Im Alter von 72 Jahren ist der Bildhauer Harry Kramer in Kassel an Herzversagen gestorben. Sein Vermächtnis ist die Künstler-Nekropole im Habichtswald. Harry Kramer war ein Spieler und wollte dabei stets der Gewinner sein. Auch an dem Punkt, an dem es nichts mehr zu gewinnen gibt – im Augenblick des Todes – wollte er nicht einfach verlieren. So hatte er alles vorbereitet: Sein bildhauerisches und malerisches Werk hatte er abgeschlossen und weitgehend in eine Stiftung eingebracht; und schreibend hatte er Bilanz gezogen. Selbst an einem Nachruf auf sich selbst hatte er gearbeitet. Also konnte er sich im Sessel zurücklehnen und herausfordernd dem Tod ins Antlitz schauen, indem er, während seine kranke Lunge künstlich mit Sauerstoff versorgt wunde, an einer Zigarette zog.
So war er – ein Spieler und Schauspieler, aber auch ein Philosoph. Vor allem aber war ein unvergleichlicher Künstler, immer herausfordernd und anregend, anstiftend und begeisternd. Obwohl anlässlich seines 65. Geburtstages eine Werkschau durch die Lande reiste, die auch im Kasseler Museum Fridericianum Station machte, hat man das ungute Gefühl, dass sein Gesamtwerk nie richtig sichtbar geworden ist. Natürlich, da sind seine zarten poetischen Drahtskulpturen der 60er-Jahre, in denen die Rädchen schnurren. Die kennt man, die machten ihn berühmt. Der Ruhm des Harry Kramer, der als Frisör begonnen hatte und dann Tänzer geworden war, kam aus Paris nach Kassel. In der französischen Hauptstadt hatte er mit seinen skurrilen Objekten für Aufsehen gesorgt. Sie waren durchsichtig, wie zerbrechlich und doch voller Volumen. Die kleinen, von Elektromotoren angetriebenen Räderwerke symbolisierten den Leerlauf der Bewegung. Das war ein ironischer Kommentar zu der Zeit, die noch an den Fortschritt glaubte. Wahrscheinlich hätte sich Kramer auf dem Kunstmarkt einen festen und auch lukrativen Platz erobern können, wenn er seine mobilen Drahtskulpturen weiter gebaut und variiert hätte.