Joseph Beuys
7000 Eichen, die größte Außenskulptur der Welt
Wirklich große Kunst drängt sich nicht auf, sondern wird eins mit ihrem Umfeld, verschwindet fast in der Natur. Die Kunstaktion, die am 16. März 1982 mit dem Abkippen von 7000 Basaltstelen vor dem Museum Fridericianum ihren Anfang nahm, wollte zunächst so gar nicht dem Beuysschen Kunstbegriff entsprechen. Dennoch war er der Initiator dieses Projekts, das einen Teil des Friedrichsplatzes unter einer meterhohen Steinwüste begrub.
Joseph Beuys ein Portrait
Eine Utopie wird Wirklichkeit?
Am 16. März 1982 pflanzte Joseph Beuys anlässlich der documenta 7 vor dem Portal des Fridericianums die erste seiner „7000 Eichen“. Fünf Jahre später wurde mit der Pflanzung des 7000. Baumes (Eiche) durch seinen Sohn Wenzel das Projekt abgeschlossen. Joseph Beuys konnte dies nicht mehr erleben. Er starb am 23. Januar 1986 im Alter von 64 Jahren.
Die „7000 Eichen“ dürfen zu Recht als der Höhepunkt der documenta-Beiträge von Beuys gesehen werden. Er ist als einziger Künstler fünf Mal in Folge auf der documenta — der Kasseler Weltkunstausstellung – vertreten gewesen: 1964, 1968, 1972, 1977 und 1982.
Mit den „7000 Eichen“ hatte Beuys seine Idee des „Erweiterten Kunstbegriffs“ und der „Sozialen Plastik“ auf anschauliche und überzeugende Weise umgesetzt. Der einzelne Baum zusammen mit der Stele ist als eine lebendige – Altes und Neues verbindende – Plastik zu verstehen. Die Aktion als Ganzes wendet sich an den Menschen als soziales Wesen, der aufgefordert wird, sein Potenzial an Kreativität zu entdecken und für die Gesellschaft wirksam werden zu lassen. „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ hatte Beuys sein Kunstwerk untertitelt, und dieser Aufruf hat viele Menschen in Kassel mobilisiert, ihren Teil zur Verwirklichung dieses Kunstwerkes beizutragen. Zudem sorgte die Arbeit von Beginn an für kontroverse Diskussionen. Heute sind manche Kasseler Straßen zu Alleen geworden, das Stadtbild hat sich gewandelt.
Inzwischen gehören die „7000 Eichen“ zu den größten und bedeutendsten Außenskulpturen der Welt und viele Künstler des In- und Auslandes haben sich davon inspirieren lassen. Als ein Beispiel sei die Arbeit von Giuseppe Penone genannt, dessen Baum „Idee di Pietra“ (Ideas of Stone), der im Rahmen der dOCUMENTA (13) 2012 in der Karlsaue von Kassel gezeigt wird, sich auf Beuys’ Pflanzungsaktion beruft. Denn die Idee wirkt oder „wächst“ in vielerlei Hinsicht weiter.
Als lebendige Plastik wirkt das Kunstwerk nicht nur als Beispiel, es bedarf auch weiterhin der Pflege und der Auseinandersetzung der Bürger mit seiner Form und der ihr zugrunde liegenden Idee.Für den Innenstadtbereich bleibt es für die Stadtplaner weiterhin eine vordringliche Aufgabe, mit Bäumen die Lebensqualität der hier lebenden und arbeitenden Menschen zu erhöhen. Dieses gilt nicht zuletzt auch in Hinblick auf die vielen Vorboten einer ökologischen Katastrophe, z.B. der Erderwärmung mit ihren Folgen, wie Unwetter, Wasserknappheit oder Feinstaubbelastung in den Megacitys.
Noch heute verbindet sich die künstlerische, soziale und ökologische Idee von Joseph Beuys unauflöslich und offen sichtbar mit dem Werk.
Foto: Nicolas Wefers /documenta Archiv
Das Kunstwerk „7000 Eichen“ steht sicherlich auch für einen Beitrag zur Veränderung gesellschaftlicher Lebensformen. Nach Joseph Beuys ist die menschliche Fähigkeit, seine Kraft zur Kreativität, das eigentliche Kapital, das es zu schützen und zu entwickeln gilt. Das Kunstwerk „7000 Eichen“ steht sicherlich auch für den Dualismus zwischen Geist und Materie, zwischen Mensch und Natur, zwischen Armut und Reichtum. Andererseits hat er gefordert, alle Kräfte zu mobilisieren, diese Gegensätzlichkeit aufzuheben – auch dafür stehen seine Kunstaktionen in ihrer Gesamtheit.
Beuys hat den Freiheitsbegriff und den marxistischen Kapitalbegriff durch die grundlegende Neubewertung der Rolle des Menschen in der Gesellschaft neu definiert: Kapital sind nach ihm die geistigen, kreativen Fähigkeiten des Menschen, was er auf die provozierende Formel „Kunst=Kapital“ brachte.
Beuys hat damit die ursprünglich rein ästhetische Idee des Gesamtkunstwerks radikal verworfen und die Kunst neu definiert hin auf eine Erneuerung der Gesellschaft. Sein gesamtes künstlerisches Werk, einschließlich der enigmatischen Aktionen, diente der totalen Veränderung des Denkens und somit aller gesellschaftlichen Verhältnisse.
Das Werk und das Denken von Joseph Beuys sind heute aktueller denn je: Es seien nur wenige Stichworte genannt wie nachhaltiges Wirtschaften, schonender Umgang mit den Ressourcen, gegenwärtige Weltfinanzkrise, damit Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems verbunden mit einer Entdemokratisierung der politischen Prozesse. Eine Antwort im Beuysschen Sinne wäre sicherlich mehr direkte Demokratie.
[Volker Stockmeyer]
Wir brauchen mehr Wachstum.
Eine Stadt wird GRÜN
Kantstraße
Farbfoto: @Stiftung 7000 Eichen (Annli Lattrich) | SW-Foto: @documenta archiv (Dieter Schwerdtle)
Bodelschwinghstraße
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Pferdemarkt
Farbfoto: @Stiftung 7000 Eichen (Annli Lattrich)
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Heinrich-Plett-Straße
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Mommenröder Straße
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Schönfelder Straße
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Leiniusschule — Wolfhagerstraße
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Herkulesschule
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Stifterstraße
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Ludwig-Mond-Straße
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