Kleider, Kitsch und wahre Liebe
Zum Besuch im Hessischen Landesmuseum bei
Ja! Hochzeit in allen Farben am 24. Februar 2022
Es dämmert bereits und das Hessische Landesmuseum strahlt um die Wette mit der ebenfalls illuminierten Torwache. Weithin sichtbar ist das Banner mit der Ankündigung für die neueste Sonderausstellung, die offiziell vom 25. Februar bis 29. Mai hier in den Räumen gezeigt wird:
Ja! Hochzeit in allen Farben.
Um 17.00 Uhr konnte man bereits via Facebook und Youtube Herrn Prof. Dr. Martin Eberle lauschen, der das partizipative Projekt vorstellte. Denn natürlich wird das Ganze kuratiert von einem Team bestehend aus Dr. Martina Lüdicke, Leiterin Sammlung Volkskunde, Aymen Hamdouni, der Diversitätsmanager der Museumslandschaft Hessen Kassel und der Voluntärin Johanna Frankfurth. Aber das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass die Kasseler aufgefordert wurden, von Ihrem schönsten Tag des Lebens zu berichten, es wurden fleißig Anekdoten und Geschichten erzählt. Als es dann darum ging, entsprechende Leihgaben und Exponate dieses Tages zu bekommen, musste noch ein wenig Überzeugungsarbeit geleistet werden, das Ergebnis kann man sich nun im Landesmuseum anschauen.Auf ihrem schwarzen Sockel lässig die Beine überkreuzt wird man von einer unbekleideten Dame im Erdgeschoss scheu angeblickt.
Im vierten Stock öffnet sich der Aufzug und in dämmriger Beleuchtung wird die erstaunlich große Gruppe von Frau Dr. Lüdicke begrüßt, die gerade den historischen Raum erläutert.
Gleich wird sie den Schwenk zu dem zweiten Raum der Ausstellung nehmen, hier werden Hochzeitsbräuche der Gegenwart gezeigt. Die Gruppe wird geteilt und Frau Lüdicke hat Frau Babette Küster, verantwortlich für die Textilsammlung der mhk, als Verstärkung dabei und führt durch den historischen Raum. Man erfährt, dass der Traum in Weiß erst ab 1850 gelebt wird und vorher in verschiedensten Farben geheiratet wurde. Und da schwarz für festliche Anlässe wunderbar geeignet ist und so ein Kleid natürlich sehr teuer und damit zu schade für nur einmal anziehen war, sehen wir auch zwei schwarze Kleider in der Sammlung. Die Nähe zur Trauerbekleidung lässt sich allerdings nicht leugnen!
Besondere Zeiten brauchten Improvisationsgabe. In der Nachkriegszeit waren Rohstoffe knapp und so wurden aus einem Verlobungs- und Brautkleid von 1949 das Oberteil und der Unterrock aus Fallschirmseide gefertigt. Vielleicht half es auch, einen eventuellen tiefen Fall nach einigen Ehejahren abzufedern.
Durch den Raum, der sich mit der Hochzeit und ihren Bräuchen der Gegenwart beschäftigt, nimmt uns gleich Aymen Hamdouni, der Diversitätsmanager der mhk, an die Hand. Im Gespräch wird klar, wie wichtig auch oder gerade in der heutigen Zeit ein solcher Posten ist. Eine kuratorische Sicht auf ein Thema, in der sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden, ist elementar und bildet dann erst deren Vielfalt ab. Dieser Posten wird auch gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.
An seiner Seite ist Johanna Frankfurth, die klug und besonnen durch den hinteren Teil des Raumes führt. In diesem finden sich reichlich Kuriositäten aus aller Welt, Exponate von Asien bis Afrika geben spannende Einblicke in die Hochzeitszeremonien ferner Länder.
Bevor der Eintritt in die Ehe beginnt, wird in verschiedenen Kulturen unterschiedlich Abschied vom Junggesellinnendasein genommen. In der türkischen und syrischen Hennazeremonie wird der Braut am Hennaabend der Farbstoff aus den getrockneten Blättern des Henna-Strauches auf Hände und Füße aufgetragen. Er soll reinigende Wirkung besitzen und Schutz vor dem bösen Blick bieten. Fünfzehn Tage bleibt das Henna auf der Haut, in der Hoffnung, dass die Dame dann noch immer ihren Auserwählten heiraten will… Die werdende Braut steckt in einem luxuriösen und aufwendigen Kleid, der Rahmen ist festlich und erhaben.
In westlichen Kulturen dagegen findet man dann das Kontrastprogramm: In ach so witzigen Kostümen wie hier das Dress von Spiderman, läuft man grölend durch die Innenstädte und Alkohol fließt in Strömen.
Eine informative und interessante Entdeckungsreise durch die Kulturgeschichte der Hochzeit geht zu Ende, und man gewinnt die Erkenntnis, dass wahre Liebe auch in interkulturellen oder gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder einfach zwischen zwei Menschen Rituale braucht.
[Gerrit Bräutigam | Redaktion]
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