Eine Stadt im Galerien-Fieber

EVERCHANGING 

Galeriefest 2023


[ Von Son­ja Rossettini ]

In Kassel fängt am Don­ners­tag den 11. Mai das Galerie­fest an und man weiß gar nicht wo man anfan­gen soll, so groß ist die Fül­le der Aus­stel­lun­gen und Ver­an­stal­tun­gen im Programm. 

Das Gale­rie­fest ist in der 11. Aus­ga­be, mitt­ler­wei­le ein mit Span­nung erwarte­ter Ter­min im Kunst­le­ben unse­rer Stadt und sorgtfür unge­wöhn­li­che Ansich­ten, neue Per­spek­ti­ven und einenleben­di­gen Dia­log. Jun­ge, ambi­tio­nier­te Künst­ler, die mit ihren Wur­zeln, mit der Kunst­ge­schich­te und aktu­el­len The­men, intel­li­gent spie­len und es ver­ste­hen mit Mate­ria­li­en und Werk­stof­fen umzugehen.

Und auch die­ses Jahr wer­den die Besucher*Innen zu einem Rund­gang durch die gesam­te Stadt ein­ge­la­den, um räum­li­che Instal­la­tio­nen sowie Aus­stel­lungs- und Ver­an­stal­tungs­or­te zu entdecken.

Meh­re­re Gale­rien sowie Muse­en und wei­te­re Koope­ra­ti­ons­part­ner prä­sen­tie­ren beim Gale­rie­fest vom 11. bis 25. Mai 2023 moder­ne und zeit­ge­nös­si­sche Kunst auf höchs­tem Niveau.

Welt.Kunst.Kassel. hat mit dem Orga­ni­sa­ti­ons­team und Pro­jekt­lei­tung bestehend aus Fran­zis­ka Wey­gan­dt, Loui­se Kna­f­la und Smil­la Sie­benschock und Tobi­as Rasch (Ver­ein Süd­ga­le­rien e.V.), die die Ver­an­stal­tung orga­ni­sieren und koor­di­nieren, die jun­gen Künst­lern eine Chan­ce geben möch­ten und auch die Schnitt­stel­le zwi­schen allen Teil­neh­men­den, Kunst- und Kul­tur­schaf­fen­den, der Stadt Kas­sel, Sponsor*Innen und wei­te­ren lokal inter­agie­ren­den Per­so­nen bzw. Insti­tu­tio­nen bil­den, über das Fest, Ihre Arbeit und Enga­ge­ment und die Kunst­sze­ne in Kas­sel gespro­chen.

Die Initiator*Innen vom Ver­ein „Südga­le­rien e. V.“ bespiel­ten 2013 erst­mals zum Stadt­ju­bi­lä­um 1.100 Jah­re Stadt Kas­sel, die Süd­stadt mit dem Gale­rie­fest Kas­sel. Die Idee zu gemein­sa­men Aktio­nen und die Süd­stadt mit Gale­rien zu bele­ben ent­stand in Zusam­men­ar­beit zwischen Tobi­as Rasch, Mela­nie Vogel und Ulri­ke Pet­schelt, spä­ter kam noch Sven­ja Schmidt hin­zu. Das Fes­ti­val hat sich seit­dem in den letz­ten Jah­ren zu einer der bedeu­tendsten jähr­li­chen Ver­an­stal­tungen ent­wi­ckelt, die Hun­der­te von Kunstbegeister­ten glei­cher­ma­ßen anzieht und sich der Akti­on ange­schlos­sen haben. Wäh­rend am Anfang die Ver­an­stal­tungs­or­te meis­tens im süd­li­chen Teil von Kas­sel befan­den, weil die Frank­fur­ter Stra­ße als Herz­stück der blü­hen­den Kunst­sze­ne der Stadt dien­te und sich zu einem kul­tu­rel­len Zen­trum ent­wi­ckelt hat­te, wer­den die­ses Jahr auch Aus­stel­lungs­räu­me, Gale­rien, Laden­ge­schäf­te, Muse­en und Leer­stän­de in der Kas­se­ler Süd­stadt, Innen­stadt, im Schil­ler­vier­tel und an der Weser­spit­ze bespielt und in eine dyna­mi­sche Aus­stel­lungs­szen­o­gra­fie inte­griert, die das Publi­kum fes­seln und anspre­chen wird. 

Das Kura­to­ren-Team wur­de in der Zeit immer wie­der neu belebt und wird die­ses Jahr von der Kunst­hoch­schu­le und den Stu­den­tin­nen Fran­zis­ka Wey­gan­dt, Loui­se Kna­f­la und Smil­la Sie­ben­schock in der Pro­jekt­lei­tung  repräsentiert.

Das Orga­ni­sa­ti­ons­team 2023: v.l.n.r.: Smil­la Sie­ben­schock, Fran­zis­ka Wey­gan­dt, Loui­se Kna­f­la, Lea Sam­ba­le, Fabi­an Hel­ler, Can Wage­ner.  
© Foto: Mela­nie Vogel.

Das Team an sich ist aber noch viel grö­ßer, mit Fabi­an Heller (Web­sei­te Ent­wick­lung), Lea-Marai­ke Sam­ba­le (Social Media), Aljo­na Mar­sov(Schulerprak­ti­kan­tin), Can Wage­ner (Gestal­tung), Mar­ke­ting, Gra­fik, Spon­so­ren-Akqui­se, Auf- und Abbau, tech­ni­sche Hilfe und sonstige Unter­stüt­zer und den Mit­glie­dern des Ver­eins „Süd­ga­le­rien e. V.“. Und alle arbei­ten und enga­gie­ren sich, hoch pro­fes­sio­nell,  als gemein­nütziger Ver­ein ehren­amt­lich, prak­tisch nebenher.

 

Ein grö­ßerer Bestand­teil der Gale­rie­festes sind des­we­gen außer­dem die Spon­so­ren und För­de­rer, die das Gale­rie­fest von Anfang an beglei­ten, unter ande­rem das Hes­sisches Minis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Kunst, das Kul­tur­amt der Stadt Kas­sel, die SV Spar­kas­sen­ver­si­che­rung, das Kas­sel City­ma­nage­ment, Kas­sel Mar­ke­ting, die CDW Stif­tung und die Kas­se­ler Spar­kas­se sowie die Spar­kas­sen-Kul­tur­stif­tung Hes­sen-Thü­rin­gen, die ermög­li­chen, dass das Gale­rie­fest für alle Inter­es­sier­ten und Besucher*Innen kos­ten­frei ist.

Das Pro­jekt­ma­nage­ment des Gale­rie­fes­tes mit den Spon­so­ren die das Gale­rie­fest von Anfang an beglei­ten: v.l.n.r.: Tobi­as Rasch (Ver­ein Süd­ga­le­rien e.V.), Sabi­ne Hei­ne­mann (City Manage­ment), Smi­la Sie­ben­stock, Loui­se Knaf­ka, Fran­zis­ka Wey­gan­dt und Kat­rin West­phal (Kas­se­ler Sparkasse).

Inter­view mit dem Team des Projektmanagement

W.K.K.: Das Galerie­fest fei­ert mitt­ler­wei­le sein 11-jäh­ri­ges Bestehen und hat sich zu einem fes­ten Bestand­teil der Kas­se­ler Kul­tur­land­schaft eta­bliert. Wann und wie kam die Idee eines Jubi­lä­ums­festes?

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Letz­tes Jahr bei der Eröff­nung des Gale­rie­fes­tes 2022 kam jemand und frag­te, wie­so wir nicht ein 10-jäh­ri­ges Jubi­lä­um gefei­ert hät­ten aber wir hat­ten wirk­lich nicht dar­an gedacht. Das wol­len wir die­ses Jahr mit einem 11-jäh­ri­gen Jubi­lä­um gewis­ser­ma­ßen nach­holen und wol­len die­se Fei­er auch dazu nut­zen, um zu reflek­tie­ren, wie hat sich im Lau­fe der Jah­re das Gale­rie­fest ver­än­dert, was ist gleich geblie­ben, wel­che Erfah­run­gen konnten wir aus den letz­ten docu­men­ta Aus­stel­lun­gen sam­meln, wie ent­wi­ckelt sich derKul­tur­be­trieb in der Stadt. Das Team hat sich zum Bei­spiel geän­dert aber dieGrund­struk­tur mit dem Ver­ein „Süd­ga­le­rien e. V.“ ist unver­än­dert geblie­ben. Wir haben auch ein Archiv auf unse­rer Web­sei­te neu ent­wi­ckelt, wo man die Geschich­te und die Ent­wick­lung des Gale­rie­fests nach­voll­zie­hen kann (https://www.galeriefest-kassel.de/archiv). Außer­dem sind alle Events mit denNamen der Künstler*Innen im Archiv gelis­tet.

Mit dem Titel „ever­chan­ging“ möch­ten wir eben diese Ent­wick­lung, Her­aus­for­de­run­gen und Mög­lich­kei­ten des Fes­ti­vals im kul­tu­rel­len Bereich sowie struk­tu­rel­le und per­sön­liche Fak­to­ren beleuch­ten und über Arbeits­pro­zes­se und die damit ver­bun­de­ne Macht­dy­na­mi­ken zum Nach­den­ken anre­gen. Wir möch­ten auch ver­su­chen, eine nach­hal­ti­ge, inter­ne, bes­se­re Organi­sa­ti­ons­struk­tur zu schaf­fen, inter­ne Abläu­fe und fest­ge­fah­re­ne Struk­tu­ren über­prü­fen, erwei­tern oder abschaf­fen, um die nächs­ten Jah­re aus „Les­sons lear­ned“ bes­ser pla­nen zu kön­nen. Wir haben ver­sucht, die­ses Kon­zept auch in den Aus­stel­lun­gen und im Pro­gramm nachzubilden.

Loui­se Kna­f­la: „ever­chan­ging“ darf in bei­de Rich­tun­gen, posi­tiv oder nega­tiv inter­pre­tiert wer­den. Es kann Sicher­heit in den bestehen­den Struk­tu­ren bedeu­ten, um dann aus die­sen Struk­tu­ren wei­ter­zu­den­ken und krea­ti­ver zu arbei­ten. Wenn man die Struk­tu­ren nicht ändert, kann es aber auch zu Macht­pro­ble­men kom­men. Wir möch­ten des­we­gen trans­pa­ren­ter arbei­ten und offen klä­ren, wel­che Struk­tu­ren es über­haupt gibt, die sich viel­leicht im Lau­fe der Jah­re auch fest­ge­fah­ren haben, wel­che möch­ten wir behal­ten und wel­che nicht. Ziel ist es, ein trans­pa­ren­te­ren Umgang mit Bud­get und Macht­po­si­tio­nen aber auch mit kura­to­ri­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen zu ermög­li­chen. Vor allem möch­ten wir den Fokus auch auf Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, Peo­p­le of Color oder Pre­ka­ri­at rich­ten. Der dafür gewähl­te Titel ‘ever­chan­ging’ kann also als Aus­sa­ge, Fra­ge oder Auf­for­de­rung ver­stan­den wer­den. Die Struk­tu­ren und die Arbeit in der Kul­tur­bran­che sol­len hin­ter­fragt, kri­ti­siert und reflek­tiert werden.

Auch das Pla­kat ist des­halb auf trans­pa­ren­tes Papier im Sieb­druck gedruckt.

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Wir möch­ten auch mit dem Bud­get trans­pa­ren­ter umge­hen, denn es besteht der Ein­druck, dass das Gale­rie­fest hät­te ein gro­ßes Bud­get zur Ver­fü­gung, aber in der Rea­li­tät steht ganz viel ehren­amt­li­che Arbeit dahinter.

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W.K.K.: Tobi­as, du warst einer der Initia­to­ren des Gale­rie­fests. Wie fin­dest du die­sen Ablö­sungs­pro­zess mit einem neu­en Team? Wie gehst du damit um?

Tobi­as Rasch: Es gibt Pha­sen, wo ich das sehr gut und ent­spannt empfin­de und ande­re, wo ich doch Lust hät­te, mehr mit­zu­ma­chen. Aber es war vor 2 bis 3 Jah­ren eine bewusste Ent­schei­dung, mich zurück­zu­ziehen und zu ver­su­chen, Arbeit abzu­ge­ben. Es ist sehr schön zu sehen, dass es in den letz­ten Jah­ren genau­so gut und sogar bes­ser funk­tio­niert, weil die jun­gen Leu­te krea­tiv und enga­giert sind. Das betrifft nicht nur das Galerie­fest son­dern auch ande­re Pro­jek­te, die über den Ver­ein oder die Gale­rie lau­fen. Ich fin­de die neue Orga­ni­sa­ti­on sehr gut und genie­ße das auch.

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W.K.K.: Jun­ge Kunst­schaf­fen­de erhal­ten beim Gale­rie­fest eine Platt­form, um ihre Wer­ke zu prä­sen­tie­ren und sich mit Impul­sen zu aktu­el­len Dis­kur­sen ein­zu­brin­gen. Ihr möch­tet das Kura­tie­ren trans­pa­ren­ter gestal­ten. Wie wer­den die Künstler*Innen aus­ge­sucht und wie erfolgt die Zusammenarbeit?

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Im Pro­gramm­heft sind die Ver­an­stal­tun­gen und Aus­stel­lungen, die von uns direkt orga­ni­siert und ver­ant­wor­tet wer­den in der Far­be Schwarz dar­ge­stellt. Hier haben wir direkt die Künstler*innen ange­fragt, ob sie dabei sein wol­len. Sie kom­men teil­wei­se aus Kas­sel aber es sind auch eini­ge inter­na­tio­na­le Namen dabei. Die Künstler*Innen bekom­men von uns ein Aus­stel­lungshono­rar in der Höhe von 200 € und gege­be­nen­falls auch Mate­ri­al oder Rei­se­kos­ten bezahlt. 

Die im Pro­gramm­heft in Weiß hin­ter­leg­te Ver­an­stal­tun­gen und Aus­stel­lun­gen, die wir „Col­la­te­ra­li“ genannt haben, sind von den bestehen­den Gale­rien,Insti­tu­tio­nen und Muse­en in Kas­sel orga­ni­sier­te Aus­stel­lun­gen, die par­al­lel zum Gale­rie­fest lau­fen und nicht von uns orga­ni­siert und finan­ziert werden.

Loui­se Kna­f­la: Sowohl im Pro­gramm­heft als auch auf der Web­sei­te sind mit der neu­en Struk­tur nun auch alle Orte mit Adres­sen und die Öff­nungs­zei­ten über­sicht­li­cher, so dass man bes­ser orga­ni­sie­ren kann, wo und wann man hin­ge­hen möchte.

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Die Künstler*Innen wur­den unter­schied­lich aus­ge­sucht. Wir nut­zen natür­lich das Netz­werk der Kunst­hoch­schu­le, es sind auch ein paar Stu­den­ten und Künstler*Innen dabei die wir ken­nen, aber es gibt auch Künst­ler die wir ein­fach aus ande­ren Aus­stel­lun­gen ken­nen. Ich füh­re zum Bei­spiel über das Jahr eine Lis­te und notie­re inter­es­san­te Künstler*Innen, die ich bei Aus­stel­lun­gen oder Ver­an­stal­tun­gen sehe, oder auf Insta­gram folge oder aus ande­ren Netz­wer­ken ken­nen­ge­lernt habe.

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W.K.K.: Ihr arbei­tet auch sel­ber als Kunst­ver­mitt­le­rinnen in der Kunst­hal­le Fri­de­ri­cia­num und habt bei der docu­men­ta fif­teen als sobat-sobat ver­mit­telt. Wie läuft die Kunst­ver­mitt­lung beim Galeriefest?

Loui­se Kna­f­la: Wir bie­ten beim Gale­rie­fest klas­si­sche Tou­ren von der Dau­er einer Stun­de an. Wir haben zwei Per­so­nen, Lis Nach­ti­gal und Anto­nin Stein­ke, die auch als sobat-sobat bei der docu­men­ta fif­teen als Ver­mitt­ler gear­bei­tethaben, die The­men­füh­run­gen machen, die mehr­mals wie­der­holt werden.

Der the­ma­ti­sche Rund­gang Außen_Innen_Welten in der Grimm­welt nimmt künst­le­ri­sche Pra­xen in den Blick, die vom Umgang und Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien viel­sei­ti­ger Lebens­si­tua­tio­nen erzählen. 

Es gibt Füh­run­gen im Mode­haus SINN und im the­ma­ti­schen Rund­gang „Frame_Works“ möch­ten wir auf die Rah­men­be­din­gun­gen von Kunst­pro­duk­ti­on und ‑betrieb bli­cken und, pas­send zu unse­rem The­ma „ever­changing“, über hie­si­ge Schwie­rig­kei­ten sprechen.

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Außer­dem fin­den auch Künst­ler­füh­run­gen statt und wir haben auch vie­le Artist-Talks.

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W.K.K.: Der Name der Ver­an­stal­tung „Gale­rie-Fest“ mag teil­wei­se irrefüh­rend klin­gen, weil es eigent­lich weni­ge „Gale­rien“ in wahrs­te Sin­ne des Wortes sind, die das Fest antrei­ben, son­dern es geht um Aus­stel­lungs­räu­me, Künstler*Innen Pro­jek­te, Laden­ge­schäf­te, Museen…die mit­ma­chen. Wel­che Rol­le spie­len die Kas­se­ler Galerien?

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Beim Gale­rie­fest sind in der Tat kei­ne „Ver­kaufs­ga­le­rien“ ver­tre­ten, es geht ja mehr um Pro­jekt­räu­me, Ate­liers, Aus­stel­lungs­räu­me und das Kas­se­ler Kunst­netz­werk. Wir ver­ste­hen, dass der Name, mit dem Akzent auf „Gale­rien“ irre­füh­rend klin­gen mag, aber der Name hat sich mittlerweile 

Tobi­as Rasch: Das Gale­rie­fest hat sich im Lau­fe der Jah­re ver­än­dert. 2013 waren in der Frank­fur­ter Stra­ße mehr Gale­rien, wie die Gale­rie Rasch und die Gale­rie Pet­schelt und noch ein paar ande­re ver­tre­ten, die auch den Anspruch zu ver­kau­fen hat­ten. Daher kam auch der Name. Heut­zu­ta­ge sind die meis­tenGale­rien, die diesen Namen tra­gen, nicht unbe­dingt kom­mer­zi­el­le, klas­si­scheGale­rien im enge­ren Sinn son­dern eher Aus­stel­lungs­räu­me oder Pro­jekt-Räum­lich­kei­ten, wo Kunst zu sehen ist, die gespon­sert wird, oder Ver­ei­ne. Eigent­lich gibt es in Kas­sel mitt­ler­wei­le wenig kunst­han­deln­de Gale­rien, wo es nur um den Ver­kauf von Kunst geht. Vie­le haben geschlos­sen oder trei­ben Kunst­pro­jek­te vor­an, nicht unbe­dingt mit dem Ziel zu verkaufen.

Beim Gale­rie­fest geht es auch nicht um den Ver­kauf von Kunst, das Fest an sich ist kei­ne Ver­kaufs­aus­stel­lung. Des­we­gen unter­stüt­zen wir auch die Künst­ler finan­zi­ell mit einem Hono­rar, damit sie am Gale­rie­fest teil­neh­men kön­nen. Es ist also nicht mehr ent­schei­dend, dass die Künstler*Innen was ver­kau­fen. Es wird auch immer schwie­ri­ger für Künstler*Innen zu ver­kau­fen, ins­be­son­de­re wenn es um Per­for­mance, kon­zep­tio­nel­le Arbei­ten, Vide­os oder neue Medi­en geht.

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W.K.K.: Von was leben also die Künstler*Innen oder wie leben sie?

Tobi­as Rasch: Der Traum, dass man als Künstler*In eine Gale­rie fin­det, mit der man einen Vertrag abschließt und damit Geld ver­die­nen kann, bleibt ein Traum, weil die Sta­tis­ti­ken zei­gen, dass es nur weni­ge Künstler*Innen gibt, die damit Erfolg haben. Die Kas­se­ler Gale­rie­sze­ne ist wirk­lich über­schau­bar. Mei­ne Erfah­rung mit der Gale­rie Rasch ist, dass ich mit ein paar Künst­lern Erfolg hat­te aber ins­ge­samt reich­te es nicht, des­we­gen enga­gie­re ich mich mitt­ler­wei­le mehr in Künst­ler­pro­jek­ten.

Loui­se Kna­f­la:  Die meis­ten Künst­ler haben einen Neben­job oder neh­men Resi­den­zen an. Aber man kann Resi­den­zen auch kri­tisch sehen, weil sie sind wirk­lich nur für eine Per­son gedacht, es gibt einen Prä­senz­pflicht und es wird oft nicht mit­ge­dacht, dass das nicht mit einem Fami­li­en­le­ben zu ver­ein­ba­ren ist.Vie­le Künstler*Innen müs­sen viel Zeit, Auf­wand und Ener­gie in För­de­rung Anträ­ge und Ver­wal­tungs­we­ge inves­tie­ren. Das wird auch zu einer unbe­zahl­ten, zeit­wei­se fast Voll­be­schäf­ti­gung ohne die Sicher­heit, eine För­de­rung zu bekommen.

Loui­se Kna­f­la: Vie­le Künst­ler ver­su­chen Ihre Arbei­ten auf ande­rem Wege zu ver­kau­fen. Im Second-Hand, Vinta­ge- und Möbel‑Läden, wie bei­spiels­wei­seUnou­no an der Weser­straße 11b, der auch Aus­stel­lungs­ort ist. Dort kön­nen Künst­ler zum Bei­spiel auch Ihre Wer­ke anbie­ten. Im Tat­too Stu­dio Olga in der Erz­ber­ger­stra­ße 32, auch ein Aus­stel­lungs­ort, stellt Fran­ces Can­non Ihre Illus­tra­tio­nen aus, die man auch als Tat­too erwer­ben kann.

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Als Künstler*Innen das Leben durch den Ver­kauf von Arbei­ten zu finan­zie­ren ist eine fast uto­pi­sche Vor­stel­lung. Viele neh­men eine Stel­le in der (Hochschul-)Lehre an oder set­zen ihre Skills bei krea­ti­ven Arbeits­stel­len um, als Web­sei­ten-Gestal­ter oder Kunstvermittler.

Loui­se Kna­f­la:  Aber natür­lich sind alle Arbei­ten die wir auf dem Gale­rie­fest aus­stel­len auch zu erwer­ben. Auf der docu­men­ta fif­teen ver­such­te die Lum­bung Gal­lery, außer­halb des eta­blier­ten Kunst­mark­tes und inner­halb der Para­me­ter bestehen­der Kunst­öko­no­mien, Res­sour­cen hin zu einer stär­ker gemein­wohl­ori­en­tier­ten Wirt­schafts­wei­se zu ver­schie­ben. Wir haben über ähn­li­che Model­le nach­ge­dacht aber wir haben noch nicht die nöti­genStruk­tu­ren. Natür­lich kann man aber auf dem Gale­rie­fest auch Kunst kau­fen wenn man möchte.

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Wir haben noch nicht die not­wen­di­ge Struk­tur, um Kauf­ver­trä­ge zu ver­han­deln. Die ehren­amt­li­che Arbeit, die wir in der Orga­ni­sa­ti­on des Gale­rie­festes inves­tie­ren, ist aber prak­tisch unbe­zahl­bar. Wir machen es aber ger­ne und wir haben Spaß dar­an, weil wir uns mit Kunst und Künstler*Innen aus­ein­an­der­set­zen möch­ten, wich­ti­ge The­men ange­hen möch­ten, das Netz­werk schät­zen, den Künstler*Innen eine Platt­form und eine Chan­ce geben möchten.

Loui­se Kna­f­la: Es geht uns eigent­lich mehr um emo­tio­na­le als um mate­ri­el­le Werte.

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W.K.K.: Und den­noch und des­to­trotz, dank des Enga­ge­ment vie­ler und dank eurer Arbeit, boomt die Kunst­sze­ne in Kas­sel und wir erle­ben ein star­kes Kunst-Netz­werk in der Stadt.

Loui­se Kna­f­la:  Unse­re Arbeit macht uns nicht nur Spaß son­dern wir sind auch stolz, die­se Chan­ce zu haben, als Stu­den­ten, die Kunst­sze­ne unter­stüt­zen zu dürfen.

Fran­zis­ka Wey­gan­dt: Es gibt hier in der Süd­stadt viel Initia­ti­ve, vie­le Kunst­räu­me und neue Projekte.

Loui­se Kna­f­la:  Das zeich­net auch Kas­sel aus und wäh­rend in Frank­furt die Mie­ten sehr hoch sind, sind sie hier in Kas­sel güns­ti­ger und es ist auch hier noch mög­lich über­haupt Räu­me zu finden.

In die­sem Sin­ne hat Kas­sel noch viel Poten­ti­al und Eini­ges zu bieten.

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W.K.K.: Wir bedan­ken uns bei Ihnen sehr herz­lich für das Gespräch.

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Vie­le jun­ge Künst­ler zieht es nach Kas­sel, für eini­ge Mona­te, für ein paar Jah­re oder für immer. Sie nut­zen die tech­ni­sche und per­so­nel­le Infra­struk­tur sowie die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le der Stadt, um eige­ne Pro­jek­te zu realisieren. 

Eine neue Künst­ler­ge­nera­ti­on ver­hilft unse­rer docu­men­ta-Stadt zu neu­em Glanz. Die Kunst­stadt Kas­sel boomt und ist auch außer­halb der docu­men­ta Dreh­punkt und Angel­punkt der Kunst und Kul­tur­sze­ne, die das Bild einer krea­ti­ven Stadt prägt. Die Bedeu­tung des kul­tu­rel­len Bei­tra­ges der Künst­ler und der Kunst­or­te wird oft unter­schätzt aber ins­be­son­de­re junge Kunst ist ein Spie­gel der Gesell­schaft: Wenn es Ver­än­de­run­gen gibt, sind die Künst­ler die Ers­ten, die unver­blümt und ehr­lich ver­su­chen, sie umzu­set­zen. Ohne Krea­ti­vi­tät gibt es kei­nen Fort­schritt und kei­ne Per­spek­ti­ven für die Zukunft.

Die Welt der Kas­se­ler Kunst ist ein Kalei­do­skop aus Far­ben und Viel­falt und es ist schwer zu glau­ben, dass es eine kon­sis­ten­te Struk­tur und Ord­nung gibt, die all dem zugrun­de liegt. Aber tat­säch­lich hat sich die Kas­se­ler Kunst­sze­ne zu einem rie­si­gen Netz aus grö­ße­ren und klei­ne­ren Betrie­ben ent­wi­ckelt und ins­be­son­de­re bei der Unter­su­chung von Kunst-Loca­ti­ons, bedarf es einer genaue­ren Betrach­tung. In die­sen Räu­men gedeiht ein Öko­sys­tem, das viel­leicht nicht sofort ersicht­lich ist. Den­noch hat es eine enor­me Bedeu­tung für ange­hen­de Künst­ler und Neu­lin­ge in der Kunst­welt, wes­halb es ent­schei­dend ist, die­ses Sys­tem zu ver­ste­hen. Letzt­end­lich ist es Ziel der hier leben­denKünst­ler, Ihre künst­le­ri­sche Arbeit mit der Welt zu tei­len. In die­ser Hin­sicht bie­tet das Gale­rie­fest eini­ge prak­ti­ka­ble Optio­nen, um die­ses Ziel zu errei­chen, denn es bie­tet jun­gen Künst­lern und Kul­tur­schaf­fen­den eine Platt­form, um ihr Schaf­fen zu prä­sen­tie­ren und so zu aktu­el­len Dis­kur­sen bei­zu­tra­gen und neue Impul­se zu setzen.

[SR]

EVERCHANGING – Gale­rie­fest Kas­sel 2023
11.25. Mai 2023

Pro­gramm: https://www.galeriefest-kassel.de/programm

Veranstalter/Initia­tor: Süd­ga­le­rie e.V.

Orga­ni­sa­ti­ons­team: Fran­zis­ka Wey­gan­dt, Loui­se Kna­f­la und Smil­la Siebenschock

https://www.galerien-kassel.de
https://www.galeriefest-kassel.de

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