BibelBilder
Aus der Sammlung “Alter Meister”
Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606 — 1669), 1656, Gemäde, Öl, 173 x 209 cm,
erworben vermutlich 1752 durch Wilhelm VIII.
Als Jakob in Ägypten das Alter von 147 Jahren erreicht hatte und krank geworden war, kam sein Sohn Joseph mit seinen eigenen Söhnen Manasse und Ephraim zu ihm. Jakob, der seine Kräfte sammelte und sich im Bett aufrecht setzte, adoptierte seine Enkel und stellte sie seinen Söhnen gleich. Darauf forderte er Joseph auf, sie zum Segen heranzuführen. »Israels (= Jakobs) Augen waren vor Alter schwer geworden, und er konnte nicht mehr recht sehen … Dann nahm Joseph beide, Ephraim an seine Rechte, und Manasse an seine Linke, zur Rechten Israels, und führte sie zu ihm hin. Israel streckte seine Rechte aus und legte sie Ephraim auf den Kopf, obwohl er der jüngere war, seine Linke aber legte er Manasse auf den Kopf, wobei er seine Hände mit Überlegungen führte …« Joseph, dem dies nicht gefiel, »unterfaßte die Hand seines Vaters, um sie von Ephraims Kopf auf den Kopf Manasses hinüberzuziehen, und sagte zu seinem Vater: >Nicht so, Vater, sondern der ist der Erstgeborene; leg deine Rechte ihm auf den Kopf!< Aber sein Vater wollte nicht. >Ich weiß, mein Sohn, ich weiß<, sagte er, >auch er wird zu einem Volk, auch er wird groß sein; aber sein jüngerer Bruder wird größer sein als er, und seine Nachkommen werden zu einer Fülle von Völkern< … So setzte Israel Ephraim vor Manasse.« (1. Buch Moses, 48, in der Textinterpretation der holländischen Statenbijbel von 1637). Rembrandts Erzählung gibt nicht die Dramatik der Erzählung wieder, sondern betont ihren Wesensgehalt im Sinne der christlichen Deutung, nach welcher Ephraim als Vorläufer des jüngeren, von Gott gegenüber dem Judentum bevorzugten Christentum gesehen wurde. Der blonde, lichtumstrahlte Knabe im Bildzentrum überkreuzt seine Hände auf der Brust (in der Septuaginta-Übersetzung und den ihr folgenden Darstellungen überkreuzt Jakob seine Arme).
Josephs Unterfassungsgeste der segnenden Hand ist auffallend unbestimmt und sowohl als behutsamer Widerstand gegen den väterlichen Willen wie — entgegen dem Bibeltext — als dessen Unterstützung gedeutet worden. Die Hinzufügung von Asnath, der Mutter der Kinder, dient der Vervollständigung der Familie bei dieser bedeutenden Handlung.
Wegen mehrfacher Änderungen der Komposition und Verwendung verschiedenartiger Maltechniken ist ein langwieriger Entstehungsprozeß anzunehmen. Ein Auftraggeber — der nicht voraus gesetzt werden muss — ist ebensowenig überliefert wie ein Vorbesitzer oder der Verkäufer. Die einzige, wenn auch unsichere Spur des Bildes aus der Zeit vor der Kasseler Erwerbung ist eine überlieferte Pastellkopie von C. Troost (J. W. Niemeijer, Cornelis Troost, Assen 1973, Kat. Nr. 919 T). Nach einem Säureattentat im Oktober 1977 erfolgte im Münchner Doerner-Institut eine Restaurierung durch H. von Sonnenburg. Dabei zeigte sich, daß der Erhaltungszustand »auch unter Berücksichtigung der kürzlich erfolgten Säureschäden als ausgesprochen gut bezeichnet werden kann« (von Sonnenburg 1978, S. 228).
(G. J. M. Weber, 2006)
Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606 — 1669), 1646, Gemäde, Öl, 46,8 x 68,4 cm, erworben 1752 von W. Lormier, Den Haag, durch Wilhelm VIII.
Ein bescheidener, spärlich beleuchteter Innenraum ist Schauplatz einer häuslichen Familienszene: Links vorne sitzt vor einer Bettstatt eine Mutter in inniger Umarmung des Kleinkindes auf ihrem Schoß, dessen Wiege daneben am Boden steht. Sie schaut hinab auf die kärgliche Feuerstätte in der Mitte des Raumes, neben der eine Katze kauert und eine irdene Schale steht. Weiter rechts öffnet sich die Aussicht ins Freie, wo man den Familienvater beim Holzhacken erblickt. Diese genrehafte Szene schlichter, familiärer Behaglichkeit wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts als Darstellung der Heiligen Familie erkannt. Die Einkleidung des Heilsgeschehens im Gewand des Alltäglichen ist typisch für die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts und insbesondere für Rembrandt, der diesen Ansatz bereits in früheren Fassungen des Themas erprobte. Der zeitgenössische Charakter regte an, die Bildbotschaft für das eigene Dasein zu vergegenwärtigen.
Bemerkenswert an Rembrandts Gemälde ist jedoch vor allem die Tatsache, dass die eigentliche Bildszene von einem gemalten Rahmen eingefasst wird, vor dem wiederum ein ebenfalls gemalter, das rechte Drittel der Raumdarstellung bedeckender roter Vorhang hängt. Eine getreue Nachzeichnung im Ashmolean Museum in Oxford gibt Aufschluss über den ursprünglich rundbogigen oberen Abschluss des beschnittenen Gemäldes. Die Tafel gibt somit vor, ein gerahmtes Gemälde zu sein, dessen Darstellung mittels des zurückgeschlagenen Vorhangs für den Betrachter enthüllt wurde. Die Figurenszene selbst wird dabei zum Bild im Bild mit bühnenraumartigem Charakter.
Wenngleich die niederländische Malerei um 1640 bis 1650 den gemalten Vorhang bereits in unterschiedlichen Genres kennt, ist Rembrandt derjenige, der dieses Motiv mit dem des gemalten – im eigenen Œuvre singulären – Rahmens verbindet und in der Folge popularisiert. Der sog. Ädikularahmen des Kasseler Bildes mit seinen eher unzeitgemäßen Renaissanceformen taucht ebenfalls auf zwei späteren zeichnerischen Rahmenentwürfen des Künstlers auf.
Der Reiz und die Irritation des Gemäldes liegen in der Durchdringung der eigentlich getrennten Sphären von Bilddarstellung und ‑rahmung, die hier beide durch dieselben Lichtquellen in- und außerhalb des Bildes erhellt werden. Ob der Betrachter Rahmen und Vorhang als gemalte oder reale Objekte erkennen soll, bleibt jedoch uneindeutig. Sicher aber dürfte die ursprüngliche Präsentation ohne externen Rahmen gewesen sein.
Der Vorhang selbst lässt als Scharnier zwischen Bild- und Betrachterebene verschiedene Deutungen zu: Zum einen reflektiert er die in niederländischen Sammlungen auch bildlich belegte Verhüllung von Gemälden, die vor allem der Steigerung des Reizes und der Kostbarkeit der Werke diente – womöglich war Rembrandts Bild für einen solchen Kontext vorgesehen. Zum anderen ist mit dem Motiv ein populärer Künstlertopos angesprochen, demzufolge der antike Maler Parrhasius seinen Konkurrenten Zeuxis mit einem gemalten Vorhang täuschte und als bester Maler besiegte. Der Vorhang illustriert die künstlerischen und illusionistischen Qualitäten von Rembrandts Kunst, dessen Signatur er zudem enthüllt, im Sinne eines Trompe‑l´Œils. Gleichwohl wird dessen Verblüffungspotenzial im malerischen Duktus des Bildes, das hierin „vor allem zur Schau stellt, dass es ganz und gar Malerei ist“, bewusst nicht ausgereizt. Schließlich fungiert der Vorhang als visueller und farblicher Störfaktor, der die Aufmerksamkeit für die dahinter liegende Szene schärft und deren intimen Charakter, durch das Bewusstsein ihrer Enthüllung, für den Betrachter verstärkt.
(J. Carrasco, 2015)
Jacob Cornelisz. van Oostsanen (um 1472 — 1533) Christus als Gärtner, 1507 Gemälde, Öl, 60,5 x 45,2 x 4,5 cm (Rahmenmaß)
54,5 x 38,8 cm (Bildmaß) erworben um 1753 durch Wilhelm VIII.
Zum Thema s. W. Drost, GK 261. Im Hintergrund weitere Szenen aus der Auferstehungsgeschichte: links Maria Magdalena am leeren Grab, im Zentrum die Begegnung von Jesus mit den drei Marien (Matthäus 28, 9–10), in der Ferne vor dem Stadttor Jesus und die Emmauspilger, in einem nischenartig geöffneten Stadtgebäude das Emmausmahl (Lukas 24, 13–15). * Neben einer »Kreuzigung« (Kunsth. Otto Naumann, New York, Kat. Inaugural Exhibition of Old Master Paintings, 1995, S. 16–20 m. Farbabb.) frühestes datiertes Gemäldedes Künstlers, von außerordentlich gutem Erhaltungszustand. Der Stil ist konservativ spätgotisch, die Feinmalerei jedes Details erzeugt eine teppichhaft dekorative Wirkung. Die silhouettenhafte Ausführung der Hauptfiguren mit eckigem Faltenwerk erinnert an Oostsanens gleichzeitige Holzschnittfolge des Marienlebens.
(B. Schnackenburg, 1996)
Lucas d. Ä. Cranach (1472 — 1553), Kleiner Flügelaltar mit der Auferstehung Christi (Mitteltafel), der Hl. Barbara (linker Flügel, Innenseite) und der Hl. Katharina (rechter Flügel, Innenseite), Anfang des 16. Jh., Öl, Mitteltafel 38 x 25,8 cm (Bildmaß) Flügel 39 x 9,9 cm (Bildmaß) 76 x 97,2 x 17,3 cm mit Rahmen (Objektmaß) erworben 1905 als Geschenk von Dr. Ludwig Mond
Die Mitteltafel zeigt den auferstandenen Christus als jugendlich-makellose Figur in frontaler Stellung. Links sieht man das versiegelte Felsengrab, vor dem ein schlafender Soldat kauert. Rechts lagern ebenso zwei schlafende Soldaten sowie im Vordergrund ein weiterer, der mit erschrocken geöffneten Augen Christus anstarrt und wie zur Abwehr seinen Schwertknauf umfasst. Hinter den Soldaten öffnet sich rechts der Blick auf eine weite Landschaft, mit den drei Marien als miniaturhafte Figürchen im Mittelgrund. Auf den Seitentafeln sind die Hl. Barbara (links) und die Hl. Katharina (rechts) als Ganzfiguren dargestellt. Sie gehören zu den 14 Nothelfern und wurden von den Gläubigen bei Krankheit und in der Stunde des Todes angerufen. Thematisch verweist also Mitteltafel wie Seitenflügel auf die Todeserwartung und die damit verbundene Hoffnung auf Auferstehung. Die Anordnung der beiden weiblichen Heiligen Barbara (rechts) und Katharina (links) ist ungewöhnlich, da sie sonst bei Cranach eher andersherum erfolgt (vgl. GK 12 und 13). Darin mag sich ein dezidierter Auftraggeberwunsch verbergen.
Wer den Altar bei Lucas Cranach bestellt hat, ist bislang nicht geklärt. Sicher sind dagegen Adressaten sowie die zeitliche Anordnung im Œuvre Cranachs. Auf den Rückseiten der beiden Flügel sind die Wappen Landgraf Wilhelms II. von Hessen (links) und seiner Frau Anna von Mecklenburg (rechts) aufgemalt, so dass eine Entstehung mit einiger Sicherheit für den Zeitraum 1508-10 angenommen werden kann. Seit jeher hat man den Klappaltar mit der Krankheit und dem frühen Tod von Landgraf Wilhelm in Verbindung gebracht. Dieser erkrankte 1506 an der Syphilis, an deren Folgen er am 11. Juli 1509 verstarb. Stilistische Gründe, insbesondere die Inspiration durch niederländische Kunstwerke, weisen zudem auf eine Entstehung nach Cranachs Reise in die Niederlande 1508. Das Kasseler Klappaltärchen ist damit der erste belegbare Auftrag des Wittenberger Hofmalers für einen anderen Hof und Ausdruck der tiefen Verbundenheit beider erbverbrüderter Häuser zu Beginn des 16. Jahrhunderts.
Die Figur Christi belegt in ihrer Gestaltung die Auseinandersetzung mit Werken von Jacopo de‘ Barbari, der von 1503 bis 1505 Cranachs Vorgänger im Amt als Hofmaler in Wittenberg war, insbesondere der um 1503/04 entstandene Kupferstich mit dem auferstandenen Christus ist hier zu nennen. Im Unterschied zu de‘ Barbari wirkt die Figur etwas gedrungener und die Triumphfahne wird näher an den Körper geführt. Wie die Infrarotreflektographie belegt, orientierte sich Cranach in Aussehen und Position des Stabes zunächst mehr an de Barbari. Später entschied er sich, den gläsernen Stab mit Ringwulsten zu versehen und dichter an Christus heranzuführen. Eine Zwischenstufe mag in der Zeichnung in Erlangen überliefert sein, die im Kontext des Wittenberger Heiltumsbuches für Friedrich den Weisen entstand.
Albrecht Altdorfer (um 1482–85 — 1538), Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, um 1512 , 101,5 x 116 cm (Bildmaß)
von Kaiser Wilhelm II. aus der Sammlung W. Schmidt, München, 1905 erworben.
Vermutlich um 1512 als Epitaph für die Regensburger Familie Aumair entstanden, deren Wappen um Fuß des Kreuzesstamm zu sehen ist. Hinter der monumentalen, streng symmetrischen Kreuzigungsgruppe, deren Figuren die Beschäftigung mit der italienischen Renaissance, mit der Graphik von Andrea Mantegna zeigen, breitet sich eine weite Voralpenlandschaft aus. Ihre durchdachte Komposition mit Vordergrund, Mittelzone, Fernblick und Seitenabschlüssen ist zukunftweisend. Wenige Jahre später schuf Altdorfer die ersten autonomen Landschaftsgemälde der abendländlischen Kunst.
(B. Schnackenburg, 1996)
Bartolomé Esteban Murillo (1617 — 1682), Joseph und die Frau des Potiphar, 1640–1645, Gemälde, Öl,
196,5 x 245,3 cm, erworben vor 1775 durch Friedrich II
Murillos großformatiges Frühwerk zeigt in lebensgroßen Figuren den dramatischen Höhepunkt der Szene aus der Josephsgeschichte (Gen 39, 1–23). Die halb entblößte Frau des ägyptischen Kämmerers Potiphar springt von ihrem mit kostbaren Stoffen und einem vornehmen Baldachin geschmückten Bett auf, um den nach links in weiten Schritten fliehenden Joseph aufzuhalten. Mit ihrer nach vorne gereckten Hand kann sie allerdings gerade noch sein leuchtend gelbes Gewand erhaschen. Die mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten arbeitende Komposition erinnert an Theaterinszenierungen. Tatsächlich diente die Geschichte bisweilen als Grundlage für religiöse Schauspiele (Ullrich 2009, S. 182–185). Seit dem hl. Ambrosius wurde die Szene als Allegorie auf den Tod Christi verstanden; die Frau des Potiphar kann zwar Josephs Mantel erhaschen, nicht aber seine Tugendhaftigkeit. Analog bedeutet die Entkleidung Christi lediglich einen äußeren Triumph der Schergen über den Heiland. Joseph wird somit zum alttestamentarischen Vorläufer Christi.
In Spanien taucht die Szene vergleichsweise selten auf. Am Königshof in Madrid findet man sie lediglich als Teil von Tintorettos Ausstattungszyklus, den sogenannten »bóvedas de Tiziano«, die Velázquez auf seiner zweiten Italienreise in Venedig für die königlichen Sammlungen erworben hatte, sowie innerhalb eines größeren Ausstattungsprogramms in der Galerie der Königin im Schloss El Pardo, gemalt 1607–1612 von dem in Arezzo geborenen Patricio Caxes. Spanische Kunsttheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts empfanden diese Szene jedoch als unpassend für Palastdekorationen. So schrieb Antonio Palomino: »Es scheint mir nicht die beste Wahl zu sein für eine Galerie der Frauen, wo es doch so viele berühmte Frauen in der Heiligen Schrift gibt, die als Tugendbeispiel dienen können« (Palomino 1988, Bd. 3, S. 129).
Entsprechend selten findet sich das Sujet in der spanischen Malerei dargestellt. Sevilla scheint allerdings zu Murillos Zeiten hierin eine Ausnahme gewesen zu sein. Flämische Kaufleute, die teilweise große Sammlungen in der Stadt zusammentrugen, fanden offensichtlich besonderes Interesse an der erotischen Szene. Nicolas Omazur, einer der bedeutendsten Mäzene Murillos in der Stadt, besaß eine Kopie nach Murillo, Juan Bautista Clarebout sogar, nach Ausweis seines Inventars, ein Originalwerk des Meisters (Kinkead 1986). Vielleicht handelt es sich um das 2004 bei Sotheby’s versteigerte Gemälde aus den 1660er Jahren (Öl auf Leinwand, 63,5 x 84,5 cm; Sotheby’s London, 9.12.2004, Nr. 336). Eine fragmentarische Replik dieses Werkes, die den fliehenden Joseph und nur noch den ausgestreckten Arm der Frau zeigt, wird im Instituto Gómez-Moreno in Granada aufbewahrt (Öl auf Leinwand, 36 x 29,5 cm; Best.-Kat. Granada 1992, S. 129). Eine zeichnerische Kopie (mit wenigen Varianten) von Cornelis Schut befand sich bis zum Spanischen Bürgerkrieg im Instituto Jovellanos in Gijón (Lavierte Federzeichnung, 17 x 24 cm; Pérez Sánchez 2003², S. 471, Abb. 436).
Zu diesen Werken aus dem unmittelbaren Umkreis Murillos kommt noch der um 1655 entstandene sechsteilige Zyklus der Josephsgeschichte von dem in Córdoba tätigen Antonio del Castillo, in dem auch die besagte Szene dargestellt wird (Madrid, Museo del Prado, vgl. Taggard 1990) sowie ein Gemälde Alonso Canos in Privatbesitz, das um 1650–52 datiert wird und sich durch die erotisch aufgeladene weibliche Aktfigur von den genannten Beispielen unterscheidet (Ullrich 2009, S. 376). Das Kasseler Gemälde steht innerhalb dieser Reihe wahrscheinlich am Anfang und lässt sich um 1640–45 datieren. (J. Lange, 2016)
Jacob Jordaens (1593 — 1678) Moses schlägt Wasser aus dem Felsen Mittelzone: 1650er Jahre; Rest nach 1660 Gemälde,
Öl. 221,5 x 266 cm, erworben vor 1749 durch Wilhelm VIII.
Beim Zug durch die Wüste rettete Moses die durstgequälten Israeliten, indem er auf Weisung Gottes mit seinem Stab gegen einen Felsen schlug, dem daraufhin Wasser entströmte (2. Buch Mosis, 17, 1–7). Ein Bezug zum Neuen Testament wird hergestellt durch den auf einem Regenbogen thronenden Christus: »Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird in Ewigkeit nicht mehr dürsten.« (Joh. 4,14) * Die Mittelzone vermutlich aus den 1650er Jahren. Wohl erst nach 1660 wurden oben und unten breite Streifen angestückt. Die skizzenhafte Malweise der unteren Figuren erinnert an den späten Teppichentwurf »Harun al Raschid vor Karl dem Großen« in Brüsseler Privatbesitz (Ausst. Kat. Antwerpen 1993, Nr. A 93).
(B. Schnackenburg, 1996)
Giuseppe Cesari (1568 — 1640), Die Gefangennahme Christi, 1590er Jahre, Gemälde, Öl, 88,5 x 62 cm
erworben 1750 mit dem Kabinett des Valerius Röver, Delft, durch Wilhelm VIII.
Bei der Darstellung der Gefangennahme Christi hatten Künstler seit jeher die Anforderung, eine Nachtszene darzustellen. Die Grundlage bildeten die Erzählungen der Evangelisten. Cesari, einer der führenden und einflussreichsten Maler Roms vor der Ankunft Caravaggios zeigt die Szene in das fahle Licht des Mondes getaucht, wodurch die Farben einen kühlen, fast metallischen Klang erhalten. Charakteristisch für die Kunst des späten 16. Jahrhunderts ist einerseits das Bemühen um eine realistisch anmutende einheitliche Lichtsituation, andererseits die Integration verschiedener Lichtquellen im Bild. So erkennt man neben dem Mond und einigen Sternen als weitere Lichtquelle links einen Soldaten mit brennender Fackel, einen Jungen mit Kerze rechts sowie, leicht aus dem Bildzentrum gerückt, Christus, dessen Haupt von einer strahlenden Gloriole umgeben ist. All diese Lichtquellen beleuchten das Werk auf ihre Weise.
Wolfgang Schöne unterschied zwischen vier unterschiedlichen „Leuchtlicht-Arten“: „natürliches“ (Sonne, Mond, Tageslicht), „künstliches“ (Kerze, Fackel oder Feuer), „sakrales“ (Glorie, Heiligenschein) und „indifferentes“ Leuchtlicht (eine Lichtquelle, die sich den drei vorherigen nicht eindeutig zuordnen lässt).
Cesaris „Gefangennahme Christi“ ist hierfür ein anschauliches Beispiel, vereint das Gemälde doch all diese Leuchtlicht-Arten. Zunächst möchte man meinen, dass alle Figuren ihr Licht von dem am Himmel rechts strahlenden Mond erhalten, doch tritt gerade bei der Figurengruppe von Petrus und Malchus im Vordergrund eine weitere Lichtquelle hinzu, die eher von oben links zu kommen scheint, wie die Schlagschatten am Boden anzeigen. Soll damit die Brennende Fackel links gemeint sein, die einer der Soldaten trägt? Oder sendet Christus dem zukünftigen Apostelfürsten etwas von seinem Licht?
Die Komposition besteht aus gegenläufigen Bewegungsrichtungen, die in sich in der Figur Christi kreuzen. Vom Mond über die Soldaten rechts und der Kopfwendung Christi wird der Blick auf den davoneilenden nackten Jüngling links geleitet, von dem es im Markusevangelium heißt: „Ein junger Mann aber, der nur mit einem leinenen Tuch bekleidet war, wollte ihm nachgehen. Da packten sie ihn, er ließ aber das Tuch fallen und lief nackt davon.“ (Markus, 14, 51–52). Von den Soldaten links wiederum führt über den ausgestreckten Arm Christi eine Bewegungslinie zu Petrus, der gerade Malchus, dem Diener des Hohenpriesters, ein Ohr abschlägt, worauf Jesus ihm befielt: „Steck das Schwert in die Scheide!“ (Joh., 18, 10). Christus wird so zum Dreh- und Angelpunkt der Szene.
Die unterschiedlichen Lichtquellen unterstützten das sich diagonal kreuzende Geflecht der Bewegungen und verdeutlichen Cesaris ausgeklügelte Komposition, die das Kasseler Gemälde zu einem seiner Hauptwerke macht. Eine eigenhändige, kleinere Fassung in Rom (Galleria Borghese) sowie zahlreiche Kopien belegen den Erfolg des Werkes. Röttgen vermutete in dem Kasseler Bild die Mitarbeit von Bernardino Cesari, der häufig bei seinem Bruder mitarbeitete. (J. Lange, 2011)
Antonio Molinari (1655 — 1704),. Christus und die Ehebrecherin, Gemälde ÖL, 1690er Jahre .
125,5 x 170,5 cm, erworben 1752 durch Wilhelm VIII. von Graf Francesco Algarotti
Zum Thema s. L. Cranach d.J., Werkstatt, GK 1023. * Hauptwerk des Künstlers, das sich durch reichen Kolorismus auszeichnet. Nach Lehmann (1986) bereits in den 1690er Jahren entstanden.
(B. Schnackenburg, 1996)
Michele Rocca (1670/75 — nach 1751), Bathseba im Bade, 1729, Gemälde, Öl,
74 x 96,5 cm, erworben 1748 auf der Verst. der Sammlung Theodor Wilkens in Amsterdam durch Wilhelm VIII.
Zum Thema s. B. F. Douven, GK 324. * Abwandlung einer Komposition Carlo Marattas aus dem Ende des 17 Jhs. ins elegante und hellfarbige Rokoko. Das gleichformatige Gegenstück »Samson und Delila« (Inv. 1749 ff. Nr. 184) befindet sich bei der Staatlichen Verwaltung der Schlösser und Gärten Hessen, Schloß Wilhelmshöhe, Weißensteinflügel. (B. Schnackenburg, 1996)
Jacob Jordaens (1593 — 1678), Die Anbetung der Könige, 1643 — 1644, Gemälde, Öl. 156,5 x 115,5 cm
erworben von Kunsth. F. Teltscher, London
Als Jesus in Bethlehem geboren war, kamen Weise aus dem Morgenland (nach der Legende die drie Könige Caspar, Melchior und Balthasar). Als der Stern, der sie geführt hatte, über der Geburtsstätte stehenblieb, traten sie ein und brachtem dem Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke dar.
(Matthäus 2, 1–12, Legenda aurea, S. 111–120) *
Entwurf zu dem 1644 entstandenen, im 1. Weltkrieg zerstörten Hochaltarbild der St. Nikolauskirche in Diksmuide (R.-A- d´Hulst, De Tekeningen von Jacob Jordaens, Brüssel 1956, Abb. 136. Kompositionszeichnungen s. d´Hulst 1974, s. GK 108, I Kat. Nr. 186, 187, III Kat. Nr. A 290, V Kat. Nr. C 34). Vorbild für die Komposition ist Rubens´ Altarbild von 1624 für St. Michael in Antwerpen, heute im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten.
(B. Schnackenburg, 1996)
Peter Paul Rubens (1577 — 1640), Maria mit Jesus und Johannes, von reuigen Sündern und Heiligen verehrt, um 1619,
Gemälde, Leinwand auf Eichenholz, 258 x 204 cm, erworben durch Wilhelm VIII. 1734 auf der Verst. Willem Six, Amsterdam, oder vor 1749 von einem Zwischenbesitzer
Das Altarbild hat in betont gegenreformatorischem Sinn die Rolle der Buße zum Inhalt. Maria mit Jesus und dem sündenlosen Büßer Johannes dem Täufer wird von reuigen Sündern, dem verlorenen Sohn, Maria Magdalena, König David und dem Kirchenvater Augustinus um Fürsprache angerufen. Hinter ihnen wenden sich der Hl. Georg und die Ordensgründer Franziskus und Dominikus der Madonna in Verehrung zu.
Aus stilistischen Gründen und wegen der Verwendung von Porträtzeichnungen von Rubens´ 1614 und 1618 geborenen Söhnen ist eine Entstehung um 1619 anzunehmen. Stifter könnte, wie auch Müller Hofstede annimmt, der mit Rubens befreundete Dominikaner Michiel Ophovius gewesen sein; der Hl. Dominikus hat seine Gesichtszüge, wie sie aus Einzelporträts von Rubens bekannt sind (vgl. Vlieghe 1987, s. GK 92, Nr. 126; Ausst. Kat. Boston/Toledo 1993/94, Nr. 23).
Ophovius, Prior des St. Pauls-Klosters in Antwerpen und Ordensprovinizial für Niederdeutschland, war ein leidenschaftlicher Vorkämpfer der Gegenreformation und wurde 1615 Präfekt der Dominikanermission in den calvinistisch beherrschten Nordprovinzen. Trotz der offensichtlichen Bestimmung für eine Bettelordenskirche ist das Altarblatt 1640 im Nachlaßinventar des Künstlers aufgeführt; bereits damals war die Leinwand auf Holz aufgeklebt. Diese Maßnahme wurde nötig, weil das auf einer stark zusammengestückten Leinwand gemalte Bild wohl nicht lange nach der Vollendung schwere Beschädigungen erlitt. Neben einer durchgehenden senkrechten Knickfalte finden sich mehrere unregelmäßige, lange Schnittspuren mit sehr alten Auskittungen und Retuschen. Unterhalb der Hände des Hl. Augustinus, wo auf zwei zeitgenössischen Kopien (Ermitage St. Petersburg, Inv. Nr. 519; Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inv. Nr. Gm 357) ein Engel zu sehen ist, wurde ein rechteckiges Stück Leinwand ohne Figur neu eingesetzt. Wahrscheinlich kam das Bild nach Beschädigungen durch einen Unfall oder Kriegseinwirkungen von seinem Bestimmungsort zur Restaurierung in die Rubens-Werkstatt, ohne anschließend zurückgeschickt werden zu können. Der dendrochronologische Befund der aus neun Brettern bestehenden Holztafel unterstützt die Vermutung, daß die bemalte Leinwand frühzeitig aufgezogen wurde (Gutachten Dr. P. Klein, Hamburg, vom 7.7.95: Verwendung der Holztafel bereits ab 1597 denkbar).
Während das Gemälde im Nachlaßinventar als eigenes Werk verzeichnet ist, ist aus dem 18. Jh. eine Zuschreibung an Anton van Dyck überliefert, der zur fraglichen Zeit der bedeutendste Mitarbeiter von Rubens war. Seit dem 19. Jh. ist die Zuweisung des Bildentwurfs an Rubens unbestritten, doch schreiben Bode und Oldenbourg die gesamte Ausführung van Dyck zu. Seine Beteiligung wird heute zurückhaltender beurteilt, aber nur von McNairn gänzlich ausgeschlossen. Wendet man sich dem Detail zu, so sind mehrere Hände unterscheidbar, wenn auch nicht überall abgrenzbar. Im wesentlichen von Rubens selbst dürften die mit heller Palette gemalten Figuren der Frauen und Kinder stammen, einschließlich des Oberteils von Marias Kleid, von van Dyck dagegen die Männerfiguren mit rot-braunem Inkarnat, aber auch Haare und Schleier der Magdalena. Für sein Frühwerk typisch ist die ausdrucksvolle Verschattung der Gesichter und die unregelmäßige, stellenweise rauhe und strähnige Pinselschrift mit starken pastosen Erhebungen. Die meisten Gewandpartien machen den Eindruck anonymer Gehilfenarbeit. (B. Schnackenburg, 1996)
Peter Paul Rubens (1577 — 1640), Die Flucht nach Ägypten, 1614, Gemälde, Öl, 40,5 x 53 cm
erworben vermutlich 1735 auf der Verst. Johan van Schuylenburgh, Den Haag, durch Wilhelm VIII.
„… ich würde wünschen, dass jene Kupfertafel mit der Flucht unserer Jungfrau nach Ägypten, von der Sie schreiben, in die Hände irgendeines Landsmannes gelangen möge, der es in dieses Land brächte, …“ schrieb Rubens Anfang des Jahres 1611, nachdem er von dem frühen Tode seines verehrten Malerkollegen Adam Elsheimer erfahren hatte. Das erwähnte Gemälde kannte der Künstler vermutlich nicht aus eigener Anschauung, sondern nur über die Beschreibung des Dr. Johann Faber, des Empfängers dieser Zeilen. Ob Rubens die Radierung Goudts kannte, bleibt ebenfalls ungewiss. Sicher ist nur, dass sich der flämische Meister auf zentrale Motive des Vorbilds bezieht und damit eine Art Hommage an dessen bewunderte Darstellung schafft. Dies wird auch durch das gewählte Bildformat deutlich, das in Höhe und Breite nur jeweils etwa 10 cm größer ist als jenes der Kupfertafel Elsheimers.
Beide Gemälde zeigen die Heilige Familie auf ihrer nächtlichen Flucht vor den Häschern des Herodes. Während bei Elsheimer die Landschaft breiten Raum in der Darstellung einnimmt, komprimiert Rubens die Szene deutlich, indem er sich auf die monumental im Vordergrund wiedergegebene Figurengruppe der fliehenden Familie konzentriert, die hier von zwei Engeln angeführt wird. Die Landschaft, die bei Elsheimer gegenüber den Figuren noch als gleichberechtigtes Bildelement auftritt, ist hier auf ein nicht näher spezifiziertes Dunkel reduziert, von dem sich das Geschehen am vorderen Bildrand stimmungsvoll abhebt. Angelegt als tiefschwarze Folie öffnet sich der Hintergrund nur am rechten Bildrand zu einem Ausblick auf einen See, in dem sich Abendhimmel und Mond spiegeln. Dieses Motiv ist bereits bei Elsheimer vorhanden und wird durch Rubens nur leicht abgewandelt, der statt des ursprünglichen Vollmonds nur noch eine schmale Sichel zeigt. Die hierdurch erzielte Steigerung der nächtlichen Dunkelheit erhöht auch die Dramatik der Szene, die durch die Figuren vermittelt wird: Dem hastigen Antreiben der beiden Engel folgt der rückwärtsgewandte Blick von Josef, der am gegenüberliegenden Ufer einen schattenhaften Reiter erblickt.
Rubens beschränkt sich in seiner Darstellung auf zwei Lichtquellen, die durch die Spiegelungen des Wassers verstärkt werden. Ein sakrales Leuchtlicht, das scheinbar vom Jesusknaben ausgeht und die Figuren illuminiert, verbindet sich mit dem natürlichen Licht des Mondes im ausschnitthaften Landschaftshintergrund. Dabei wirkt das bildliche Lichtgefüge auf den ersten Blick in hohem Maße naturalistisch und die Ausbreitung und gleichzeitige proportionale Reduzierung des Lichts im Raum lässt sich in Kreisform nachvollziehen.
Das göttliche Leuchten würde einer Bedeutung Christi als lumen mundi, als Licht der Welt, entsprechen und sich damit ganz der katholischen bzw. gegenreformatorischen Bildsprache bedienen, die das göttliche Wunder in das Zentrum des Bildes treten lässt. Wie Schöne bemerkte, trägt das Licht jedoch nicht konsequent einen sakralen Charakter, da das Kind einen Schatten auf die Brust der Mutter wirft und somit nicht selbst als Lichtquelle in Frage kommt. Diese wäre vielmehr in einer Fackel zu suchen, die unsichtbar bleibt und erst in der zwei Jahrzehnte später entstandenen Druckgraphik des Künstlers in Erscheinung tritt.
(T. Trümper, 2011)