Zeitgenössische Kunst schärft das Bewusstsein: von Recht und Unrecht, von Missklang und Harmonie, von der Ethik der Form … Wir brauchen die Kunst, weil sie, als Puls der Zeit, Funktionen erfüllen kann, die Ausdruck unseres menschlichen Denkens, Lebens und Handelns sind. Sie erscheint als ein Medium, Handlungsziele, Wünsche, Bedürfnisse und Neigungen auszudrücken. Sie öffnet uns Türen und Fenster und die Welt strömt herein. Die zeitgenössische Kunst und die weitere Entwicklung der documenta werden die Gesellschaft, die Politik und unser Menschenbild in Zukunft maßgeblich beeinflussen und herausfordern. Künstlerinnen und Künstler bilden somit auch ein Stück Zukunft ab. Das documenta forum möchte den brisanten Fragen der Gegenwart und Zukunft nachgehen 122 und ein Bewusstsein und die Grundlage für weitere Reflexionen über Kunst, Kultur und Gesellschaft schaffen. Das erscheint angesichts der massiven klimatischen, technologischen und sozialen Umbrüche, die uns bevorstehen, dringend notwendig. Kunst ist unverzichtbar in der Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen des Menschseins, auch und gerade in Zeiten, in denen Gewissheiten brüchig werden und gesellschaftliche Fundamente sich als fragil erweisen. Dabei eröffnet Kunst Räume des Austauschs und der Verständigung, an denen gesellschaftliche Konflikte verhandelt werden können; sie bietet Möglichkeiten, jenseits von Sprache und Argumenten Verbindungen zu stiften. So erweist sie sich als Brückenbauer.
Die kriegszerstörte Stadt Kassel und die überstandene Zeit des Nationalsozialismus bildeten die Kulisse, vor der die erste documenta reifte. Unsere moderne Demokratie ist aber kein Besitz, sondern eine Errungenschaft, die jeden Tag verteidigt werden muss. Und die Freiheit der Kunst verschafft der Demokratie den überlebensnotwendigen Sauerstoff. Die Überzeugung unseres Forums ist, dass Künstlerinnen und Künstler der documenta mit Fragen und Zweifeln, mit Fantasie und Experimentierfreude, mit Widerspruch und Provokationen den öffentlichen Diskurs beleben und damit die Demokratie vor politischer Lethargie wie auch vor totalitären Anwandlungen schützen. Das documenta forum hat sich nicht nur verpflichtet, Bodes Ausstellungsidee zu wahren und zu deren Weiterentwicklung beizutragen, indem es die Sicherstellung der Rahmenbedingungen der documenta als der wichtigsten internationalen und unabhängigen Kunstausstellung im Blick hat, sondern unterstützt kulturpolitische Stellungnahmen und den Dialog um Kunst und Kultur und setzt somit auf eine Kultur der Vernetzung und der Zusammenarbeit.
Kunst- und Kulturbildung bedeutet auch Demokratieförderung. Sie ermöglicht und fördert eine Einübung in gesellschaftlicher Toleranz: Wir brauchen vielfältige Diskurse um Kunst und Kultur für die Ausgestaltung eines künftigen lebenswerten Miteinanders. Das ist unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie, unserer Gesellschaft und nicht zuletzt unseres Vereins …