah­ren Dik­ta­tur gibt es lei­der keinen Zau­ber­stab, der die Demo­kra­tie schnell erschaf­fen kann. Die Poli­ti­ker sind schwach, die Insti­tu­tio­nen unglaub­würdig und Reli­gi­on wird poli­tisch miss­braucht. Mei­ner Mei­nung nach wäre eine strik­te Tren­nung von Poli­tik und Reli­gi­on wich­tig.

Die Men­schen hier in Deutsch­land spre­chen von einem Bür­ger­krieg, aber der Kon­flikt wird inter­na­tio­nal gesteu­ert: die Isla­mis­ten schi­cken Men­schen aus ganz ande­ren Län­dern um für den Islam zu kämp­fen; Russ­lands Wag­ner-Söld­ner mischen im Sudan mit; um nach sei­ner Unab­hän­gig­keit 1956 den Sudan an den Wes­ten zu bin­den, haben die USA und auch Deutsch­land damals vie­le Waf­fen gelie­fert und lie­fern immer noch. Vie­le Län­der haben Inter­es­sen an Sudans Bodenschätzen. 

Die Men­schen wis­sen viel zu wenig über die Geschich­te des Sudan und sei­ne Kul­tur. Im Sudan gibt es mehr als 200 viel älte­re Pyra­mi­den als in Ägyp­ten, in Ägyp­ten ste­hen nur halb so vie­le, aber die Men­schen ken­nen nur die Geschich­te Ägyp­tens. In Sudan ent­stand eine der ers­ten Zivi­li­sationen der Mensch­heit, viel frü­her als in Ägyp­ten; das alte Nubi­en ist die Wie­ge der Geschich­te und die nubi­sche Hoch­kul­tur war eine bedeu­tende Brü­cke zwi­schen Afri­ka und der Mittelmeerwelt.

© Foto: Rei­mund Lill

© Foto: Rei­mund Lill

© Foto: Rei­mund Lill

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W.K.K.: Kann man mit Kunst mehr ver­än­dern als mit Politik?

M.G.: Ich erzäh­le mit mei­nen Bil­dern Geschich­ten über den Sudan, es sind sei­ne Far­ben, es geht um sei­ne Kul­tur, die Men­schen die dort leben und den Nil.

Nach­dem der Krieg aus­ge­bro­chen war, habe ich ein Bild gemalt, nur weiß. Weiß ist im Sudan die Far­be der Trau­er und der Hoff­nung. Ein Freund von mir hat gesagt: „Mona, dein Land ist nicht mehr bunt. Das Bild dei­nes Lan­des ist jetzt grau, mit viel zu viel Rot.“

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W.K.K.: Vie­len Dank, lie­be Mona, für die­ses anre­gen­de Gespräch. Wir wün­schen dir viel Kraft und wün­schen uns
Frie­den
für den Sudan.

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[ Das Inter­view führ­ten: Son­ja Roset­ti­ni + Hel­mut Plate ]

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Vita

1976 Khar­to­um /Sudan

1998 – 2003 Fakul­tät der Bil­den­den Küns­te Kairo/Ägypten.

2007 – 2008 Natio­nal-Uni­ver­si­tät Juba/Sudan

Inter­na­tio­na­le Ausstellungstätigkeiten

Lebt und arbei­tet seit 2020 in Kassel

Website: https://mona-gassim.de

Ate­lier­be­such

ART­van­ced Ate­lier­be­such bei Mona Gas­sim
Don­ners­tag den 17. August um 19:00 Uhr.

Anmel­dung:
info@artvanced-kassel.de
https://artvanced-kassel.de/

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Kal­li­gra­fie Kurs

VHS Kal­li­gra­fie Kurs von Mona Gas­sim
Kursnr. 232–10350
Beginn am Sams­tag den 09. Sep­tem­ber um 17:00 Uhr.

Anmel­dung:
https://vhs-region-kassel.de/start/kurssuche/kurs/Kalligrafie-Die-fast-vergessene-Kunst-des-Schoenschreibens/232–10350

 

 

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