Neueröffnung des
documenta fifteen- Raums bei der Dauerausstellung
„about: documenta“ in der
Neuen Galerie.

Gemein­sam mit dem docu­men­ta fif­teen Künst­ler Dan Per­jov­schi eröff­ne­ten ges­tern Dr. Bir­git­ta Coers (Direk­to­rin docu­men­ta archiv), Dr. Doro­thee Ger­kens (Lei­tung Neue Gale­rie Hes­sen Kas­sel Heri­ta­ge) und Dr. Harald Kim­pel (Kunst­his­to­ri­ker und docu­men­ta-Exper­te), zusam­men mit Andreas Hoff­mann (Neu­er Geschäfts­füh­rer der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH) und Johan­na Köh­ler (Lei­tung Kom­mu­ni­ka­ti­on und Mar­ke­ting der docu­men­ta) und Juli­us Leh­mann (Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter docu­men­ta archiv), bereits 8 Mona­te nach Ende der docu­men­ta, den neu­en Raum der docu­men­ta fif­teen in der Neu­en Galerie.

v.l.n.r.: Julu­is Leh­mann, Kom­mu­ni­ka­ti­on und For­schung, docu­men­ta Archiv; Lena Pral­le, Hes­sen Kas­sel Heri­ta­ge; Dr. Harald Kim­pel, docu­men­ta Exper­te; Bir­git­ta Coers, Lei­te­rin des docu­men­ta Archivs; Dan Per­jov­schi, docu­men­ta fif­teen Künst­ler; Dr. Doro­thee Ger­kens, Lei­te­rin der Neu­en Gale­rie Hes­sen Kas­sel Heri­ta­ge; und Andre­as Hoff­mann, Geschäfts­füh­rer der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH, Foto: Kai Frommann

Im Novem­ber 2019 hat­ten Hes­sen Kas­sel Heri­ta­ge (damals noch mhk) und das docu­men­ta archiv gemein­sam die Dau­er­aus­stel­lung „about: docu­men­ta“ zur Geschich­te der docu­men­ta-Aus­stel­lun­gen gestal­tet. Die Aus­stel­lung zeigt in einem chro­no­lo­gi­schen Rund­gang 70 Jah­re docu­men­ta-Geschich­te, stärkt die Prä­senz der docu­men­ta in der Stadt, sorgt dafür, dass die Geschich­te der Aus­stel­lung auch zwi­schen den Aus­stel­lungs­jah­ren prä­sent und erfahr­bar bleibt und möch­te sozu­sa­gen als »Gedächt­nis« der Welt­kunst­aus­stel­lung fungieren. 

Jeder docu­men­ta-Aus­stel­lung ist ein Raum gewid­met und die Kabi­net­träu­me bie­ten anhand von aus­ge­wähl­ten Kunst­wer­ken, Foto­gra­fien, Archiv­ma­te­ri­al und Insze­nie­rungen ein „Gefühl“ und Erin­ne­rung der jewei­li­gen docu­men­ta und ihrer Beson­der­hei­ten in ihrer Zeit an. 

Foto: Kai Frommann

ruan­grupa hat­te den Raum für die docu­men­ta fif­teen noch vor der docu­men­ta zunächst pro­vi­so­risch im Retro-Stil der 60er Jah­re als Ort des Aus­tau­sches gestal­tet. In den ver­gan­ge­nen Wochen ist der Raum nun neu, im Stil aller ande­ren docu­men­ta Info-Kabi­net­te, in denen sich immer glei­che For­ma­te und Ele­men­te wie­der­ho­len, in der Aus­stel­lung gestal­tet worden.

Mit dem neu­en docu­men­ta fif­teen-Raum bie­tet die Aus­stel­lung „about:docu­men­ta“ den Besu­chern nun auch eine Über­sicht der letz­ten docu­men­ta fifteen.

„Aber wie visua­li­siert man eigent­lich eine docu­men­ta, die im Wesent­li­chen als Pro­zess aus­ge­rich­tet war; die von Akti­vie­rung und Par­ti­zi­pa­ti­on leb­te; mit einem beson­de­ren „Spi­rit“, die aus ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen, For­ma­ten und Work­shops ent­stand; die sich, weni­ger als man im west­li­chen Kunstbetrieb gewöhnt ist, nicht durch Kunst­wer­ke arti­ku­lier­te? Was hat sich in das kol­lek­ti­ve docu­men­ta-Gedächt­nis ein­ge­schrie­ben?“ erklär­te Dr. Bir­git­ta Coers (Direk­to­rin docu­men­ta archiv) die schwie­ri­ge Aufgabe:

Fotos: Son­ja Rossettini

Außer­dem sind in der Neu­en Gale­rie in der Daueraus­stel­lung Moder­ne Kunst drei neu erwor­be­ne Wer­ke der docu­men­ta fif­teen zu sehen:

Künst­ler­kol­lek­tiv Wajukuu Art Pro­jekt aus Nai­ro­bi | Fotos: Kai Frommann

Künst­ler: Richard Bell | Foto: Son­ja Rossettini

Frau Coers bekräf­tig­te noch, dass die Dar­stel­lung der docu­men­ta fif­teen im neu­en „about: docu­men­ta“ Raum, nicht das Anti­se­mi­tis­mus-Debat­te aus­blen­den möch­te. Auch in die­sem Kon­text war nicht ein­fach die Fra­ge zu beant­wor­ten, wie man eine sol­che Debat­te visua­li­sie­ren kann. Auf der Info­ta­fel der docu­men­ta fif­teen wird das Ban­ner „People’s Jus­ti­ce“ von Taring Padi als Anlass der Dis­kus­si­on gezeigt. Das Kura­to­ri­um hat sich aber letzt­end­lich dazu ent­schlos­sen, die­se Debat­te im „Pres­se Linie der Zeit“ (ein wei­te­res Ele­ment jedes Kabi­netts, die die Gegen­wart jeder Aus­stel­lung dar­stellt) zu erzäh­len, wo einer Aus­wahl von Pres­se­ar­ti­keln, von ers­ten Vor­wür­fen bis zum Ende der docu­men­ta, die Debat­te dar­stel­len wer­den. Das ist sicher ein gutes Instru­ment, um das The­ma aus dem Abstand her­aus nach­voll­zie­hen zu können.

Der Künst­ler Dan Per­jov­schi bedank­te sich schließ­lich und gestand, dass es ihm eine gro­ße Ehre sei, zuerst zur docu­men­ta selbst und dann nun für die Neu­ge­stal­tung des docu­men­ta fif­teen-Raumes ein­ge­la­den wor­den zu sein. Die Idee, die docu­men­ta fif­teen in einer Art Kap­sel“ dar­zu­stel­len, fand er wirk­lich außer­ge­wöhn­lich, denn die docu­men­ta fif­teen kön­ne nicht für sich genom­men, son­dern nur als Teil eines Gesamt­pro­zes­ses ver­stan­den wer­den. Er konnte auch nicht ver­ste­hen, als man erzähl­te, Kas­sel sei nicht stark genug gewe­sen, um ein inter­na­tio­na­les Fes­ti­val anzu­bie­ten, weil die­ses bereits die fünf­zehn­te Auf­la­ge war.

Dan Per­jov­schi | Foto: Kai Frommann

Per­jov­schi bemerk­te:

Kassel ist wie ein Film und jeder docu­men­ta-Raum hier ist ein Foto­gramm. Jetzt bin ich Teil die­ser Geschich­te und füh­le mich sehr geehrt. Als Kind habe ich davon geträumt, zu wach­sen, aber ich konnte mir nicht vor­stel­len, dass ich eines Tages eine Wand bekom­men wür­de und zeich­nen könn­te, was ich will. In mei­nem Land muss­te ich frü­her um jeden Zen­ti­me­ter kämp­fen. Ich habe es wirk­lich genos­sen, bei der docu­men­ta dabei zu sein, auch wenn es nicht mein Dis­kus war.

Foto: Kai Frommann

Ich bin ein Indi­vi­du­um, ein wei­ßer Mann, mit einem euro­päi­schen Pass, in allen bekann­ten „boxes“ und ich konn­te nicht im Namen ande­rer Per­sonen spre­chen. Bei der docu­men­ta Dis­kus­si­on ging es um eine Rea­li­tät, die ich nicht so gut ken­ne. Als ruan­grupa sag­te: „make fri­ends, not art“, konn­te ich die­se Idee ver­ste­hen, weil ich mei­ne Freun­de auf der docu­men­ta ver­stan­den habe, die Kol­lek­ti­ve, mit denen ich zusam­men­ge­ar­bei­tet habe. Aber für mich war es ein Lern­pro­zess, sehr inter­es­sant, aber auch sehr kom­plex. Man kann sich nicht nur auf eine Sache kon­zen­trie­ren und für so vie­le Künst­ler spre­chen. Der Ele­fant im Raum war grö­ßer als der Raum selbst. Ich muss­te mich damit aus­ein­an­der­set­zen und habe fest­ge­stellt, dass die docu­men­ta gut gerüs­tet ist, um über solch wich­ti­ge The­men zu spre­chen, der Rest der Gesell­schaft jedoch nicht. Oder sie denkt, es sei so, aber es ist nicht so.

Foto: Son­ja Rossettini

Ich bin wirk­lich froh, Teil die­ses Pro­zes­ses gewe­sen zu sein. Dahin­ter steck­ten auch vie­le Leu­te, aber nie­mand in unse­rer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft hat einen Tech­ni­ker auf der Docu­men­ta gefragt, was er von all dem denkt, was ein als Anti­se­mit gebrand­mark­ter Mensch dar­über denkt, was die Fami­lie dar­über denkt? Wie kannst du dar­über urtei­len? Wie kann man so etwas erzäh­len?

Es ist wirk­lich kom­plex, aber auch des­halb brau­chen wir Humor. Für mich gibt es kei­nen ande­ren Weg.

Fotos: Son­ja Rosettini

In Zukunft wer­den wir in einer Gesell­schaft leben, die von künst­li­cher Intel­li­genz gesteu­ert wird, also wird es frü­her oder spä­ter kei­nen Künst­ler mehr geben, son­dern alles wird auto­ma­tisch sein. Mei­ne ein­zi­ge Hoff­nung ist, dass ich Feh­ler mache, künst­li­che Intel­li­genz jedoch nicht. Feh­ler sind wirk­lich mensch­lich. Manch­mal den­ken wir auch nicht an Ergeb­nis­se, das ist auch mensch­lich. Tak­ti­sche Feh­ler, stra­te­gi­sche Feh­ler, intel­lek­tu­el­le Feh­ler. Aber die Ver­ant­wor­tung ist da und ich den­ke, wir muss­ten in Ver­ant­wor­tungs­be­grif­fen denken. Und wir alle tra­gen Verant­wor­tung.

Es kommt nicht dar­auf an, was ich zeich­ne; Es geht dar­um, was ich ihrer Mei­nung nach zeichne.

Auf der docu­men­ta war ich in einer Grup­pe mit Jungs aus Nai­ro­bi, Syri­en, Viet­nam und Thai­land und habe inter­es­san­te Dis­kus­sio­nen geführt. Und es war die ers­te Aus­stel­lung in mei­nem Leben, bei der ich stän­dig gefragt wur­de, ob ich Mate­ri­al bräuch­te, weil sie alle Mate­ria­li­en, die sie hat­ten, recy­celn muss­ten und man kein Geld aus­ge­ben muss­te. Und zum ers­ten Mal in mei­nem Leben muss­te ich das Bud­get tei­len und es waren vie­le Leu­te da. Eine beson­de­re Erfah­rung. Wei­te­re wich­ti­ge Erfah­run­gen waren die Lum­bung-Pres­se und die Lum­bung-Gale­rie, die das Ziel hatten, Künst­lern zu hel­fen, die nicht die Mög­lich­keit hat­ten, in kom­mer­zi­el­le Zwe­cke zu investieren. 

Ich habe schon an vie­len Aus­stel­lun­gen in Deutsch­land teil­ge­nom­men, auch an Grup­pen­aus­stel­lun­gen, aber ich muss sagen, die Docu­men­ta ist ein­zig­ar­tig. Viel­leicht waren sogar alle bis­he­ri­gen docu­men­ta-Aus­stel­lun­gen ein­zig­ar­tig. Die docu­men­ta ist ein­fach eine außer­ge­wöhn­li­che Platt­form und jetzt bin ich Teil ihrer Geschich­te.

Neue Gale­rie
Schö­ne Aus­sicht 1 | 34117 Kas­sel
Fon: 0561 31680400 | E‑Mail: info@museum-kassel.de
www.museum-kassel.de/de/museen-schloesser-parks/neue-galerie
Di – So & an Fei­er­ta­gen 10 – 17 Uhr
Do 10 – 20 Uhr

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