Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele!“

„BlickWINKEL“

Ausstellung in der Alten Brüderkirche


[ Son­ja Rossettini ]

Unter dem Titel „Blick­WIN­KEL“ prä­sen­tie­ren die drei deut­schen Künst­le­rin­nen Annet­te Werndl, Gabrie­le Mid­del­mann und Petra van Husen erst­mals gemein­sam im ein­zig­ar­ti­gen Ambi­en­te der Alten Brü­der­kir­che vom 05. bis 14. Mai 2023 ihre jüngs­ten Arbeiten. 

Bar­ba­ra Len­hard (die Kura­to­rin), Gabrie­le Mid­del­mann, Petra van Husen und Annet­te Werndl, © Foto: Kai Frommann

Blick­WIN­KEL“ bezeich­net die Per­spek­ti­ve, unter der Kunst wahr­ge­nom­men wer­den kann bezie­hungs­wei­se die ver­schiedenen Betrach­tungs­wei­sen, sowie die dif­fe­renzier­ten Tech­ni­ken und Bild­spra­chen, die die drei Künst­le­rin­nen verwenden.

Der Titel der Kunst­aus­stel­lung bezieht sich aber nicht nur auf die unter­schied­li­chen künst­le­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen der drei Frau­en, son­dern auch auf die Per­spek­ti­ven, die der Aus­stel­lungs­raum der Alten Brü­der­kir­che den Kunst­werken bietet.

Die jahr­hun­der­te­al­te Brü­der­kir­che, die heu­te für wech­seln­de Aus­stel­lun­gen und kul­tu­rel­le und gesell­schaft­li­che Ver­an­stal­tun­gen genutzt wird, bie­tet näm­lich einen fas­zi­nie­ren­den Kon­trast zu den moder­nen, und größ­ten­teils far­ben­fro­hen Wer­ken der drei Künstlerinnen.

Kura­tiert wur­de die Aus­stel­lung von Bar­ba­ra Len­hard und Flo­ri­an Gast. Bar­ba­ra Len­hard und Flo­ri­an Gast arbei­ten seit über zehn Jah­ren mit Kunst und Künst­lern. Ihr Fokus liegt auf zeit­ge­nös­si­scher Kunst und der Zusam­men­füh­rung von Men­schen und Kunst. Die Kunst­agen­tur Bar­ba­ra Len­hard + Flo­ri­an Gast ver­tritt inter­na­tio­na­le Künst­ler mit Schwer­punkt süd­afri­ka­ni­sche Kunst.

Kunst wäscht den Staub des All­tags von der See­le!“: Die­ser Satz von Pablo Picas­so ist so tref­fend für die Kunst, die das Pro­jekt KUNSThoch3 zeigt: stark, bewe­gend und posi­tiv. 

KUNSThoch3 bringt Pop-Up-Aus­stel­lun­gen in ver­schie­de­ne Städ­te und stellt dabei über­wie­gend Wer­ke von Künst­lern aus Süd­afri­ka und Deutsch­land aus.

Welt.Kunst.Kassel. stellt die drei Künst­le­rin­nen vor.

Petra van Husen

© Foto:Kai Frommann

„Die Foto­gra­fie, ein Medi­um, von dem vie­le glau­ben, dass es die Welt wahr­heits­ge­treu abbil­det, ist nicht in der Lage, die kom­pli­zier­te und viel­schich­ti­ge Natur der Rea­li­tät zu erfas­sen.“ meint Petra van Husen, die sich mit Aus­stel­lun­gen in Deutschland, Öster­reich und Süd­afri­ka bereits einen Namen als innovati­ve Konzept­fo­to­gra­fin gemacht hat. Die Foto­gra­fin aus Elt­ville möch­te mit ihren Arbei­ten neue Erfah­run­gen ermög­li­chen und sonst Unsicht­ba­res sicht­bar machen. Sie erkun­det und erwei­tert ger­ne die Gren­zen der tra­di­tio­nel­len Foto­gra­fie, indem sie das Poten­zi­al der Kame­ra nutzt und oft mit Lang­zeit­be­lich­tungen und Fil­tern arbei­tet, um über­ra­schen­de Effek­te zu erzeu­gen, ohne jeg­li­che Soft­ware Mani­pu­la­ti­on. Wenn eine Serie mani­pu­liert wer­den muss, arbei­tet sie in der Dun­kel­kam­mer und ver­wen­det expe­ri­men­tel­le Ver­fah­ren wie Mord­an­ca­ge oder alter­na­ti­ve Druck­tech­ni­ken oder was not­wen­dig ist, um den gewünsch­ten Effekt zu erzie­len. Sie beschrieb in einem kur­zen Inter­view mit Welt.Kunst.Kassel die Wer­ke, die sie in der Brü­der­kir­che präsentiert.

Grand Cen­tral, Satur­day 9:42 am
1
Edi­ti­on 3 + 2 AP
Digi­ta­ler Pig­ment­druck kaschiert auf Alu Dibond
200 x 274 cm

Ein ver­reg­ne­ter Sams­tag Vor­mit­tag in New York.

Ein herr­li­ches Bahn­hofs­ge­bäu­de, das anders als Penn Sta­ti­on so gera­de eben dem Abriss ent­gan­gen ist. Ein gan­zer Mikro­kos­mos vol­ler Men­schen, die aus allen Ecken des Lan­des, in ande­re Ecken des Lan­des rei­sen wol­len. Oder viel­leicht auch nur Brot kau­fen. Oder sich von dem Regen schützen.

Es gibt kei­nen bes­se­ren Ort, um in der Stadt anzu­kom­men, denn hier kon­den­siert sich alles, was New York aus­macht, auf kleins­ten Raum. Hek­tisch, dicht gedrängt, ein Über­maß an Waren und Restau­rants und dazu die wun­der­ba­ren Beaux-Arts Ele­men­te, die eigent­lich nur noch die Tou­ris­ten bestaunen.“

Ich woll­te mit dem Bild zeigen, wie Bewe­gung in dem Raum ent­steht, und mit der Kame­ra­lin­se zei­gen, was man mit dem Auge nicht sehen kann. 

Ich habe jede Sekun­de ein Bild gemacht, also 20 Bil­der, und sie dann über­ein­an­der gerech­net“, es han­delt sich also im Grun­de qua­si um eine Mehr­fach­be­lich­tung, die beson­ders effek­tiv gewor­den ist, weil genau in diesem Moment eine Grup­pe mit meh­re­re Per­so­nen von rechts oben bis links unten gelau­fen ist, so dass man die Men­schen zum Teilmehr­fach sieht. Man sieht erstmals deut­lich, dass so viel in der Hal­le pas­siert. Ein schö­nes Bild, weil es immer was Neu­es zu ent­de­cken gibt. Man­che Leu­te ste­hen auf der Stel­le,  man­che haben sich bewegt. Es gibt zwei Versio­nen des Bil­des: ein­mal als Ganzes und ein­mal in Seg­men­ten. Die zwei­te Form der Prä­sen­ta­ti­on ist sozu­sa­gen aus der Not ent­stan­den, weil ich für die Aus­stel­lung ein grö­ße­res Bild woll­te. Ich habe ange­fan­gen, das Bild in Seg­mente zu tei­len und sie grö­ßer zu dru­cken und so wirkt die Dar­stel­lung noch span­nen­der. Ein Freund von mit sag­te „Es wirkt fast als ob es 26 Kame­ras wären“, so ein biss­chen wie ein Über­wa­chungs­welt. Es bekommt im Seg­men­ten eine neue Struk­tur und wirkt fast impres­sio­nis­tisch, fast wie Malerei.

Ein Paar. Dia­lo­ge
14 Foto­gra­fien, Edi­ti­on 20 + 2 AP
Fin­Art Print auf Hah­ne­müh­le Albrecht Dürer
40 x 30 gerahmt

Wie vie­le (visu­el­le) Infor­ma­tio­nen sind not­wen­dig, um mensch­li­che Bezie­hun­gen zu inter­pre­tie­ren? Wenn wir die Inter­ak­ti­on die­ses Paa­res auf eini­ge weni­ge Ges­ten redu­zie­ren, auf die Art und Wei­se, wie sich ihre Kör­per zuein­an­der ver­hal­ten, und ihre gesam­te Mimik weg­las­sen – ver­ste­hen wir dann noch, was vor sich geht?

Obwohl es sich um Foto­gra­fien han­delt, weckt die­se visu­ell sehr redu­zier­te Serie Erin­ne­run­gen an japa­ni­sche Zeich­nun­gen, an Schwarz-Weiß-Gra­fi­ken – und macht sie so zu einer zeit­lo­sen Begeg­nung zwi­schen zwei Men­schen ohne jeg­li­che Bin­dung an einem bestimm­ten Ort.“

In der Serie „Dia­lo­ge“ woll­te ich ger­ne aus­pro­bie­ren, was pas­siert und wie viel erkennt man eigent­lich noch, wenn ich die Kame­ra mas­siv unscharf stel­le und über­be­lich­te, eigent­lich wieweit kann ich mit dem Foto­gra­fie­ren gehen, damit noch etwas erkenn­bar ist. Und ich fand es erstaun­lich, dass, obwohl die Bil­der so pixelig und unscharf sind, man trotz­dem immer noch so viel erkennt. Die Serie „Dia­lo­ge“ ist die Geschich­te eines Paa­res, los­gelöst von Zeit und Raum. Sie nähern sich, tan­zen, berüh­ren, strei­cheln sich und blei­ben am Ende zusam­men. Eine sehr schö­ne, ästhe­ti­sche und illus­tra­ti­ve Geschich­te mit Hap­py End also. Es hat die Anmu­tung japa­ni­scher Zeich­nun­gen, von Aqua­rel­len, und ich habe des­we­gen Aqua­rell­papier beziehungs­wei­se Hah­ne­müh­le Albrecht Dürer Papier gewählt, nur gerahmt, ohne Glas, damit man das Papier auch erkennt.

Was bleibt
Foto­gra­fien, Edi­ti­on 20 + 2 AP
Fin­Art Print auf Hahnemühle

Was bleibt.

In Kol­man­skop, einer Geis­ter­stadt, die von den Erin­ne­run­gen an ver­gan­ge­ne Zei­ten heim­ge­sucht wird, ist der uner­bitt­li­che Lauf der Zeit und des Ver­falls deut­lich zu sehen.

Einst ein geschäf­ti­ges Zen­trum des Dia­man­ten­ab­baus, liegt die Stadt heu­te ver­las­sen und ver­ges­sen da. Die einst­mals gro­ßen Häu­ser wer­den lang­sam vom sich stän­dig bewe­gen­den Sand der Namib-Wüs­te verschlungen.

Es ist eine ein­dring­li­che Erin­ne­rung an die Ver­gäng­lich­keit des mensch­li­chen Ehr­gei­zes und an die Unbe­stän­dig­keit aller Din­ge, denn die Häu­ser, die mit so viel Hoff­nung und Opti­mis­mus gebaut wur­den, sind nur noch ein Schat­ten ihrer selbst und wer­den lang­sam vom Sand der Zeit ver­schluckt.

Letzt­end­lich ist es ein deut­li­ches und ernüch­tern­des Memen­to, dass nichts ewig währt und dass selbst die größ­ten mensch­li­chen Errun­gen­schaf­ten letzt­end­lich von den Kräf­ten der Natur zurück­er­obert wer­den.“

Die drit­te Foto­gra­fien-Serie ist in Nami­bia ent­stan­den und  die Bil­der han­deln von einerehe­ma­li­ge Dia­man­ten-Minen Stadt. Man hat­te dort Dia­man­ten gefun­den und sofort eine Stadt für die Mit­ar­bei­ter gebaut, aber man konn­te spä­ter keine Dia­man­ten mehr abbau­en, so dass die Stadt wie­der ver­las­sen wur­de und sie nun seit 80 Jah­ren in Sand versinkt. Die Bil­der die ich zei­ge, stel­len die­se Situa­ti­on dar. Ich habe die Orte besucht und bei jedem Schritt in dieRäume hin­ein, ein Foto gemacht. Die Idee war, die Räu­me mit der Kame­ra zu erfas­sen, auf­zu­neh­men. Die Far­ben der Räume sind mit der Son­ne ver­blasst und sug­ge­rie­ren eine sehr beson­de­re, geis­ter­haf­te, Atmo­sphä­re.

It is impos­si­ble. Mar­ket street
Edi­ti­on 20 + 2 AP
Fin­Art Print in Gal­lery Bond in Art­box
73 x 129 gerahmt

It is impos­si­ble. Only if you think it is.
What if
The pho­to­grapher does not attempt
To cap­tu­re the out­side world, the life in front of the lens,
but ins­tead
pre­fer to address
and then stage and record on film,
the con­cerns of his mind?“
Dua­ne Michals

Das letz­te Ein­zel­bild „Mis­si­on Impos­si­ble“ ist nun ein biss­chen aus dem Zusam­men­hang geris­sen, weil es zu einem Zyklus gehört, eine lan­ge und gro­ße Arbeit, in der ich mich mit dem The­ma aus­ein­an­der gesetzt habe, wie kann ich Sub­jek­te foto­gra­fie­ren, die es eigent­lich gar nicht gibt. Ich blieb bei mei­nen foto­gra­fi­schen Mit­teln, ohne Pho­to­shop, und bas­tel­te, „bau­te mir Büh­nen“, aus Fotografien.

Gabriele Middelmann

© Foto: Kai Frommann

Die Kura­to­ren Bar­ba­ra Len­hard und Flo­ri­an Gast schrei­ben im Vor­wort des Kata­logs von Gabrie­le Mid­del­mann „Mit Gabrie­le Mid­del­mann dür­fen wir eine deut­sche Künst­le­rinver­tre­ten, die zwar Ober­flä­chen als ihr The­ma gefun­den hat, aber damit ganz und gar nicht an der Ober­flä­che bleibt“.

Ihre Kunst „fin­det ihren Ursprung in ihrer erleb­ten Umge­bung. Mit Abstand betrach­tet und her­aus­ge­löst fin­det sie ihre Form zu ihren Arbei­ten. Durch man­nig­fal­ti­ge Schich­tun­gen, Über­lap­pun­gen und Fal­tun­gen, ganz der Intui­ti­on und den Prin­zi­pi­en der Welt­ord­nung fol­gend, fügen sich Foto­gra­fie und Male­rei unmit­tel­bar zusam­men und schaf­fen neue expe­ri­men­tel­le, drei­di­men­sio­na­le Bewegungsräume.“

Bei Mid­del­mann sind die unzäh­li­gen Schich­ten, die ihren Gemäl­den eine fast schonspi­ri­tu­el­le Tie­fe jen­seits der sicht­ba­ren Ober­flä­chen verleihen.

Die Künst­le­rin aus Oberbayern, die neben ihrer künst­le­ri­schen Kar­rie­re, eine renom­mier­te Fach­buch­au­to­rin sowie gefrag­te Dozen­tin für abs­trak­te Kunst ist, beschreibt Ihre Arbeit so: „ Ober­flä­che und Tie­fe und der damit ver­bun­de­ne Raum, sowie die Zeit und Ihre Spu­ren, sinddas über­ge­ord­ne­te The­ma mit dem ich mich als Künst­le­rin seit Jah­ren inten­siv und in unter­schied­li­chen Aus­druck­for­men aus­ein­an­der­setz­te. Mei­ne Kunst fin­det ihren Ursprung in mei­ner erleb­ten Umge­bung, mit Abstand betrach­tet und her­aus­ge­löst fin­det sie ihre Form zu mei­nen Arbeiten“

Bei meinen Arbei­ten han­delt es sich um eine Mix-Media-Tech­nik. Ich arbei­te auf Lein­wand oder auf Papier und mit selbst ange­rühr­ten Acryl-Far­ben und mit Pig­men­ten. Ich arbei­te dann mit einer selbst ange­machten Spach­tel-Mas­se, ent­we­der Mar­mor-Mehl oder Beton, die ich ein­fär­be, und dann gebe ich immer wie­der und wie­der, oft mit 10–12 Schich­ten, Lasur und schließ­lich noch Epoxid­harz dar­über. Im Gegen­satz zu Far­ben aus der Tube, kön­nen pas­tö­se Acryl-Far­ben und Lasur ganz anders mit den ande­ren Far­benwie Geschwis­ter ein­ge­hen, ent­wi­ckeln Seil­schaf­ten und ergän­zen sich. Ich arbei­te mit ver­schie­denen Tech­ni­ken und ver­schie­denen For­maten, Rund, Qua­drat oder großen Dimensionen.

Ich sehe mei­ne Arbeit als eine Inter­pre­ta­ti­on des Rea­len. Mei­ne Arbeit fängt mit der Foto­gra­fie an: ich habe mei­ne ers­te Kame­ra mit 16 bekom­men und bin nun 62 Jah­re alt. Ich rei­se viel, gehe in lost places, ver­las­se­ne Orte, schaue Wän­de, Mau­ern an, ihre Struk­tu­ren. Es hat mich schon immer fas­zi­niert, in die Details zu gehen, zu sehen was es hin­ter den Schich­ten gibt, die­se Magie dem Zeit­ge­sche­hen nach­zu­ge­hen. Da fin­de ich Inspi­ra­ti­on und Motive, neh­me ein Aus­schnitt davon her­aus ins Ate­lier und dann geht es ins Abs­trak­te. Es wird eine Ver­frem­dung des Ursprüng­lichen, das ich in einem neu­en Cha­rak­ter inter­pre­tie­re und neu zuord­ne. Ich beob­ach­te die Natur, wie sie mit der Zeit umgeht, den Zer­fall der Mate­rie, und über­tra­ge dies in die Male­rei. Ich schaue auch wie die Natur mit denMate­ria­li­en umgeht und ver­su­che die Natur nach­zu­ah­men und fest­zu­hal­ten. Es geht mir um den Pro­zess: Ich habe Male­rei stu­diert und habe eine klas­si­sche Aus­bil­dung aber ich mag esmit den unter­schied­lichs­ten Tech­ni­ken und Mit­teln zu spie­len und möch­te mich damit ausdrücken. Ich habe eine Ober­flä­che gese­hen, die her­aus­ragt und mich beein­druckt hat und setze ver­schie­de­ne Frag­mente zusam­men. Eini­ge Arbei­ten sind aus Papier, ande­ren aus Zement, die wie Ble­che oder Metall­schei­ben aussehen und eine Illu­si­on der Schwe­reerzeu­gen. Die Wer­ke sehen ganz schwer aus, sind aber ganz leicht. Das ver­blüfft. Ich mag auch das hap­ti­sche Gefühl der Materialien. 

Die Arbei­ten ent­ste­hen im Ate­lier, meis­tens am Boden, denn ich habe auch rich­tig gro­ße Arbei­ten, die teil­wei­se doch rich­tig schwer sind. Mitt­ler­wei­le arbei­te ich also auch mit Frag­men­ten, ein­zelnen Kör­pern, die ich dann wie­der zusam­menset­ze.

Mei­ne Vor­bil­der sind Anto­ni Tàpies, wegen sei­ner Arbeit mit Mate­rie und auf­ge­fun­de­nenObjek­ten und sei­ner Mixed-Media-Arbei­ten, und Emil Schu­ma­cher, wegen seines Umgang mit Mate­ri­al und Technik.

Für die­se Aus­stel­lung in der Alten Brü­der­kir­che habe ich auch pas­sen­de Moti­ve aus­ge­sucht, mit zeich­ne­ri­schen Ele­men­ten, die man auch an Mau­ern fin­den kann: das Bild mit der Madon­na oder das Hemd, das an ein Kreuz erin­nert, sind schon etwas ältere Arbei­ten und nicht spe­zi­ell für die­se Ausstel­lung gemacht, aber sie pas­sen nun sehr gut in diese sehr besondere Location.

Annette Werndl

© Foto:Kai Frommann

Annet­te Werndl ver­wen­det kur­ze Sät­ze um Ihre Kunst­wer­ke zu beschreiben, denn sie möchte die Auf­merk­sam­keit auf ihre Ideen len­ken und sie für Welt.Kunst.Kassel ver­an­schau­li­chen. Sie hat sich mit Aus­stel­lun­gen in Tokio, New York, Lis­sa­bon und Vene­dig inter­na­tio­nal eta­bliert und beschreibt ihre Arbeit mit den Wor­ten Kan­din­skys: „Far­be ist eine Kraft, die die See­le direkt beeinflusst“. 

Ihre Bil­der zeich­nen sich durch kräf­ti­ge Far­ben aus, die durch Kon­tras­te ihre Leucht­kraft ent­wi­ckeln. Die Far­be reagiert mit Abhän­gig­keit und doch eigen­stän­dig, kon­zen­triert sich auf jeden Ton, ohne zu kon­kur­rie­ren. Mit Kon­zen­tra­ti­on und musi­ka­li­schem Farb­sinn erschafft Werndl einen ein­heit­li­chen, visu­ell per­so­ni­fi­zie­ren­den Klang in kom­ple­xen Har­mo­nie­for­men, über tona­le Viel­falt hin­weg. Annet­te Werndls dick auf­ge­tra­ge­ne und viel­schich­ti­ge Male­rei­enlassen an der Ober­flä­che eine tie­fe Unter­ma­lung erken­nen, die manch­mal auch durch Spach­teln von Schich­ten frei­ge­legt wird. Man spürt Dyna­mik und Ener­gie, die sich über die Bild­gren­zen hin­aus in den gesam­ten Raum ent­lädt. Das Auge ruht in ihren Arbei­ten auf den frei­ge­leg­ten Farb­spu­ren auf der Ober­flä­che der dar­un­ter lie­gen­den Far­be, die die Farb­struk­tur des Bil­des offen­ba­ren. Dadurch ent­steht ein Span­nungs­feld zwi­schen der durch­ge­färb­ten Flä­che und den linea­ren Spu­ren, eine kom­ple­xe For­men­spra­che, die zu dyna­mi­schen Kom­po­si­tio­nen führt.

Die Künst­le­rin aus Than­sau erklär­te uns im Gespräch, war­um in der Kunst man­ches unge­klärt zu las­sen ist: „Die Wahl der Far­ben kommt ein­fach immer nach Gefühl.

Eigent­lich bin in Nie­der­bay­ern gebo­ren aber ich habe Innen­ar­chi­tek­tur in Rosen­heim stu­diert. Ich habe zuerst nicht Kunst stu­diert aber die Lei­den­schaft für die Kunst hat mich nicht losgelas­sen, so dass ich mich irgend­wann dann doch der Kunst zuge­wen­det habe. Nach dem Stu­di­um bin ich in die USA, Mexi­co und Cana­da gereist. Spä­ter habe Mas­ter Klas­sen bei Pro­fes­sor Jer­ry Zeni­uk  (http://dirkschwarze.net/2007/03/22/durchbruch-des-licht) ein ame­ri­ka­ni­scher Maler, der von 1993 bis 2011 als Pro­fes­sor für Male­rei an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te Mün­chen lehr­te und Pro­fes­sor Her­mann Nit­sch, der mich sehr befreit hat, absolviert. 

Ich habe frü­her sehr gegen­ständlich gemalt, Land­schaf­ten, Por­träts und Akt­ma­le­rei, aber Far­be war schon immer mein The­ma und hat mich schon immer fas­zi­niert. Ich habe das auch in mei­nem Beruf als Innen­ar­chi­tek­tin, den ich drei­ßig Jah­re aus­ge­übt habe, ausgelebt. 

Mei­ne Male­rei ist dann immer abs­trak­ter gewor­den. Der Schnitt kam mit Prof. Zeni­uk, der einen gro­ßen Ein­fluss auf mei­ne Ent­wick­lung gehabt hat: er hat immer nur auf die Farben geach­tet und die­se beur­teilt. Er hat uns in Seri­en malen las­sen und wenn man in Seri­en malt und sich dabei auf die Far­be kon­zen­triert, ver­schwin­den die Kontu­ren und man wird immer abs­trak­ter, dann wenn die Far­ben, nicht mehr die Per­spek­ti­ve, letzt­end­lich den Raum und das Licht abbil­den. Die­se Arbeits­wei­se hat mich gepackt und ich habe sie wei­terent­wi­ckelt.

Under A Rocking Moon
Öl auf Lein­wand
200 x 290 cm

Am Anfang, wie in dem älteren Bild Under A Rocking Moon“, habe ich noch mit Pinsel und Strichen gear­bei­tet aber ich wur­de dann in ein Kunst­zen­trum in New York ein­ge­la­den, wo ich mei­ne Tech­nik wei­terentwi­ckelt habe. Mei­ne neue Tech­nik weicht von der frü­heren ganz wesent­lich ab und ich arbei­te heu­te haupt­säch­lich mit dem Spach­tel. Ich fan­ge immer mit den grö­ße­ren Flächen an, die Far­ben wer­den in Schich­ten auf­ge­tra­gen und über­la­gern sich; dann wird gewar­tet aber die Schich­ten müs­sen nicht zu tro­cken sein, damit ich sie noch bear­bei­ten kann. Jede Far­be trock­net unter­schied­lich also ist jeder Pro­zess anders undspan­nend und Zufall spielt auch immer eine gro­ße Rol­le. Die Far­ben spie­len zusam­men aber es ist ein intui­tiver Pro­zess, den man nicht genau erklä­ren kann. Ich wäh­le die Far­ben nicht nach bestimm­ten Kri­te­ri­en aus, es geht immer nach Gefühl und jedes Bild hat seinen eige­nenunver­kenn­ba­rem Aus­druck. Im Zusam­men­spiel kön­nen Far­ben die ver­schie­denstenGefühls­re­gun­gen her­vor­ru­fen. Unser Farb­emp­fin­den ist von Instink­ten geprägt aber es beruhtauch auf eige­nen Erfah­run­gen und Denk­struk­tu­ren. Far­be wird letzt­end­lich immer unter­schied­lich wahr­ge­nom­men und wirkt daher auch ver­schie­den auf die Betrach­ter. Das Ver­trau­en in mein eigenes Gefühl ist für mich grund­le­gend, denn unser Unter­be­wusst­sein istmit Farben und bestimmten Emp­fin­dun­gen und Asso­zia­tio­nen verknüpft.

Blick­WIN­KEL“
5. Mai 15 – 18 Uhr sowie
6. – 14. Mai täg­lich (außer mon­tags); 11 – 18 Uhr
Alte Brüderkirche, Ren­t­hof 3, 34121 Kassel

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