­ ­ BeeCoin, Cheesecoin, Dayra und Jalar: lumbung Currency

Gemeinschaftswährungen der documenta fifteen

Pressemitteilung

Har­ve­st von Abdul Dube, 2021

Das Expe­ri­men­tie­ren mit Wirt­schafts­mo­del­len steht mit im Zen­trum der docu­men­ta fif­teen. Dazu wur­den zahl­rei­che Working Groups ins Leben geru­fen, die kon­kre­te Prak­ti­ken zum Auf­bau kol­lek­ti­ver Kunst­öko­no­mien ent­wi­ckeln – basie­rend auf den lum­bung-Wer­ten wie loka­le Ver­an­ke­rung, Humor, Groß­zü­gig­keit, Unab­hän­gig­keit, Trans­pa­renz, Genüg­sam­keit und Regeneration.

Ihr Ziel ist es, eine Lebens­wei­se neu zu defi­nie­ren, die vom Wohl­erge­hen der Gemein­schaft und ihrer lang­fris­ti­gen Nach­hal­tig­keit aus­geht. Im Sin­ne des nach­hal­ti­gen lum­bung-Pro­zes­ses zie­len die Bestre­bun­gen auf den Auf­bau eines nach­hal­ti­gen lum­bung – eines Spei­chers kol­lek­ti­ver Res­sour­cen – um das Über­le­ben von Künstler*innen-Kollektiven auf der gan­zen Welt zu sichern.

Um zu dis­ku­tie­ren, wie solch eine lang­fris­tig ange­leg­te lum­bung-Wirt­schaft aus­se­hen könn­te, tref­fen sich die 14 lum­bung mem­ber und das Künst­le­ri­sche Team seit Okto­ber 2020 regel­mä­ßig in der Working Group lum­bung Eco­no­my. Hier­aus gin­gen wei­te­re Working Groups her­vor: lum­bung Kios, lum­bung Gal­lery, lum­bung Land und lum­bung Currency.

Die­se Working Groups bie­ten kon­kre­te Mecha­nis­men zur Bereit­stel­lung von Res­sour­cen für den lang­fris­ti­gen Auf­bau einer kol­lek­ti­ven Reis­scheu­ne. Im Sin­ne des „Trans­vest­ment” wer­den Mit­tel hori­zon­tal umver­teilt, um von der klas­si­schen Aus­stel­lungs­öko­no­mie zu einer gemein­wohl­ori­en­tier­ten lum­bung-Wirt­schaft zu gelangen.

lumbung Currency Working Group

Die Working Group lum­bung Cur­ren­cy zielt auf die Stär­kung und Ver­bin­dung der Gemein­schafts­wäh­run­gen, wel­che vier der lum­bung mem­ber ent­wi­ckelt haben: Bee­Co­in von lum­bung mem­ber ZK/U – Zen­trum für Kunst und Urba­nis­tik, Cheese­co­in von INLAND, Day­ra von The Ques­ti­on of Fun­ding und Jalar von Gudskul.

Die­se Wäh­run­gen ermög­li­chen die Ent­wick­lung eige­ner Tausch­sys­te­me. Dabei ent­schei­det die Gemein­schaft über den Wert der Waren. Der Tausch der­sel­bi­gen basiert auf kon­kre­ten Bedürf­nis­sen statt auf abs­trak­ten Wer­ten. In den Jah­ren vor der docu­men­ta fif­teen wur­den dazu meh­re­re Work­shops mit Akteur*innen orga­ni­siert, die bereits erfolg­reich Gemein­schafts­wäh­run­gen ent­wi­ckelt haben, etwa Grass­roots Eco­no­mics in Kenia sowie mit Paul Seid­ler und Steph Holl-Trieu, die die Digi­ta­le Auto­no­me Orga­ni­sa­ti­on (DAO) für den Bee­Co­in der lum­bung mem­ber (ZK/U – Zen­trum für Kunst und Urba­nis­tik) mit­ent­wi­ckelt haben.

Aus die­sen Arbeits­tref­fen gin­gen die nun exis­tie­ren­den Wäh­run­gen der lum­bung mem­ber her­vor, deren Ent­wick­lungs­pro­zes­se teil­wei­se in der Aus­stel­lung nach­voll­zo­gen wer­den kön­nen. Nach dem Ende der Aus­stel­lungs­lauf­zeit der docu­men­ta fif­teen sol­len die zu die­sem Zeit­punkt hof­fent­lich bereits stär­ker flo­rie­ren­den Wäh­run­gen mit­ein­an­der zusam­men­ge­führt wer­den. So wird ein Tausch­sys­tem zwi­schen loka­len Com­mu­ni­ties außer­halb der Büro­kra­tie bestehen­der Ban­ken­sys­te­me ermöglicht.

Die Gemeinschaftswährungen der lumbung member

BeeCoin (ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik)

Bee­DAO ist eine Orga­ni­sa­ti­on mensch­li­cher und nicht­mensch­li­cher Akteur*innen, die spe­zi­es­über­grei­fen­de Demo­kra­tie, das Tei­len von Wohl­stand und die Pro­duk­ti­on von Wis­sen ermög­licht – mit dem Ziel, das Wohl­erge­hen von Bie­nen auf der gan­zen Welt zu sichern und zu ver­bes­sern. Auf Grund­la­ge von Web3-Tech­no­lo­gien und Sen­so­ren, die über­le­bens­re­le­van­te Daten von mehr als 15 Bie­nen­stö­cken in Kas­sel auf­zeich­nen, trifft die Orga­ni­sa­ti­on bei regel­mä­ßi­gen Tref­fen gemein­sa­me Entscheidungen.

Als dezen­tra­li­sier­te auto­no­me Orga­ni­sa­ti­on (DAO) zeigt Bee­DAO pro­to­ty­pisch das Poten­ti­al einer auf gemein­sa­me Zie­le aus­ge­rich­te­ten Zusam­men­ar­beit mensch­li­cher und nicht-mensch­li­cher Akteur*innen. Bie­nen und Men­schen kön­nen Bee­DAO bei­tre­ten, indem sie Daten zur Ver­fü­gung stel­len oder eine Mit­glied­schaft in Form eines NFT erwer­ben. Sie kön­nen dann Dele­gier­te nomi­nie­ren, die ihre Inter­es­sen ver­tre­ten, Vor­schlä­ge zur Ver­bes­se­rung von Bie­nen­le­ben ein­brin­gen und bei der Wei­ter­ent­wick­lung der Orga­ni­sa­ti­on, ihrer Char­ta, ihrer Ritua­le und dem spe­zi­es­über­grei­fen­den Tei­len von Wohl­stand mit­wir­ken. Gemein­sa­me öffent­li­che Tref­fen fin­den wäh­rend der docu­men­ta fif­teen regel­mä­ßig im ruru­Haus statt. Hier gelan­gen Sie über das Menü zum Kalender.

Cheesecoin (INLAND)

Die Cheese­co­in wur­de ursprüng­lich als fik­ti­ve Wäh­rung zur Finan­zie­rung einer Kam­pa­gne gegen eine Fern­seh­pro­duk­ti­ons­fir­ma ins Leben geru­fen. Die­se kopier­te den Namen eines Pro­jekts des lum­bung mem­ber INLAND für eine Rea­li­ty-TV-Sen­dung und drang 2017 in die Räu­me des Kol­lek­tivs ein. Die Wäh­rung wur­de dar­auf­hin gemein­sam mit der Künst­le­rin Hito Stey­erl entwickelt.

Basie­rend auf der jähr­li­chen Men­ge selbst pro­du­zier­ten Käses gibt INLAND eine bestimm­te Anzahl von Cheese­co­ins her­aus. Dar­aus ent­steht zunächst eine expe­ri­men­tel­le Öko­no­mie, die sich im Über­gang von einer rein spe­ku­la­ti­ven zu einer rea­len Wirt­schaft befin­det. Die Cheese­co­in ist damit Teil einer non­linea­ren Wirt­schaft, die par­al­lel zur kapi­ta­lis­ti­schen Markt­wirt­schaft lau­fen­den Nach­bar­schafts­öko­no­mien nach­emp­fun­den ist. Sie ist eng mit einer kon­ven­tio­nel­len Markt­wirt­schaft für kol­lek­tiv pro­du­zier­te Waren wie Käse ver­bun­den, nimmt aber auch Anlei­hen an der Orga­ni­sa­ti­ons­wei­se tra­di­tio­nel­ler Schenkökonomien.

Dayra (The Question of Funding)

Das von lum­bung mem­ber The Ques­ti­on of Fun­ding ent­wi­ckel­te Wirt­schafts­mo­dell Day­ra nutzt Block­chain-Tech­no­lo­gie für die Zir­ku­la­ti­on gemein­sa­men wirt­schaft­li­chen Werts. Das Modell geht von der Prä­mis­se aus, dass Ein­zel­per­so­nen, aber auch loka­le Betrie­be und Orga­ni­sa­tio­nen, die kei­ne finan­zi­el­len Mit­tel haben, trotz­dem über Res­sour­cen (mate­ri­ell, phy­sisch oder geis­tig) sowie über Wis­sen verfügen.

Die Wäh­rung ermög­licht somit die Schaf­fung von Wert für das Gemein­wohl durch den Tausch und die Nut­zung die­ser non-mone­tä­ren Res­sour­cen. Dar­aus erklärt sich auch der Name Day­ra, der auf Ara­bisch so viel wie „Kreis” oder „Kreis­lauf” bedeu­tet. Auf die­se Wei­se umgeht Day­ra nicht nur oft restrik­ti­ve tra­di­tio­nel­le För­der­mo­del­le, son­dern garan­tiert eine wider­stands­fä­hi­ge zusätz­li­che Öko­no­mie, auf die von Kri­sen betrof­fe­ne Gemein­schaf­ten zurück­grei­fen kön­nen. Die­ses Video erklärt die Funk­ti­ons­wei­se der Wäh­rung Day­ra anhand eines Beispiels.

Jalar (Gudskul)

Die Mit­glie­der der Platt­form Temujalar.art ver­die­nen und sam­meln digi­ta­le Punk­te, die Jalar genannt wer­den, für ihre kol­lek­ti­ve Jalar-Geld­bör­se. Sie gene­rie­ren Jalar, indem sie mit Res­sour­cen oder Akti­vi­tä­ten zur Platt­form bei­tra­gen. Die Mit­glie­der kön­nen die­se digi­ta­len Wäh­rungs­punk­te aus­ge­ben, um an Work­shops und vir­tu­el­len Ver­an­stal­tun­gen teil­zu­neh­men oder um einen kol­lek­ti­ven Raum zu schaf­fen. Ähn­lich wie beim lum­bung Pot (finan­zi­el­les Modell im Rah­men der Pra­xis von lum­bung wäh­rend der docu­men­ta fif­teen) han­delt es sich auch beim Jalar Coll­ec­ti­ve Wal­let um einen von Kol­lek­ti­ven ver­wal­te­ten gemein­sa­men Topf.

Als die Covid-19-Pan­de­mie Anfang 2020 begann, grün­de­te Guds­kul Temujalar.art als Online-Platt­form für Kol­lek­ti­ve und ihre Eko­sis­te­me. Sie basiert auf der Annah­me, dass Online-Platt­for­men den Aus­tausch von Wis­sen über Zeit­zo­nen und geo­gra­fi­schen Gren­zen hin­aus ermög­li­chen. Auf Indo­ne­sisch bedeu­tet Temu „tref­fen” und Jalar „aus­brei­ten”. Temujalar.art rich­tet sich an Künstler*innen, Kol­lek­ti­ve, Kurator*innen, Autor*innen, Musiker*innen, For­schen­de, Leh­ren­de und Krea­ti­ve. Ihnen will die Platt­form beim Ler­nen, dem Sam­meln von Erfah­run­gen und dem Aus­tausch von Wis­sen helfen.

Indem die Working Group lum­bung Cur­ren­cy mit die­sen nach­hal­ti­gen Wirt­schafts­mo­del­len expe­ri­men­tiert, ist sie Teil einer Pra­xis, die über die 100 Tage der docu­men­ta fif­teen hin­aus wei­ter bestehen und wirk­sam sein soll.

Pres­se­kon­takt
Johan­na Köh­ler
Lei­tung Kom­mu­ni­ka­ti­on und Mar­ke­ting
docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH

Hen­ri­et­te Söl­ter
Lei­tung Pres­se
docu­men­ta fifteen

T + 49 561 70727–4030
presse@documenta.de

docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH
Fried­richs­platz 18
34117 Kas­sel
www.documenta-fifteen.de ­
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Trä­ger der docu­men­ta fif­teen ist die docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH mit den Gesell­schaf­tern Stadt Kas­sel und Land Hessen.

Geför­dert durch die Kul­tur­stif­tung des Bun­des. Geför­dert von der Beauf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medien.

Das lum­bung-Netz­werk wird geför­dert vom Goethe-Institut.

Haupt­part­ner der docu­men­ta fif­teen: Spar­kas­sen-Finanz­grup­pe, Volks­wa­gen AG 
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