Antisemitismus-Vorwürfe
documenta fifteen

Klärungen im Deutschlandfunk

Fern-Interview des Deutschlandfunk mit Bayu Widodo vom indonesischen Künstler- und Aktivistenkollektiv Taring Padi, welches ihr Bild vor zwanzig Jahren für Prosteste gegen Kolonialismus, Kapitalismus und Diktatur gemalt hat.

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You­Tube: Deutsch­land­funk — Kul­tur heu­te | Jörg Bies­ler | 24.06.2022 | 04:30

Was wir damit repräsentieren wollten ist der Staat Israel, nicht die jüdische Nation oder das jüdische Volk” — Bayu Widodo vom Künstlerkollektiv Taring Padi über die antisemistische Arbeit „People’s Justice“ auf der documenta fifteen.

Bayu Widodo vom Künstlerkollektiv Taring Padi bedauert im Dlf die antisemistische Arbeit „People’s Justice“ auf der documenta gezeigt zu haben: “Unser Verständnis ist, dass der Staat Israel nicht dasselbe ist, wie die jüdische Religion. Als dieses Werk vor 20 Jahren entstanden ist, haben wir die Sensibilität und Komplexität nicht verstanden.“

Reaktionen

16.09.2022

Gemeinsame Erklärung des Aufsichtsrates und der Gesellschafter der documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Der Aufsichtsrat und die Gesellschafter der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, das Land Hessen und die Stadt Kassel, danken der Fachwissenschaftlichen Begleitung, die die Gesellschafter der documenta zur Aufarbeitung antisemitischer Vorkommnisse auf der documenta fifteen eingesetzt haben, für ihre erste Analyse und die bis hierhin geleistete Arbeit. Die Gesellschafter schließen sich dem Votum der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, wonach die Tokyo Reels des Kollektivs Subversive Films nicht mehr gezeigt werden sollen, mindestens bis eine angemessene Kontextualisierung vorgenommen wurde. Die aktuelle Kommentierung der Filme ist dazu nicht geeignet, da sie die teils antisemitischen und terroristische Gewalt verherrlichenden Propagandafilme gerade nicht historisch einordnet.

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Die Frei­heit der Kunst ist ein hohes Gut und die exklu­si­ve künst­le­ri­sche Ver­ant­wor­tung der docu­men­ta fif­teen liegt bei ruan­grupa. Die Kura­to­rin­nen und Kura­to­ren wei­gern sich jedoch, die damit ver­bun­de­ne Ver­ant­wor­tung wahr­zu­neh­men oder in eine selbst­kri­ti­sche Refle­xi­on der Ereig­nis­se zu gehen. Sie wer­fen im Gegen­teil dem wis­sen­schaft­lich breit auf­ge­stell­ten und renom­mier­ten Fach­wis­sen­schaft­li­chen Gre­mi­um mit sei­ner inter­dis­zi­pli­nä­ren Exper­ti­se Ras­sis­mus und Unwis­sen­schaft­lich­keit vor. Die­se Vor­wür­fe wei­sen wir auf das Schärfs­te zurück.


Wir bedau­ern und kri­ti­sie­ren, dass die Künst­le­ri­sche Lei­tung ent­ge­gen der Bera­tung durch die Fach­wis­sen­schaft­li­che Beglei­tung und dring­li­che Emp­feh­lung durch die Gesell­schaf­ter auf die Fort­set­zung der Vor­füh­rung der Tokyo Reels des Kol­lek­tivs Sub­ver­si­ve Films besteht, ohne dass eine kri­ti­sche Ein­ord­nung der anti­se­mi­ti­schen und gewalt­ver­herr­li­chen­den Inhal­te erfolgt. Der Auf­sichts­rat und die Gesell­schaf­ter betrach­ten es als not­wen­dig, dass den Besu­che­rin­nen und Besu­chern der docu­men­ta eine sol­che Ein­ord­nung zur Ver­fü­gung gestellt wird. Wir bit­ten des­halb die Künst­le­ri­sche Lei­tung, die ein­hel­li­ge Ein­schät­zung der Fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung in der Aus­stel­lung ergän­zend zur eige­nen Kon­tex­tua­li­sie­rung sicht­bar zu machen. Alter­na­tiv behal­ten sich die Gesell­schaf­ter vor, die­se Infor­ma­tio­nen außer­halb der Aus­stel­lungs­räu­me im Öffent­li­chen Raum am Zugang zu den Vor­füh­rungs­or­ten für die Besu­che­rin­nen und Besu­cher zur Ver­fü­gung zu stellen.

15.9.2022

Statement der Findungskommission

Pressemeldung documenta fifteen 

Die Findungskommission für die Künstlerische Leitung der documenta fifteen drückt ihre Unterstützung für die jüngste Stellungnahme von ruangrupa, der lumbung member und der teilnehmenden Künstler*innen aus. Der von Medien und Politiker*innen auf das gesamte Team der documenta fifteen ausgeübte Druck ist unerträglich geworden. Mit dieser Stellungnahme wollen wir ihre harte Arbeit und außerordentliches Engagement verteidigen.

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Wir leh­nen Anti­se­mi­tis­mus eben­so ab wie des­sen der­zei­ti­ge Instru­men­ta­li­sie­rung, die der Abwehr von Kri­tik am Staat Isra­el und sei­ner der­zei­ti­gen Beset­zungs­po­li­tik paläs­ti­nen­si­scher Gebie­te dient. Gleich­zei­tig begrü­ßen wir den Plu­ra­lis­mus der docu­men­ta fif­teen und die Mög­lich­keit, erst­mals eine sol­che Viel­falt künst­le­ri­scher Stim­men aus der gesam­ten Welt zu hören. Wir ver­tei­di­gen das Recht der Künstler*innen, poli­ti­sche For­meln und fest­ge­fah­re­ne Denk­mus­ter zu unter­su­chen, bloß­zu­le­gen und zu kri­ti­sie­ren. Die­ses Recht soll­te auch von jenen wert­ge­schätzt wer­den, die Aus­stel­lun­gen wie die docu­men­ta fif­teen ermöglichen.

Wie auch schon wäh­rend der gesam­ten Pha­se der Ent­wick­lung und Rea­li­sie­rung der Aus­stel­lung ste­hen wir unge­bro­chen hin­ter unse­rer Ent­schei­dung, ruan­grupa für die Künst­le­ri­sche Lei­tung der docu­men­ta fif­teen aus­ge­wählt zu haben. Wir respek­tie­ren und schät­zen die hun­dert­tau­sen­de an Besucher*innen, die die Aus­stel­lung gese­hen haben. Auch ihre Stim­men soll­ten gehört wer­den. Wir möch­ten den teil­neh­men­den Künstler*innen unse­re Aner­ken­nung dafür aus­spre­chen, dass sie trotz Angrif­fen auf ihre Inte­gri­tät den lum­bung-Prin­zi­pi­en treu geblie­ben sind. Wir for­dern daher den Auf­sichts­rat dazu auf, sicher­zu­stel­len, dass die docu­men­ta fif­teen bis zum geplan­ten Ende der Aus­stel­lung voll­um­fäng­lich geöff­net blei­ben kann. Dies nicht zu tun und sich damit poli­ti­scher Ein­fluss­nah­me zu beu­gen, wäre ein his­to­ri­sches Versäumnis.

Die Fin­dungs­kom­mis­si­on:
Amar Kan­war, Charles Esche, Elvi­ra Dyangani Ose, France Mor­ris, Gabi Ngco­bo, Jochen Volz, Phil­ip­pe Pirot­te, Ute Meta Bauer

13.09.2022

Stellungnahme der Gesellschafter der documenta gGmbH 

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Die Gesellschafter der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, das Land Hessen und die Stadt Kassel, danken der Fachwissenschaftlichen Begleitung, die die Gesellschafter der documenta zur Aufarbeitung antisemitischer Vorkommnisse auf der documenta fifteen eingesetzt haben, für ihre erste Analyse und die bis hierhin geleistete Arbeit.

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Die Gesell­schaf­ter schlie­ßen sich dem Votum der Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler an, wonach die Tokyo Reels des Kol­lek­tivs Sub­ver­si­ve Film nicht mehr gezeigt wer­den sol­len, min­des­tens bis eine ange­mes­se­ne Kon­tex­tua­li­sie­rung vor­ge­nom­men wur­de. Die aktu­el­le Kom­men­tie­rung der Fil­me ist dazu nicht geeig­net, da sie die teils anti­se­mi­ti­schen und ter­ro­ris­ti­sche Gewalt ver­herr­li­chen­den Pro­pa­gan­da­fil­me gera­de nicht his­to­risch einordnet.

10.09.2022

Presseerklärung des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Die Gesellschafter der documenta gGmbH haben uns als Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung eingesetzt, um als antisemitisch identifizierte bzw. diskutierte Werke zu analysieren, den Umgang der documenta fifteen mit antisemitischen Vorfällen zu untersuchen und Vorschläge zu entwickeln, wie ähnliche Vorgänge künftig zu verhindern sind. Aufgrund der anhaltenden Auseinandersetzungen zu einzelnen Exponaten besteht noch während der laufenden Ausstellung eine besondere Dringlichkeit für die Beratung zum Umgang mit konkreten problematisierten Werken. Daher haben wir den Gesellschaftern bereits jetzt eine erste Einschätzung des Gremiums zu dieser Frage vorgelegt. Diese bezieht sich auf ein Werk, bezüglich dessen innerhalb des Gremiums ein Konsens herrscht, dass sofortiger Handlungsbedarf besteht. Vertiefende Analysen zu den Organisationsstrukturen der documenta, zur kuratorischen Verantwortung der künstlerischen Leitung und zu weiteren Werken erfolgen zu einem späteren Zeitpunkt.

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Auf der Ebe­ne der aus­ge­stell­ten Wer­ke ist es aus Sicht des Gre­mi­ums die dring­lichs­te Auf­ga­be, die Vor­füh­rung der unter dem Namen „Tokyo Reels Film Fes­ti­val“ gezeig­ten Kom­pi­la­ti­on von pro-paläs­ti­nen­si­schen Pro­pa­gan­da­fil­men aus den 1960er-1980er des Kol­lek­tivs „Sub­ver­si­ve Film“ zu stop­pen. Hoch pro­ble­ma­tisch an die­sem Werk sind nicht nur die mit anti­se­mi­ti­schen und anti­zio­nis­ti­schen Ver­satz­stü­cken ver­se­he­nen Film­do­ku­men­te, son­dern die zwi­schen den Fil­men ein­ge­füg­ten Kom­men­ta­re der Künstler:innen, in denen sie den Isra­el­hass und die Glo­ri­fi­zie­rung von Ter­ro­ris­mus des Quell­ma­te­ri­als durch ihre unkri­ti­sche Dis­kus­si­on legi­ti­mie­ren. Das his­to­ri­sche Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al wird nicht – wie es ohne Zwei­fel gebo­ten wäre – kri­tisch reflek­tiert, son­dern als ver­meint­lich objek­ti­ver Tat­sa­chen­be­richt affir­miert. Dadurch stel­len die Fil­me in ihrer poten­ti­ell auf­het­zen­den Wir­kung eine grö­ße­re Gefahr dar als das bereits ent­fern­te Werk „People’s Jus­ti­ce“. Vie­le der Fil­me prä­sen­tie­ren Isra­el und sei­ne Streit­kräf­te aus­schließ­lich als Täter:innen, die gezielt Zivilist:innen, ins­be­son­de­re Frau­en und Kin­der, angrei­fen. Im Kon­trast dazu wird die paläs­ti­nen­si­sche Sei­te als unschul­dig und wehr­los dar­ge­stellt. Die wie­der­hol­ten Ter­ror­an­schlä­ge gegen israe­li­sche Zivilist:innen wer­den hier – wie in der gesam­ten Aus­stel­lung – eben­so wenig erwähnt wie die Tat­sa­che, dass Isra­el regel­mä­ßig von den Armeen Syri­ens, Jor­da­ni­ens und Ägyp­tens ange­grif­fen wor­den ist. Dar­über hin­aus schlägt die ein­sei­tig nega­ti­ve Dar­stel­lung Isra­els mehr­fach in offe­nen Anti­se­mi­tis­mus um. Um nur ein Bei­spiel zu nen­nen: Isra­el wird ein „faschis­ti­scher“ Cha­rak­ter vor­ge­wor­fen und unter­stellt, einen „Geno­zid“ an den Paläs­ti­nen­sern zu betrei­ben – es wird dadurch mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land gleich­ge­setzt. Eine sol­che Gleich­set­zung der israe­li­schen Poli­tik mit der der Natio­nal­so­zia­lis­ten ist etwa nach der Defi­ni­ti­on der Inter­na­tio­nal Holo­caust Remem­brance Alli­ance, die von vie­len Natio­nen, dar­un­ter auch eini­gen Län­dern des Glo­ba­len Südens, über­nom­men wur­de, als anti­se­mi­tisch zu bewer­ten. Eben­falls pro­ble­ma­tisch ist die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Werks. Laut docu­men­ta-Web­site spiel­te Masao Adachi eine Rol­le dabei, Sub­ver­si­ve Film die Film­rol­len anzu­ver­trau­en. Adachi war Mit­glied der japa­ni­schen Roten Armee und kol­la­bo­rier­te mit der Volks­front zur Befrei­ung Paläs­ti­nas, zwei Grup­pen, die Ter­ror­an­schlä­ge gegen israe­li­sche und ande­re Zivilist:innen ver­üb­ten, dar­un­ter das Mas­sa­ker am Flug­ha­fen Lod 1972, bei dem 26 Men­schen ermor­det wur­den. Eine even­tu­el­le Wie­der­auf­nah­me der Vor­füh­run­gen der Fil­me wäre nur denk­bar, wenn die­se in einer Form kon­tex­tua­li­siert wür­den, die ihren Pro­pa­g­an­da­ch­a­rak­ter ver­deut­licht, ihre anti­se­mi­ti­schen Ele­men­te klar benennt und his­to­ri­sche Fehl­dar­stel­lun­gen korrigiert.


Dem Gre­mi­um ist bewusst, dass die docu­men­ta fif­teen eine Viel­zahl her­vor­ra­gen­der und inspi­rie­ren­der Kunst­wer­ke aus­stellt, die es in sei­ner Arbeit nicht in den Blick neh­men kann. Sei­ne Auf­ga­be besteht dar­in, eine Aus­wahl der Wer­ke auf ihren anti­se­mi­ti­schen Gehalt zu unter­su­chen und zu klä­ren, war­um sie auf der docu­men­ta fif­teen aus­ge­stellt wer­den oder wurden.

10.09.2022

Presseerklärung der unterzeichnenden Mitglieder des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Die Gesellschafter der documenta gGmbH haben uns als Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung eingesetzt, um als antisemitisch identifizierte bzw. diskutierte Werke zu analysieren, den Umgang der documenta fifteen mit antisemitischen Vorfällen zu untersuchen und Vorschläge zu entwickeln, wie ähnliche Vorgänge künftig zu verhindern sind. Aufgrund der anhaltenden Auseinandersetzungen zu einzelnen Exponaten und der documenta fifteen als Ganzer besteht eine besondere Dringlichkeit für die Beratung zu diesen Fragen. Wir haben daher den Gesellschaftern eine erste Einschätzung der unterzeichnenden Mitglieder des Gremiums vorgelegt, die in einigen Punkten umfassender ist als die Stellungnahme des gesamten Gremiums.

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1. Die Ebe­ne der aus­ge­stell­ten Wer­ke, Film- und Archiv­ma­te­ria­li­en
Auf der Ebe­ne der aus­ge­stell­ten Wer­ke ist es aus Sicht des Gre­mi­ums die dring­lichs­te Auf­ga­be, die Vor­füh­rung der unter dem Namen „Tokyo Reels Film Fes­ti­val“ gezeig­ten Kom­pi­la­ti­on von pro-paläs­ti­nen­si­schen Pro­pa­gan­da­fil­men aus den 1960er-1980er des Kol­lek­tivs „Sub­ver­si­ve Film“ zu stop­pen. Hoch pro­ble­ma­tisch an die­sem Werk sind nicht nur die mit anti­se­mi­ti­schen und anti­zio­nis­ti­schen Ver­satz­stü­cken ver­se­he­nen Film­do­ku­men­te, son­dern die zwi­schen den Fil­men ein­ge­füg­ten Kom­men­ta­re der Künstler:innen, in denen sie den Isra­el­hass und die Glo­ri­fi­zie­rung von Ter­ro­ris­mus des Quell­ma­te­ri­als durch ihre unkri­ti­sche Dis­kus­si­on legi­ti­mie­ren. Das his­to­ri­sche Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al wird nicht – wie es ohne Zwei­fel gebo­ten wäre – kri­tisch reflek­tiert, son­dern als ver­meint­lich objek­ti­ver Tat­sa­chen­be­richt affir­miert. Dadurch stel­len die Fil­me in ihrer poten­ti­ell auf­het­zen­den Wir­kung eine grö­ße­re Gefahr dar als das bereits ent­fern­te Werk „People’s Justice“.


Vie­le der Fil­me prä­sen­tie­ren Isra­el und sei­ne Streit­kräf­te aus­schließ­lich als Täter:innen, die gezielt Zivilist:innen, ins­be­son­de­re Frau­en und Kin­der, angrei­fen. Im Kon­trast dazu wird die paläs­ti­nen­si­sche Sei­te als unschul­dig und wehr­los dar­ge­stellt. Die wie­der­hol­ten Ter­ror­an­schlä­ge gegen israe­li­sche Zivilist:innen wer­den hier – wie in der gesam­ten Aus­stel­lung – eben­so wenig erwähnt wie die Tat­sa­che, dass Isra­el regel­mä­ßig von den Armeen Syri­ens, Jor­da­ni­ens und Ägyp­tens ange­grif­fen wor­den ist. Dar­über hin­aus schlägt die ein­sei­tig nega­ti­ve Dar­stel­lung Isra­els mehr­fach in offe­nen Anti­se­mi­tis­mus um. Um nur ein Bei­spiel zu nen­nen: Isra­el wird ein „faschis­ti­scher“ Cha­rak­ter vor­ge­wor­fen und unter­stellt, einen „Geno­zid“ an den Paläs­ti­nen­sern zu betrei­ben – es wird dadurch mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land gleich­ge­setzt. Eine sol­che Gleich­set­zung der israe­li­schen Poli­tik mit der der Natio­nal­so­zia­lis­ten ist etwa nach der Defi­ni­ti­on der Inter­na­tio­nal Holo­caust Remem­brance Alli­ance, die von vie­len Natio­nen, dar­un­ter auch eini­gen Län­dern des Glo­ba­len Südens, über­nom­men wur­de, als anti­se­mi­tisch zu bewer­ten. Eben­falls pro­ble­ma­tisch ist die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Werks. Laut docu­men­ta-Web­site spiel­te Masao Adachi eine Rol­le dabei, Sub­ver­si­ve Film die Film­rol­len anzu­ver­trau­en. Adachi war Mit­glied der japa­ni­schen Roten Armee und kol­la­bo­rier­te mit der Volks­front zur Befrei­ung Paläs­ti­nas, zwei Grup­pen, die Ter­ror­an­schlä­ge gegen israe­li­sche und ande­re Zivilist:innen ver­üb­ten, dar­un­ter das Mas­sa­ker am Flug­ha­fen Lod 1972, bei dem 26 Men­schen ermor­det wur­den. Eine even­tu­el­le Wie­der­auf­nah­me der Vor­füh­run­gen der Fil­me wäre nur denk­bar, wenn sie in einer Form kon­tex­tua­li­siert wür­den, die den Pro­pa­g­an­da­ch­a­rak­ter der Fil­me ver­deut­licht, ihre anti­se­mi­ti­schen Ele­men­te klar benennt und his­to­ri­sche Fehl­dar­stel­lun­gen korrigiert.


Nach Auf­fas­sung der unter­zeich­nen­den Mit­glie­der des Gre­mi­ums ist das „Tokyo Reels Film Fes­ti­val“ das ekla­tan­tes­te Bei­spiel für eine Ein­sei­tig­keit der docu­men­ta fif­teen in Hin­blick auf den ara­bisch-israe­li­schen Kon­flikt, mit dem sich ver­gleichs­wei­se vie­le Wer­ke beschäf­ti­gen. Nahe­zu in allen die­sen Wer­ken wer­den ein­sei­tig kri­ti­sche bis hin zu dezi­diert isra­el­feind­li­che Hal­tun­gen zum Aus­druck gebracht. Die­se schla­gen sich in bild­li­chen Dar­stel­lun­gen und Aus­sa­gen nie­der, die nach gän­gi­gen Kri­te­ri­en als anti­se­mi­tisch bewer­tet wer­den kön­nen. Beson­ders deut­lich wird es dann, wenn die Exis­tenz Isra­els in den Wer­ken infra­ge gestellt bzw. bestrit­ten wird. Unter die­sen Gesichts­punk­ten hal­ten die unter­zeich­nen­den Mit­glie­der des Gre­mi­ums die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Werk­rei­he „Guer­ni­ca Gaza“ und mit Doku­men­ten aus den Archi­ves des lut­tes des femmes en Algé­rie für gebo­ten. Die Ana­ly­se die­ser und wei­te­rer Wer­ke – u.a. von Taring Padi – dau­ert noch an. Detail­lier­te­re Stel­lung­nah­men wer­den den Gesell­schaf­tern zu einem spä­te­ren Zeit­punkt zur Ver­fü­gung gestellt.


2. Die Ebe­ne der künst­le­ri­schen Lei­tung
Die beschrie­be­ne Ein­sei­tig­keit der prä­sen­tier­ten Posi­tio­nen zum ara­bisch-israe­li­schen Kon­flikt ist aus Sicht der unter­zeich­nen­den Mit­glie­der des Gre­mi­ums nicht den ein­zel­nen Künstler:innen zuzu­rech­nen, son­dern Fol­ge eines kura­to­ri­schen Kon­zepts der künst­le­ri­schen Lei­tung, das bewusst auf Kon­trol­le über die Zusam­men­stel­lung und Prä­sen­ta­ti­on der Aus­stel­lung ver­zich­tet hat. Die­ser im Prin­zip begrü­ßens­wer­te dia­lo­gi­sche und koope­ra­ti­ve Ansatz ändert jedoch nichts an der kura­to­ri­schen Gesamt­ver­ant­wor­tung von ruan­grupa. Allein die künst­le­ri­sche Lei­tung hat­te die Mög­lich­keit, aus einer Gesamt­per­spek­ti­ve auf die Aus­stel­lung zu bli­cken. Auch wenn sie bewusst auf einen sol­chen Über­blick ver­zich­tet haben soll­te, bleibt sie für die gesam­te Aus­stel­lung ver­ant­wort­lich. Im Ergeb­nis hat die künst­le­ri­schen Lei­tung eine docu­men­ta zu ver­ant­wor­ten, in der anti­se­mi­ti­sche Wer­ke aus­ge­stellt wur­den und Isra­el und Israe­lis aus­schließ­lich als Täter:innen und Aggressor:innen in Erschei­nung tre­ten. Der Ein­druck einer kura­to­ri­schen Unaus­ge­wo­gen­heit wird dadurch ver­stärkt, dass in der Aus­stel­lung weder Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und der Sho­ah und ihren Fol­gen noch jüdi­schen Per­spek­ti­ven auf den Nah­ost­kon­flikt Raum gege­ben wird und die künst­le­ri­sche Lei­tung mit der Kura­tie­rung immer auch ein eige­nes poli­ti­sches Pro­jekt ver­bun­den hat. Eben­falls pro­ble­ma­tisch erscheint uns die feh­len­de Aus­ein­an­der­set­zung der künst­le­ri­schen Lei­tung mit den anti­se­mi­ti­schen Vor­fäl­len, deren Kri­tik als „Zen­sur“ dis­kre­di­tiert wird.


3. Die Ebe­ne der Orga­ni­sa­ti­on der docu­men­ta
Auch auf der Ebe­ne der Orga­ni­sa­ti­on der docu­men­ta sind die unter­zeich­nen­den Mit­glie­der des Gre­mi­ums der Auf­fas­sung, dass die Ver­fah­rens­ab­läu­fe und Kom­mu­ni­ka­ti­on in Reak­ti­on auf die Dis­kus­sio­nen unzu­rei­chend bis kon­tra­pro­duk­tiv gestal­tet sind. Für den Umgang mit pro­ble­ma­ti­schen Wer­ken scheint die docu­men­ta kein Ver­fah­ren vor­zu­hal­ten, das über die Prü­fung der Straf­bar­keit eines Expo­nats hin­aus­geht. Die Orga­ni­sa­ti­on der docu­men­ta scheint nicht dar­auf ein­ge­stellt zu sein, im Fal­le inter­ner oder öffent­li­cher Kri­tik an dem Pro­jekt oder der künst­le­ri­schen Lei­tung zu ver­mit­teln. Als beson­ders bedau­er­lich emp­fin­den es die Unter­zeich­nen­den, dass die Geschäfts­füh­rung der docu­men­ta nach Beginn der Ereig­nis­se nicht in einen nach­hal­ti­gen Dia­log mit Vertreter:innen der jüdi­schen Gemein­schaft in Deutsch­land ein­ge­tre­ten ist. Nimmt man die­se drei Ebe­nen zusam­men, wird deut­lich, dass die gra­vie­ren­den Pro­ble­me der docu­men­ta fif­teen nicht nur in der Prä­sen­ta­ti­on ver­ein­zel­ter Wer­ke mit anti­se­mi­ti­scher Bild­spra­che und anti­se­mi­ti­schen Aus­sa­gen bestehen, son­dern auch in einem kura­to­ri­schen und orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­rel­len Umfeld, das eine anti­zio­nis­ti­sche, anti­se­mi­ti­sche und isra­el­feind­li­che Stim­mung zuge­las­sen hat.


Unter­zeich­nen­de:
Nico­le Dei­tel­hoff (Vor­sit­zen­de)
Julia Bern­stein
Mari­na Cher­ni­vs­ky
Peter Jela­vich
Chris­toph Möllers

01.08.2022

Gesellschafter der documenta stellen fachwissenschaftliche Begleitung vor

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit herausragender wissenschaftlicher Expertise in den Bereichen Antisemitismus, Perspektiven aus globalen Kontexten und Postkolonialismus, Kunst sowie Verfassungsrecht werden die documenta in den kommenden Monaten fachwissenschaftlich begleiten.

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Den Vor­sitz des Gre­mi­ums wird Prof. Dr. Nico­le Dei­tel­hoff, geschäfts­füh­ren­des Vor­stands­mit­glied des Leib­niz-Insti­tuts „Hes­si­sche Stif­tung Frie­dens- und Kon­flikt­for­schung“ (HSFK) und geschäfts­füh­ren­de Spre­che­rin des „For­schungs­in­sti­tuts Gesell­schaft­li­cher Zusam­men­halt“ (FGZ), über­neh­men. Das haben die Gesell­schaf­ter der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH bekannt gege­ben. Ange­sichts der anti­se­mi­ti­schen Vor­fäl­le hat der Auf­sichts­rat am 15. Juli 2022 eini­ge Maß­nah­men zur Auf­ar­bei­tung beschlos­sen, dar­un­ter die Ein­set­zung die­ser fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung. Ziel ist, auch in Zukunft der docu­men­ta ihren welt­weit ein­zig­ar­ti­gen Rang als Aus­stel­lung für zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Kas­sel zu sichern.


Der Vor­schlag für die Beset­zung der fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung wur­de von Ange­la Dorn, Hes­si­sche Minis­te­rin für Wis­sen­schaft und Kunst, und Dr. Susan­ne Völ­ker, Kul­tur­de­zer­nen­tin der Stadt Kas­sel, im Auf­trag der Gesell­schaf­ter der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH erar­bei­tet. Der Auf­sichts­rat hat die­sem Vor­schlag zuge­stimmt und der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung emp­foh­len, die ihn eben­falls bestä­tigt hat.


Wir dan­ken den Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern herz­lich für ihre Bereit­schaft, so kurz­fris­tig ihre wis­sen­schaft­li­che Exper­ti­se zur Ver­fü­gung zu stel­len – das ist bei so hoch­ka­rä­ti­gen For­sche­rin­nen und For­schern ange­sichts zahl­rei­cher ande­rer Ver­pflich­tun­gen kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich“, erklä­ren Kas­sels Ober­bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Gesel­le, Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der docu­men­ta, sei­ne Stell­ver­tre­te­rin im Auf­sichts­rat, Staats­mi­nis­te­rin Ange­la Dorn sowie Kul­tur­de­zer­nen­tin Dr. Susan­ne Völker.


Die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler sind zustän­dig für die ers­te Bestands­auf­nah­me der Abläu­fe, Struk­tu­ren und Rezep­tio­nen rund um die docu­men­ta fif­teen, sol­len Emp­feh­lun­gen für die Auf­ar­bei­tung geben und erör­tern, wel­che Aspek­te einer ver­tief­ten wis­sen­schaft­li­chen Ana­ly­se bedür­fen. Außer­dem wer­den sie bei der Ana­ly­se mög­li­cher wei­te­rer anti­se­mi­ti­scher Bild­spra­che und Spra­che sowie bereits als anti­se­mi­tisch iden­ti­fi­zier­ten Wer­ken bera­ten. Die Bera­tungs­er­geb­nis­se und Posi­tio­nen wer­den dem Auf­sichts­rat und den Gesell­schaf­tern vor­ge­legt, die die­se der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH und den Kura­to­rin­nen und Kura­to­ren zur Ver­fü­gung stel­len und in einen Dia­log dazu ein­tre­ten. Die künst­le­ri­sche Frei­heit ist gewahrt, die kura­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung ist und bleibt expli­zi­te Auf­ga­be der künst­le­ri­schen Lei­tung ruan­grupa. „Wir haben Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler mit ganz unter­schied­li­chen Sicht­wei­sen und aus unter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen zusam­men­ge­bracht, damit sie in einen kon­struk­ti­ven Aus­tausch tre­ten und eine unab­hän­gi­ge Auf­ar­bei­tung vor­an­brin­gen, die uns wich­ti­ge Impul­se für die Zukunft geben wird. Es wird ver­mut­lich auch Aspek­te der Auf­ar­bei­tung und Kunst­wer­ke geben, wo es am Ende kei­ne ein­heit­li­che Ein­schät­zung geben wird. Ent­schei­dend ist, dass die Sicht­wei­sen trans­pa­rent sind und mit­ein­an­der in Dia­log tre­ten“, so Gesel­le und Dorn.


Mit der aus­ge­spro­che­nen Emp­feh­lung für eine fach­wis­sen­schaft­li­che Beglei­tung hat der Auf­sichts­rat sich klar posi­tio­niert, Anti­se­mi­tis­mus und grup­pen­be­zo­ge­ne For­men von Men­schen­feind­lich­keit auch in Kunst und Kul­tur wirk­sam zu bekämp­fen. Wir erwar­ten, dass unter Berück­sich­ti­gung der grund­recht­lich geschütz­ten Kunst­frei­heit, Hin­wei­sen auf mög­li­che anti­se­mi­ti­sche Bild­spra­che und Beför­de­rung von isra­el-bezo­ge­nem Anti­se­mi­tis­mus nach­ge­gan­gen wird“, bekräf­tig­te Kas­sels Ober­bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Gesel­le als Vor­sit­zen­der die Ent­schei­dung und Hal­tung des documenta-Aufsichtsrats.


Die auf der docu­men­ta fif­teen mehr­fach gesich­te­ten anti­se­mi­ti­schen Moti­ve zeu­gen von unge­bro­che­ner Aktua­li­tät und Repro­duk­ti­on von Anti­se­mi­tis­mus. Es ist daher essen­ti­ell, dass die anti­se­mi­ti­schen Vor­fäl­le und die damit zusam­men­hän­gen­den Rezep­tio­nen und Vor­gän­ge mit Unter­stüt­zung eines fach­wis­sen­schaft­li­chen Gre­mi­ums rekon­stru­iert und auf­ge­ar­bei­tet wer­den. Die fach­wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­se wei­te­rer Wer­ke im Hin­blick auf anti­se­mi­ti­sche Moti­ve wird schon in den kom­men­den Wochen für uns Gesell­schaf­ter wich­tig sein. Auf die­ser Grund­la­ge kön­nen nach­hal­ti­ge Impul­se für den Umgang mit anti­se­mi­ti­schen Vor­gän­gen im Kul­tur- und Kunst­kon­text gezo­gen wer­den und so über die docu­men­ta hin­aus­wir­ken. Die Auf­ar­bei­tung des Gesche­he­nen und ein Ler­nen für die Zukunft soll auch das in den ver­gan­ge­nen Wochen ver­lo­ren gegan­ge­ne Ver­trau­en wie­der zurück­zu­ge­win­nen“, so Ange­la Dorn.


Die Ver­trau­ens­ver­lus­te rund um die Vor­komm­nis­se anti­se­mi­ti­scher Bild­spra­che haben die­se docu­men­ta seit­her über­schat­tet und unter ver­än­der­te Vor­zei­chen gestellt. Ziel muss es nun sein, den fach­li­chen und sach­li­chen Dis­kurs und den gemein­sa­men Dia­log zu füh­ren, um ver­lo­re­nes Ver­trau­en wie­der­her­zu­stel­len. Künst­le­rin­nen und Künst­ler aus vie­len Tei­len der Welt stel­len in ihren Pro­jek­ten wesent­li­che Fra­gen unse­rer Zeit. Eine dif­fe­ren­zier­te Auf­ar­bei­tung der anti­se­mi­ti­schen Vor­fäl­le und ihrer Kon­tex­te ist not­wen­dig und gleich­zei­tig eine Chan­ce, um den Blick auch dafür erneut öff­nen zu kön­nen.“ erläu­tert Dr. Susan­ne Völker.


Unse­re fach­wis­sen­schaft­li­che Beglei­tung hat ein zen­tra­les Ziel: Auf­zu­ar­bei­ten, wie es zu den anti­se­mi­ti­schen Vor­fäl­len auf der docu­men­ta fif­teen kom­men konn­te und Emp­feh­lun­gen zu ent­wi­ckeln, wie im Rah­men der lau­fen­den Aus­stel­lung und über sie hin­aus zukünf­tig damit umge­gan­gen wer­den kann, damit sich das nicht wie­der­holt“, so die Vor­sit­zen­de des Gre­mi­ums, Prof. Dr. Dei­tel­hoff. Das Gre­mi­um wird inhalt­lich und orga­ni­sa­to­risch unter­stützt durch Dr. Cord Schmelz­le, Koor­di­na­tor des Teil­in­sti­tuts Frank­furt des FGZ.


Die Haupt­ar­beit des Gre­mi­ums wird über den Aus­stel­lungs­zeit­raum der docu­men­ta fif­teen hin­aus­rei­chen, da auch ver­tie­fen­de wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en initi­iert wer­den kön­nen. Die wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­se der Kunst­wer­ke auf der docu­men­ta fif­teen, mit Hin­wei­sen auf mög­li­che anti­se­mi­ti­sche (Bild-)Sprache, soll noch wäh­rend der lau­fen­den Aus­stel­lung gesche­hen. „Die Tat­sa­che, dass mit dem Fak­si­mi­le der Bro­schü­re „Pre­sence des Femmes“ und den dar­in ent­hal­te­nen Zeich­nun­gen des Künst­lers Bur­han Kark­out­ly ein wei­te­rer Gegen­stand mit anti­se­mi­ti­scher Bild­spra­che bekannt gewor­den ist, zeigt wie drin­gend not­wen­dig die­se Ana­ly­se ist. Es gibt zu Recht ein gro­ßes öffent­li­ches Inter­es­se an den Erkennt­nis­sen und Emp­feh­lun­gen der fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung, des­sen sind wir uns bewusst. Zugleich erfor­dert wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten ein Min­dest­maß an Gründ­lich­keit und Ruhe, das wir ermög­li­chen wol­len. Wir bit­ten um Ver­ständ­nis, dass Pres­se­ar­beit gezielt ablau­fen wird und Mit­glie­der sich nicht ein­zeln öffent­lich äußern wol­len und wer­den.“, so Gesel­le und Dorn abschließend.


In der fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung wir­ken mit:
Prof. Dr. Nico­le Dei­tel­hoff (Vor­sitz), Pro­fes­so­rin für Inter­na­tio­na­le Bezie­hun­gen und Theo­rien glo­ba­ler Ord­nungs­po­li­tik an der Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt, geschäfts­füh­ren­des Vor­stands­mit­glied des Leib­niz-Insti­tuts „Hes­si­sche Stif­tung Frie­dens- und Kon­flikt­for­schung“ (HSFK) und Spre­che­rin des „For­schungs­in­sti­tuts Gesell­schaft­li­cher Zusam­men­halt“ (FGZ). Ihre For­schungs­schwer­punk­te lie­gen im Bereich sozia­le und poli­ti­sche Kon­flik­te und Kon­flikt­re­gu­lie­rung sowie der Insti­tu­tio­nen- und Demokratietheorien.


Prof. Dr. Mari­on Acker­mann, Gene­ral­di­rek­to­rin der Staat­li­chen Kunst­samm­lun­gen Dres­den; Kunst­his­to­ri­ke­rin, Ger­ma­nis­tin und Kura­to­rin. Wis­sen­schaft­li­cher Schwer­punkt: Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.


Prof. Dr. Julia Bern­stein, Pro­fes­so­rin für Dis­kri­mi­nie­rung und Inklu­si­on in der Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft am Fach­be­reich Sozia­le Arbeit und Gesund­heit der Frank­furt Uni­ver­si­ty of Appli­ed Sci­en­ces. Ihr Arbeits­schwer­punkt liegt im Bereich der Anti­se­mi­tis­mus­for­schung und zielt auf deren Trans­fer beson­ders in die Bil­dungs­ar­beit. 2017 hat sie den qua­li­ta­ti­ven Teil der Stu­die „Jüdi­sche Per­spek­ti­ven auf Anti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land“ gelei­tet, die im Auf­trag des zwei­ten unab­hän­gi­gen Exper­ten­krei­ses Anti­se­mi­tis­mus durch­ge­führt wur­de, und 2021 hat sie an der Emp­feh­lung zum Umgang mit Anti­se­mi­tis­mus an Schu­len vom Zen­tral­rat der Juden in Deutsch­land, der Bund-Län­der-Kom­mis­si­on der Anti­se­mi­tis­mus­be­auf­trag­ten und der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz mitgewirkt.


Mari­na Cher­ni­vs­ky, Psy­cho­lo­gin und Ver­hal­tens­wis­sen­schaft­le­rin. Sie ist Grün­de­rin und Geschäfts­füh­re­rin der Bera­tungs­stel­le bei anti­se­mi­ti­scher Gewalt OFEK e.V. sowie Lei­te­rin des Kom­pe­tenz­zen­trums für Prä­ven­ti­on und Empower­ment in Trä­ger­schaft der ZWST. Sie forscht (u.a.) zu Wir­kungs­ge­schich­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus und Anti­se­mi­tis­mus und ist Co-Lei­te­rin der Bun­des­län­der­stu­di­en­rei­he „Anti­se­mi­tis­mus im Kon­text Schu­le“ in Koope­ra­ti­on mit der FH Pots­dam. Bis 2017 war sie Mit­glied im Zwei­ten Unab­hän­gi­gen Exper­ten­kreis Anti­se­mi­tis­mus und Mit­her­aus­ge­be­rin des zwei­ten Anti­se­mi­tis­mus­be­richts des Deut­schen Bun­des­ta­ges. Seit 2019 ist sie Mit­glied im Bera­tungs­gre­mi­um des Beauf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für jüdi­sches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus.


Prof. Peter Jela­vich, PhD, Pro­fes­sor of Histo­ry, Johns Hop­kins Uni­ver­si­ty; Kul­tur- und Geis­tes­ge­schich­te Euro­pas seit der Auf­klä­rung, mit Beto­nung auf Deutsch­land. For­schungs­schwer­punk­te: Zen­sur der Küns­te in Deutsch­land seit 1890; und deutsch-jüdi­sche Kul­tur­ge­schich­te, insb. Populärkultur.


Prof. Dr. Chris­toph Möl­lers, Pro­fes­sor für Öffent­li­ches Recht und Rechts­phi­lo­so­phie an der Hum­boldt-Uni­vers ität zu Ber­lin und Per­ma­nent Fel­low am Wis­sen­schafts­kol­leg für Fra­gen des Verfassungsrechts.


Prof. Dr. Facil Tes­faye, Juni­or­pro­fes­sor an der School of Modern Lan­guages and Cul­tures, Uni­ver­si­tät Hong Kong & visi­ting fel­low an der EHESS (Eco­le des Hau­tes Etu­des en Sci­en­ces Socia­les) Paris. Er wur­de an der McGill Uni­ver­si­ty (Montréal/Canada) pro­mo­viert und hat zuvor einen Mas­ter­ab­schluss in Poli­ti­cal Sci­ence an der Uni­ver­si­té du Que­bec à Mon­tré­al erwor­ben. Sein Grund­stu­di­um hat er in Afri­can Stu­dies und Poli­ti­cal Sci­ence an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin absol­viert. Exper­te für Deut­sche Kolo­nia­le Medi­zin­ge­schich­te & glo­ba­le Kontexte.


Es kön­nen außer­dem wei­te­re Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler bei­spiels­wei­se als Sach­ver­stän­di­ge hin­zu­ge­zo­gen wer­den. Dar­un­ter als Bera­ter zur Kon­sti­tu­ie­rung: Prof. Dr. Meron Men­del, Pro­fes­sor für Sozia­le Arbeit an der Frank­furt Uni­ver­si­ty of Appli­ed Sci­en­ces und Direk­tor der Bil­dungs­stät­te Anne Frank. Publi­zist, His­to­ri­ker, Pädagoge.

28.07.2022

documenta Gesellschafter zum Umgang mit weiterem kritischen Ausstellungsstück

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Die Gesellschafter der documenta und Museum Fridericianum gGmbH haben erstmals am Dienstagabend über die Sozialen Netzwerke erfahren, dass mit dem Faksimile der Broschüre „Presence des Femmes“ und den darin enthaltenen Zeichnungen des Künstlers Burhan Karkoutly mit Darstellungen israelischer Soldaten ein weiterer problematischer Gegenstand auf der documenta fifteen hinsichtlich antisemitischer Bildsprache ausliegt.

wei­ter lesen 

Der docu­men­ta-Lei­tung war dies bereits vor drei Wochen bekannt, nach­dem eine Besu­che­rin auf die Zeich­nun­gen auf­merk­sam gemacht hat. Die umge­hen­de recht­li­che Bewer­tung der Zeich­nun­gen durch Exter­ne war ein rich­ti­ger Schritt, die Fra­ge, ob hier anti­se­mi­ti­sche Bild­spra­che vor­liegt, wur­de lei­der ledig­lich intern bewer­tet. Es wur­de ver­säumt eine geeig­ne­te Kon­tex­tua­li­sie­rung vor­zu­neh­men und die Besu­che­rin über das Ergeb­nis der Klä­rung zu infor­mie­ren. Die­se Vor­gän­ge haben nicht unter der Ver­ant­wor­tung des Inte­rims­ge­schäfts­füh­rer Alex­an­der Faren­holtz statt­ge­fun­den. Wir dan­ken Herrn Faren­holtz, dass er die­se Ver­säum­nis­se nun nach­ho­len möch­te.
 
Es han­delt sich bei den Zeich­nun­gen nicht um ein aus­ge­stell­tes Kunst­werk, son­dern um Archiv­ma­te­ri­al, das auf der docu­men­ta fif­teen prä­sen­tiert wird. Aber auch hier ist ange­sichts der anti­se­mi­ti­schen Bild­spra­che ver­ant­wor­tungs­vol­les Kura­tie­ren wich­tig und es braucht zumin­dest eine geeig­ne­te Kon­tex­tua­li­sie­rung. Die Gesell­schaf­ter gehen davon aus, dass die künst­le­ri­sche Lei­tung die dis­ku­tier­ten Zeich­nun­gen bis zu einer ange­mes­se­nen Kon­tex­tua­li­sie­rung aus der Aus­stel­lung nimmt. Der Umgang mit den Zeich­nun­gen zeigt, wie drin­gend not­wen­dig die exter­ne Exper­ti­se bei der Ana­ly­se von Wer­ken auf anti­se­mi­ti­sche (Bild-)Sprache ist.

18.07.2022

Alexander Farenholtz übernimmt die Interims-Geschäftsführung der documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Alexander Farenholtz wurde heute einstimmig durch den Aufsichtsrat der documenta und Museum Fridericianum gGmbH zum Interims-Geschäftsführer der documenta bestellt. Das erklärten Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle, Aufsichtsratsvorsitzender der documenta, und seine Stellvertreterin im Aufsichtsrat, die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn, am Montag.

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Die Gesell­schaf­ter der docu­men­ta sind froh und dank­bar, in einer für die docu­men­ta her­aus­for­dern­den Situa­ti­on einen so erfah­re­nen und renom­mier­ten Kul­tur­ma­na­ger für die bedeu­ten­de Welt­kunst­aus­stel­lung in Kas­sel gewon­nen zu haben. Alex­an­der Faren­holtz über­nimmt die­se Auf­ga­be bereits am Diens­tag, 19. Juli. Das Enga­ge­ment ist zunächst bis zum 30. Sep­tem­ber 2022 befris­tet. Es ist der Wunsch von Herrn Faren­holtz, nach der Abstim­mung mit den Gesell­schaf­tern nun zunächst mit der künst­le­ri­schen Lei­tung und dann selbst­ver­ständ­lich auch mit dem Team der docu­men­ta gGmbH Gesprä­che aufzunehmen.


Kas­sel und die docu­men­ta sind Faren­holtz seit Jah­ren gut ver­traut: Nach dem Stu­di­um (Ver­wal­tungs­wis­sen­schaft in Kon­stanz) und ers­ten beruf­li­chen Sta­tio­nen war er 1989 unter ande­rem für die Rea­li­sie­rung der docu­men­ta 9 unter der künst­le­ri­schen Lei­tung von Jan Hoet zum Geschäfts­füh­rer der docu­men­ta GmbH beru­fen worden.


1993 wech­sel­te er als Lei­ter des Minis­ter­bü­ros ins Baden-Würt­tem­ber­gi­sche Kunst­mi­nis­te­ri­um und über­nahm 1996 zusam­men mit Tom Strom­berg die Lei­tung des Kul­tur­pro­gramms der Welt­aus­stel­lung EXPO2000 in Hannover.


Mit Beginn des Jah­res 2002 wur­de er zum Grün­dungs­vor­stand und Ver­wal­tungs­di­rek­tor der Kul­tur­stif­tung des Bun­des bestellt. Die­ses Amt übte er an der Sei­te von Hor­ten­sia Völckers als Künst­le­ri­scher Lei­te­rin bis zum Errei­chen der Alters­gren­ze im Janu­ar 2020 aus.

16.07.2022

Erklärung des Aufsichtsrats der documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Pressemeldung documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Bei der Sitzung des Aufsichtsrats der documenta und Museum Fridericianum gGmbH am Freitag, 15. Juli 2022, sind vor dem Hintergrund der Antisemitismusvorwürfe gegen die documenta fifteen und mit Blick auf die Zukunft der documenta einstimmige Entscheidungen des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung getroffen worden. Dazu erklärten für beide Gremien Aufsichtsratsvorsitzender Oberbürgermeister Christian Geselle und die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende:

wei­ter lesen 

1. Der Auf­sichts­rat, die Gesell­schaf­ter und Gene­ral­di­rektorin Dr. Sabi­ne Schor­mann ver­stän­dig­ten sich ein­ver­nehm­lich dar­auf, ihren Geschäfts­füh­rer­dienst­ver­trag kurz­fris­tig auf­zu­lö­sen. Zunächst wird eine Inte­rims­nach­fol­ge ange­strebt.

2. Der Auf­sichts­rat äußert sei­ne tie­fe Betrof­fen­heit, dass am Eröff­nungs­wo­chenende der docu­men­ta fif­teen ein­deu­tig anti­se­mi­ti­sche Moti­ve zu sehen waren. Die Prä­sen­ta­ti­on des Ban­ners „People‘s Jus­ti­ce“ des Künst­ler­kol­lek­tivs Taring Padi mit sei­ner anti­se­mi­ti­schen Bild­spra­che war eine kla­re Grenz­über­schrei­tung und der docu­men­ta wur­de damit ein erheb­li­cher Scha­den zuge­fügt. Es ist nach Auf­fas­sung des Auf­sichts­ra­tes essen­zi­ell, die­sen Vor­fall zeit­nah auf­zu­klä­ren, Schluss­fol­ge­run­gen auf Basis wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se für den Umgang mit anti­se­mi­ti­schen Vor­gän­gen im Kul­tur und Kunst­kontext zu zie­hen und wei­te­ren Scha­den für die docu­men­ta abzu­wen­den. Durch die Auf­hän­gung des Ban­ners und auch im Zuge der Kri­sen­be­wäl­ti­gung in den ver­gan­ge­nen Wochen ist lei­der viel Ver­trau­en ver­lo­ren gegan­gen. Der Auf­sichts­rat betrach­tet es als essen­zi­ell, dass alles dar­an­ge­setzt wird, die­ses Ver­trau­en zurückzugewinnen.

3. Der Auf­sichts­rat betrach­tet es als wich­ti­ge gesell­schaft­li­che Auf­ga­be, Anti­se­mi­tis­mus und grup­pen­be­zo­ge­ne For­men von Men­schen­feind­lich­keit auch in Kunst und Kul­tur wirk­sam zu bekämp­fen. Außer­dem bekräf­tigt er sei­ne Erwar­tungs­hal­tung, dass Hin­wei­sen auf mög­li­che anti­se­mi­ti­sche Bild­spra­che und Beför­de­rung von isra­el-bezo­ge­nem Anti­se­mi­tis­mus unter Berück­sich­ti­gung der grund­recht­lich geschütz­ten Kunst­frei­heit nach­ge­gan­gen wer­den soll. Der Auf­sichts­rat emp­fiehlt der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung eine fach­wis­sen­schaft­li­che Beglei­tung ein­zu­set­zen, die sich aus Wissenschaftler*innen zum Gegen­wart­s­an­ti­se­mi­tis­mus, deut­schen sowie glo­ba­len Kon­text und Post­ko­lo­nia­lis­mus sowie der Kunst zusam­men­setzt. Sie sind zustän­dig für die ers­te Bestand­auf­nah­me der Abläu­fe, Struk­tu­ren und Rezep­tio­nen rund um die docu­men­ta fif­teen, sol­len Emp­feh­lun­gen für die Auf­ar­bei­tung geben und erör­tern, wel­che Aspek­te einer ver­tief­ten (wis­sen­schaft­li­chen) Ana­ly­se bedür­fen. Außer­dem wür­den sie bei der Ana­ly­se mög­li­cher wei­te­rer anti­se­mi­ti­scher (Bild-) Spra­che bera­ten. Eine Koope­ra­ti­on der fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung mit der künst­le­ri­schen Lei­tung betrach­tet der Auf­sichts­rat als ziel­füh­rend und soll im gemein­sa­men Pro­zess gestal­tet wer­den. Der Auf­sichts­rat regt an, dass die Fin­dungs­kom­mis­si­on, die eine Bera­tungs­funk­ti­on gegen­über der docu­men­ta fif­teen inne­hat, in der fach­wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung mit­wirkt. Die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung hat dem entsprochen.

4. Der Auf­sichts­rat emp­fiehlt der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung, eine Organisa­ti­ons­un­ter­su­chung der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH durch­zu­füh­ren, die sowohl die Struk­tu­ren inklu­si­ve Zustän­dig­kei­ten und Ver­ant­wort­lich­kei­ten als auch die Abläu­fe einer Über­prü­fung unter­zieht. Dies im
Bench­mark mit ande­ren bedeu­ten­den Kunstaus­stel­lun­gen und unter Hin­zu­zie­hung exter­ner Exper­tin­nen und Exper­ten, um auf die­ser Basis Vor­schlä­ge für die Wei­ter­ent­wick­lung der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH schnellst­mög­lich nach der docu­men­ta fif­teen zu erar­bei­ten. Auch dies hat die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung beschlossen.


5. Die Stadt Kas­sel und das Land Hes­sen eint das gemein­sa­me Ziel, die Ver­feh­lun­gen beim The­ma Anti­se­mi­tis­mus und struk­tu­rel­len Defi­zi­te auf­zu­ar­bei­ten und alles dar­an zu set­zen, der docu­men­ta auch in Zukunft ihren welt­weit ein­zig­ar­ti­gen Rang als Aus­stel­lung für zeit­ge­nös­si­sche Kunst zu sichern. Der Auf­sichts­rat wirbt dafür, die docu­men­ta fif­teen, als erst­ma­li­ge docu­men­ta kura­tiert aus dem Blick des soge­nann­ten „glo­ba­len Südens“ mit über 1.500 betei­lig­ten Künst­le­rin­nen und Künst­lern, auch in ihrer Gesamt­heit und Ein­zig­ar­tig­keit zu bewer­ten. Gera­de weil die docu­men­ta alle fünf Jah­re zu einem Dreh- und Angel­punkt von Künst­le­rin­nen und Künst­lern sowie Kul­tur­in­ter­es­sier­ten aus aller Welt wird und gera­de weil sie immer ein Ort der Begeg­nung und des kri­ti­schen Dis­kur­ses war und ist, arbei­tet der Auf­sichts­rat gemein­sam mit allen Betei­lig­ten dar­an, die docu­men­ta in Kas­sel zu schützen.

 
 

13.07.2022

Geän­der­ter Text der Pres­se­mel­dung, glei­che Head­line wie 12.07.2022 [Anm. WKK]

documenta Geschäfts­führerin: documenta hat angemessene Maßnahmen nach Vorwürfen ergriffen

Pressemeldung documenta fifteen

Die Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Frau Dr. Sabine Schormann, erklärt:

In den vergangenen Wochen hat es in der Öffentlichkeit anhaltende Kritik am Umgang der documenta mit den erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen gegeben; insbesondere wurde behauptet, wir hätten zu wenig Maßnahmen eingeleitet.

 

wei­ter lesen 

Wir haben uns dar­auf kon­zen­triert im Sin­ne der docu­men­ta fif­teen, auf­zu­klä­ren und zu han­deln. Dies geht nur gemein­sam mit der Künst­le­ri­schen Lei­tung und den Künstler*innen. Dabei ist die Rol­len­ver­tei­lung zu berück­sich­ti­gen: Die Künst­le­ri­sche Lei­tung ist für alle künst­le­ri­schen Inhal­te und Umset­zun­gen ver­ant­wort­lich, die Geschäfts­füh­rung für den orga­ni­sa­to­ri­schen und finan­zi­el­len Rahmen.

Aufhängung des Banners People’s Justice und nachfolgende Handlungen der documenta

Es ist unge­heu­er schmerz­lich – und ich möch­te noch­mals mein tiefs­tes Bedau­ern dar­über aus­drü­cken – dass das Ban­ner People‘s Jus­ti­ce von Taring Padi mit anti­se­mi­ti­schen Bild­mo­ti­ven über­haupt instal­liert wur­de. Dies hat auch mich zutiefst erschüt­tert. Die mehr­fa­chen inter­nen und öffent­li­chen Erläu­te­run­gen, wie es dazu kom­men konn­te, sowie die auf­rich­ti­gen Ent­schul­di­gun­gen von ruan­grupa und Taring Padi waren daher äußerst wichtig.

Nach Bekannt­wer­den der anti­se­mi­ti­schen Bild­mo­ti­ve auf dem Taring Padi Ban­ner, habe ich umge­hend gehan­delt und in Abstim­mung mit der Künst­le­ri­schen Lei­tung und Mit­glie­dern von Taring Padi ent­schie­den, das Ban­ner sofort abzu­de­cken. Eine Ent­fer­nung des Werks aus der Aus­stel­lung gegen den Wil­len der Künst­le­ri­schen Lei­tung und der Künstler*innen wäre als Ulti­ma Ratio ein erheb­li­cher Ein­griff in die Künst­le­ri­sche Frei­heit gewe­sen. Daher war eine sofor­ti­ge Rück­spra­che mit dem Auf­sichts­rat not­wen­dig, der sei­ne Rücken­de­ckung gege­ben hat, auch für den Fall, dass Tei­le der Künst­ler­schaft wegen Zen­sur­vor­wür­fen die Aus­stel­lung ver­las­sen hät­ten, wie es damals schon im Raum stand. ruan­grupa und Taring Padi jedoch haben die Deinstal­la­ti­on des Ban­ners mit­ge­tra­gen. Sie haben Ver­ant­wor­tung übernommen.

Da es nach die­sem Vor­fall nicht aus­ge­schlos­sen schien, dass es mög­li­cher­wei­se mehr Fehl­ein­schät­zun­gen oder im Pro­zess uner­kann­te Fäl­le von nicht trag­ba­ren Inhal­ten geben könn­te, habe ich wei­te­re Schrit­te ein­ge­lei­tet. Ziel war und ist es – koor­di­niert durch das docu­men­ta archiv – in Zusam­men­ar­beit und im Rah­men der Ver­ant­wor­tung der Kurator*innen und Künstler*innen zu prü­fen, ob wei­te­re anti­se­mi­ti­sche Inhal­te vor­han­den sind und neue aus­zu­schlie­ßen, da sich die Schau kon­zept­ge­mäß aktiv ver­än­dert und Akti­vie­run­gen stattfinden.

Um best­mög­lich zu unter­stüt­zen, wur­de und wird durch das docu­men­ta archiv ein Netz­werk aus exter­nem Berater*innen aus unter­schied­li­chen Wis­sen­schafts­be­rei­chen auf­ge­baut, das den Kurator*innen und Künstler*innen zur Sei­te steht. Dar­un­ter fin­den sich renom­mier­te Fach­wis­sen­schaft­le­rin­nen, die ihre Arbeit wie in der Wis­sen­schaft üblich pri­mär außer­halb der Öffent­lich­keit aus­füh­ren. Beglei­tend dazu wer­den Ergeb­nis­se und ver­tie­fen­de Fra­ge­stel­lun­gen in wei­te­ren Podi­en diskutiert.

Im Sin­ne der Gesamt­auf­stel­lung der docu­men­ta fif­teen, die Ade Darm­a­wan von ruan­grupa im Kul­tur­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges detail­liert erläu­tert hat, ist das Ver­fah­ren koope­ra­tiv ange­legt: Die Kurator*innen sind auf­ge­for­dert, Exper­ti­se aus die­sem Bera­tungs­netz­werk hin­zu­zie­hen, wenn sie selbst nicht abschlie­ßend bewer­ten kön­nen, ob ein für die Aus­stel­lung gedach­tes Werk eine Bild­spra­che ver­wen­det, die anti­se­mi­tisch ist. Die­ses koope­ra­ti­ve Ver­fah­ren wur­de den ange­frag­ten Expert*innen klar kom­mu­ni­ziert, genau­so wie die Arbeitsweise.

Für die bis­her öffent­lich in den Fokus gera­te­nen Wer­ke hat bereits eine Sich­tung mit­hil­fe der Kunsthistoriker*innen des docu­men­ta archivs und Fach­ex­per­ti­se aus dem Netz­werk statt­ge­fun­den. Straf­recht­li­che Stel­lung­nah­men aner­kann­ter Expert*innen, auch zu „People’s Jus­ti­ce“, lie­gen bereits vor oder sind beauf­tragt. Im Rah­men der übli­chen juris­ti­schen Vor­sicht kom­men sie zu dem Schluss, dass kei­ne Straf­bar­keit gege­ben ist. Der Befund ist, dass man über die Wer­ke zwar strei­ten kann, aber kei­ne wei­ter­ge­hen­den Maß­nah­men not­wen­dig sind, die über eine beglei­ten­de Ver­mitt­lung hinausgehen.

Der Dia­log mit der Öffent­lich­keit wur­de am 29. Juni 2022 mit der Podi­ums­dis­kus­si­on zu Anti­se­mi­tis­mus in der Kunst wei­ter­ge­führt, der eine Rei­he ver­tie­fen­der öffent­li­cher Gesprä­che fol­gen wer­den. Dar­über hin­aus wer­den gemein­sam mit zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­ren Begeg­nungs- und Infor­ma­ti­ons­mög­lich­kei­ten an zen­tra­ler Stel­le eta­bliert, an dem Besucher*innen, aber auch Künstler*innen in einen Dia­log zu Fra­gen des Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus kom­men kön­nen. Wei­te­re Koope­ra­ti­ons­pro­jek­te sind in Arbeit.

Blick zurück: Anti­se­mi­tis­mus-Vor­wür­fe seit Janu­ar 2022

Seit dem 10. Janu­ar 2022 stan­den – aus­ge­hend von einem Blog-Bei­trag zunächst pau­scha­le – Anti­se­mi­tis­mus-Vor­wür­fe gegen die docu­men­ta fif­teen und die Künst­le­ri­sche Lei­tung ruan­grupa im Raum: Ein­zel­ne Betei­lig­te stan­den auf­grund ihrer Her­kunft oder (ver­meint­li­chen) BDS-Nähe im Fokus. Ver­schie­de­ne Vor­wür­fe wur­den in der fol­gen­den media­len Debat­te zum Teil unhin­ter­fragt auf­ge­grif­fen und hoben das The­ma in die Feuil­le­tons und (kultur-)politischen Debatten.

Die Geschäfts­füh­rung der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH hat dar­auf­hin im Janu­ar 2022 umge­hend fol­gen­de Schrit­te eingeleitet:

Es gab eine Viel­zahl von Gesprä­chen mit ruan­grupa und Künstler*innen zur Auf­klä­rung und zur Aus­ein­an­der­set­zung mit den Vor­wür­fen ana­log zur von Ade Darm­a­wan beschrie­be­nen, künst­le­ri­schen Arbeits­wei­se der docu­men­ta fif­teen. Die­se knüpf­ten an die bereits bestehen­de Beschäf­ti­gung der Künst­le­ri­schen Lei­tung mit der Geschich­te Kas­sels und Deutsch­lands an.

Auf kom­mu­ni­ka­ti­ver Ebe­ne folg­ten meh­re­re Gegen­dar­stel­lun­gen und Erklä­run­gen aller Beteiligten.

In den Gesprä­chen im Janu­ar emp­fah­len Bund (BKM) und Land (HMWK) zusätz­lich, exter­ne Exper­ti­se ein­zu­ho­len. Dafür wur­de kein fest­ste­hen­des, beim Auf­sichts­rat ange­sie­del­tes Gre­mi­um, son­dern ein fünf­köp­fi­ges Berater*innen-Team zur Unter­stüt­zung der Künst­le­ri­schen Lei­tung und der Künstler*innen sowie der gGmbH ein­ge­setzt. Die Koor­di­na­ti­on über­nahm auf Emp­feh­lung unter ande­rem des BKM und in Abstim­mung mit dem Künst­le­ri­schen Team die Autorin und Kura­to­rin Emi­ly Dische-Becker. Die Auf­ga­ben: umfas­sen­de Bera­tung zu (auch media­len) Fra­gen mit Bezug zu Anti­se­mi­tis­mus und dem israe­lisch-paläs­ti­nen­si­schen Ver­hält­nis sowie umfas­sen­de Unter­stüt­zung bei der Pla­nung, Durch­füh­rung und Orga­ni­sa­ti­on der geplan­ten Expert*innen-Foren. Die rest­li­chen Mit­glie­der des Teams, u. a. Herr Dr. Anselm Fran­ke (damals Lei­ter des Bereichs Bil­den­de Kunst und Film, Haus der Kul­tu­ren der Welt, ab 1. August 2022 Pro­fes­sor für Cura­to­ri­al Stu­dies an der Zür­cher Hoch­schu­le der Küns­te) und Herrn Dr. Ofer Wald­mann (Autor, Red­ner und Bera­ter zu deutsch- bzw. euro­pä­isch-israe­li­schen Fra­ge­stel­lun­gen) wur­den von Frau Dische-Becker auf­ge­stellt. Dazu kam eine medi­en­recht­li­che Begleitung.

Im wei­te­ren Ver­lauf gab es fort­ge­setz­te Gesprä­che mit ver­schie­de­nen Betei­lig­ten, u. a. mit dem Auf­sichts­rat und der Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Clau­dia Roth. Im Aus­tausch mit Frau Roth haben Mit­glie­der von ruan­grupa sowie Künstler*innen umfang­reich zu ihrer Arbeit berichtet.

Die Emp­feh­lung von BKM, KSB und HMWK, in den wei­te­ren Dia­log zu gehen, wur­de gleich­falls auf­ge­grif­fen. Hier­zu hat die Künst­le­ri­sche Lei­tung unter dem Titel We need to talk Expert*innenforen vor­be­rei­tet, die mul­ti­per­spek­ti­visch ange­legt und durch Fachvertreter*innen, nicht durch insti­tu­tio­nel­le Repräsentant*innen besetzt sein soll­ten. Dazu gehör­ten auch Pro­fes­sor Meron Men­del und Hito Stey­erl, die sehr früh in die Ent­wick­lung der Rei­he ein­be­zo­gen waren. Zur Beset­zung der Podi­en wur­den Hin­wei­se von BKM und HMWK auf­ge­nom­men. 

In die­sem Zusam­men­hang fand auf Initia­ti­ve der Geschäfts­füh­rung außer­dem am 4. März 2022 ein fast zwei­stün­di­ges digi­ta­les Mee­ting mit dem Zen­tral­rat der Juden, nament­lich mit Herrn Dani­el Bot­mann, statt, bei dem die Kon­zep­ti­on der Aus­stel­lung und der geplan­ten Expert*innen-Foren erläu­tert wur­de. Dabei wur­de ver­deut­licht, dass es der Künst­le­ri­schen Lei­tung in die­sen Foren um die Mul­ti­per­spek­ti­vi­tät der Sicht­wei­sen ging, aber nicht dar­um, Repräsentant*innen aus Insti­tu­tio­nen spre­chen zu las­sen. Der Zen­tral­rat der Juden reagier­te nach der öffent­li­chen Vor­stel­lung der Rei­he mit einem in der Pres­se teil­wei­se bekannt­ge­wor­de­nen Brief an Frau Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Roth. In des­sen Fol­ge hat­ten meh­re­re Teilnehmer*innen der am dar­auf­fol­gen­den Sonn­tag begin­nen­den Rei­he Beden­ken, ob sie ihre Posi­ti­on frei ver­tre­ten könn­ten. Die Rei­he wur­de vor die­sem Hin­ter­grund aus­ge­setzt, soll­te aber wie­der auf­ge­nom­men werden.

Exter­nes Expert*innengremium und wei­te­re aktu­el­le Entwicklungen

Bei allen not­wen­di­gen Maß­nah­men darf eines nicht ver­ges­sen wer­den: Die Künst­le­ri­sche Lei­tung und die mitt­ler­wei­le 1.500 Künstler*innen haben bereits im Janu­ar nach Auf­kom­men der Anti­se­mi­tis­mus-Vor­wür­fe Zen­sur befürch­tet und des­we­gen ein exter­nes Expert*innengremium abge­lehnt. Sie sahen sich unter Gene­ral­ver­dacht gestellt und auf­grund ihrer Her­kunft, ihrer Haut­far­be, ihrer Reli­gi­on oder auch ihrer sexu­el­len Ori­en­tie­rung dif­fa­miert und zum Teil auch bedroht. Inso­fern gab es bereits im Janu­ar eine deut­li­che Abwehr­hal­tung gegen­über Ein­grif­fen in die Kunst.

Die in Tei­len der Medi­en und Poli­tik neu­er­lich erho­be­ne For­de­rung, durch ein exter­nes Expert*innengremium mit Ent­schei­dungs­be­fug­nis­sen die Aus­stel­lung über­prü­fen zu las­sen, hat vor die­sem Hin­ter­grund nicht nur zu Unstim­mig­kei­ten mit Herrn Prof. Meron Men­del, sei­nem per­sön­li­chen Rück­zug aus der Bera­tung und dem dar­an anknüp­fen­den Rück­zug der von dem teil­neh­men­den Künstler*innenkollektiv INLAND ein­ge­la­de­nen Künst­le­rin Hito Stey­erl geführt, son­dern auch das Ver­trau­ens­ver­hält­nis zu ruan­grupa und den Künstler*innen enorm belastet.

In die­sem Zusam­men­hang wei­se ich dar­auf hin, dass diver­se Dar­stel­lun­gen von Herrn Prof. Men­del zuletzt in ver­schie­de­nen Inter­views – u. a. im Spie­gel – von uns nicht nach­voll­zo­gen wer­den kön­nen. Exem­pla­risch zu nen­nen sind die Aus­sa­gen, es habe über einen Zeit­raum von zwei Wochen kei­nen Kon­takt gege­ben, die Auf­ga­be sei nicht klar gewe­sen, und nur auf sein nach­drück­li­ches Wir­ken hin habe ruan­grupa dem Podi­um Anti­se­mi­tis­mus in der Kunst bei­gewohnt. Die docu­men­ta hat seit dem erneu­ten Kon­takt mit Herrn Prof. Men­del bezüg­lich einer Bera­tung der Künst­le­ri­schen Lei­tung und der Künstler*innen im Juni durch die Geschäfts­füh­rung gemein­sam mit der Direk­to­rin des docu­men­ta archivs durch­weg Kon­takt zu die­sem gehabt. Die­ser lief zustän­dig­keits­hal­ber über die Direk­to­rin des docu­men­ta archivs die berech­tigt war, im Sin­ne der Geschäfts­füh­rung mit Herrn Prof. Men­del alle Fra­gen zu erör­tern. In die­sem Zusam­men­hang sind Herrn Prof. Men­del in der Woche ab dem 20. Juni 2022 sei­ne geplan­ten Auf­ga­ben kom­mu­ni­ziert wor­den. Die Ein­la­dung von ruan­grupa zu der Podi­ums-Dis­kus­si­on haben weder ich noch ande­re Mit­glie­der der docu­men­ta ver­hin­dern wol­len – ganz im Gegen­teil: Wir haben die­se Ein­la­dung aus frei­en Stü­cken selbst aus­ge­spro­chen und ruan­grupa ist die­ser auch unmit­tel­bar nachgekommen.

Vor dem Hin­ter­grund von Aus­sa­gen wie denen im HNA-Inter­view von Herrn Prof. Men­del vom 27. Juni 2022, in dem er auf die Fra­ge „Im schlimms­ten Fall wer­den die Wer­ke ent­fernt?“ mit „Genau. Das ist ein Instru­ment, das wir uns vor­be­hal­ten. Es ist auch mög­lich, Künst­le­rin­nen und Künst­ler aus­zu­la­den.“ ant­wor­te­te, ver­ste­hen die Künst­le­ri­sche Lei­tung, aber vor allem die Künstler*innen, inzwi­schen auch die selb­stän­di­ge Über­prü­fung durch Mit­glie­der von ruan­grupa, Artis­tic Team und den betrof­fe­nen Künstler*innen, bei der inter­ner und exter­ner Sach­ver­stand zur Unter­stüt­zung her­an­ge­zo­gen wer­den kann, als (Selbst-)Zensur.

Zudem ist durch Vor­fäl­le mit dis­kri­mi­nie­ren­den Inhal­ten, u. a. mit ras­sis­ti­schem und trans­pho­bem Hin­ter­grund, der Ein­druck ent­stan­den, in Kas­sel und Deutsch­land nicht will­kom­men oder sogar gefähr­det zu sein. Das Sicher­heits­be­dürf­nis ist hoch und die docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH hat des­we­gen umfang­rei­che Maß­nah­men ergrif­fen, um die­sem Sicher­heits­be­dürf­nis ent­ge­gen­zu­kom­men, u. a. wur­den ein zusätz­li­cher Sicher­heits­ko­or­di­na­tor ein­ge­setzt, wei­te­res Sicher­heits­per­so­nal beauf­tragt und Gesprä­che mit der Poli­zei geführt.

12.07.2022

documenta Geschäfts­führerin: documenta hat angemessene Maßnahmen nach Vorwürfen ergriffen

Pressemeldung documenta fifteen

Die Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Frau Dr. Sabine Schormann, erklärt:

In den vergangenen Wochen hat es in der Öffentlichkeit anhaltende Kritik am Umgang der documenta mit den erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen gegeben; insbesondere wurde behauptet, wir hätten zu wenig Maßnahmen eingeleitet.

wei­ter lesen 

Wir haben uns dar­auf kon­zen­triert im Sin­ne der docu­men­ta fif­teen, auf­zu­klä­ren und zu han­deln. Dies geht nur gemein­sam mit der Künst­le­ri­schen Lei­tung und den Künstler*innen. Dabei ist die Rol­len­ver­tei­lung zu berück­sich­ti­gen: Die Künst­le­ri­sche Lei­tung ist für alle künst­le­ri­schen Inhal­te und Umset­zun­gen ver­ant­wort­lich, die Geschäfts­füh­rung für den orga­ni­sa­to­ri­schen und finan­zi­el­len Rah­men.

Auf­hän­gung des Ban­ners People’s Jus­ti­ce und nach­fol­gen­de Hand­lun­gen der documenta

Es ist unge­heu­er schmerz­lich – und ich möch­te noch­mals mein tiefs­tes Bedau­ern dar­über aus­drü­cken – dass das Ban­ner People‘s Jus­ti­ce von Taring Padi mit anti­se­mi­ti­schen Bild­mo­ti­ven über­haupt instal­liert wur­de. Dies hat auch mich zutiefst erschüt­tert. Die mehr­fa­chen inter­nen und öffent­li­chen Erläu­te­run­gen, wie es dazu kom­men konn­te, sowie die auf­rich­ti­gen Ent­schul­di­gun­gen von ruan­grupa und Taring Padi waren daher äußerst wichtig.

Nach Bekannt­wer­den der anti­se­mi­ti­schen Bild­mo­ti­ve auf dem Taring Padi Ban­ner, habe ich umge­hend gehan­delt und in Abstim­mung mit der Künst­le­ri­schen Lei­tung und Mit­glie­dern von Taring Padi ent­schie­den, das Ban­ner sofort abzu­de­cken. Eine Ent­fer­nung des Werks aus der Aus­stel­lung gegen den Wil­len der Künst­le­ri­schen Lei­tung und der Künstler*innen wäre als Ulti­ma Ratio ein erheb­li­cher Ein­griff in die Künst­le­ri­sche Frei­heit gewe­sen. Daher war eine sofor­ti­ge Rück­spra­che mit dem Auf­sichts­rat not­wen­dig, der sei­ne Rücken­de­ckung gege­ben hat, auch für den Fall, dass Tei­le der Künst­ler­schaft wegen Zen­sur­vor­wür­fen die Aus­stel­lung ver­las­sen hät­ten, wie es damals schon im Raum stand. ruan­grupa und Taring Padi jedoch haben die Deinstal­la­ti­on des Ban­ners mit­ge­tra­gen. Sie haben Ver­ant­wor­tung übernommen.

Da es nach die­sem Vor­fall nicht aus­ge­schlos­sen schien, dass es mög­li­cher­wei­se mehr Fehl­ein­schät­zun­gen oder im Pro­zess uner­kann­te Fäl­le von nicht trag­ba­ren Inhal­ten geben könn­te, habe ich wei­te­re Schrit­te ein­ge­lei­tet. Ziel war und ist es – koor­di­niert durch das docu­men­ta archiv – in Zusam­men­ar­beit und im Rah­men der Ver­ant­wor­tung der Kurator*innen und Künstler*innen zu prü­fen, ob wei­te­re anti­se­mi­ti­sche Inhal­te vor­han­den sind und neue aus­zu­schlie­ßen, da sich die Schau kon­zept­ge­mäß aktiv ver­än­dert und Akti­vie­run­gen stattfinden.

Um best­mög­lich zu unter­stüt­zen, wur­de und wird durch das docu­men­ta archiv ein Netz­werk aus exter­nem Berater*innen aus unter­schied­li­chen Wis­sen­schafts­be­rei­chen auf­ge­baut, das den Kurator*innen und Künstler*innen zur Sei­te steht. Dar­un­ter fin­den sich renom­mier­te Fach­wis­sen­schaft­le­rin­nen, die ihre Arbeit wie in der Wis­sen­schaft üblich pri­mär außer­halb der Öffent­lich­keit aus­füh­ren. Beglei­tend dazu wer­den Ergeb­nis­se und ver­tie­fen­de Fra­ge­stel­lun­gen in wei­te­ren Podi­en diskutiert.

Im Sin­ne der Gesamt­auf­stel­lung der docu­men­ta fif­teen, die Ade Darm­a­wan von ruan­grupa im Kul­tur­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges detail­liert erläu­tert hat, ist das Ver­fah­ren koope­ra­tiv ange­legt: Die Kurator*innen sind auf­ge­for­dert, Exper­ti­se aus die­sem Bera­tungs­netz­werk hin­zu­zie­hen, wenn sie selbst nicht abschlie­ßend bewer­ten kön­nen, ob ein für die Aus­stel­lung gedach­tes Werk eine Bild­spra­che ver­wen­det, die anti­se­mi­tisch ist. Die­ses koope­ra­ti­ve Ver­fah­ren wur­de den ange­frag­ten Expert*innen klar kom­mu­ni­ziert, genau­so wie die Arbeitsweise.

Für die bis­her öffent­lich in den Fokus gera­te­nen Wer­ke hat bereits eine Sich­tung mit­hil­fe der Kunsthistoriker*innen des docu­men­ta archivs und Fach­ex­per­ti­se aus dem Netz­werk statt­ge­fun­den. Straf­recht­li­che Stel­lung­nah­men aner­kann­ter Expert*innen, auch zu „People’s Jus­ti­ce“, lie­gen bereits vor oder sind beauf­tragt. Im Rah­men der übli­chen juris­ti­schen Vor­sicht kom­men sie zu dem Schluss, dass kei­ne Straf­bar­keit gege­ben ist. Der Befund ist, dass man über die Wer­ke zwar strei­ten kann, aber kei­ne wei­ter­ge­hen­den Maß­nah­men not­wen­dig sind, die über eine beglei­ten­de Ver­mitt­lung hinausgehen.

Der Dia­log mit der Öffent­lich­keit wur­de am 29. Juni 2022 mit der Podi­ums­dis­kus­si­on zu Anti­se­mi­tis­mus in der Kunst wei­ter­ge­führt, der eine Rei­he ver­tie­fen­der öffent­li­cher Gesprä­che fol­gen wer­den. Dar­über hin­aus wer­den gemein­sam mit zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­ren Begeg­nungs- und Infor­ma­ti­ons­mög­lich­kei­ten an zen­tra­ler Stel­le eta­bliert, an dem Besucher*innen, aber auch Künstler*innen in einen Dia­log zu Fra­gen des Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus kom­men kön­nen. Wei­te­re Koope­ra­ti­ons­pro­jek­te sind in Arbeit.

09.07.2022

Redebeitrag von Ade Darmawan (ruangrupa) im Ausschuss für Kultur und Medien, Deutscher Bundestag, 6. Juli 2022

Dies ist eine Tran­skrip­ti­on der im Bun­des­tag vor­ge­tra­ge­nen Simultanübersetzung.

News documenta fifteen

Guten Tag, sehr geehr­te Abge­ord­ne­te des Deut­schen Bun­des­tags,
ich bin Ade Darm­a­wan und ste­he heu­te vor Ihnen als Ver­tre­ter von ruangrupa.

Ich möch­te die­se Anhö­rung in der Aus­schuss­sit­zung mit einem Bezug auf die Geschich­te begin­nen. 1955 grün­de­te Arnold Bode die docu­men­ta in Kas­sel, um die durch den Zwei­ten Welt­krieg ent­stan­de­nen Wun­den zu hei­len. Eini­ge Mona­te zuvor im glei­chen Jahr hat in Bandung, Indo­ne­si­en, eine Grup­pe von poli­ti­schen Füh­rern die­ser Welt gemein­sam mit der Asi­en-Afri­ka-Kon­fe­renz den Grund­stein für das gelegt, was spä­ter als die Bewe­gung der block­frei­en Staa­ten bekannt wurde.

wei­ter lesen 

In die­ser wich­ti­gen Kon­fe­renz wur­de dar­über dis­ku­tiert, wie man auf den Rui­nen, die der Kolo­nia­lis­mus hin­ter­las­sen hat, Unab­hän­gig­keit schaf­fen könnte.

Wir glau­ben, dass wir die­se bei­den his­to­ri­schen Ereig­nis­se, die im glei­chen Jahr statt­ge­fun­den haben, hier nen­nen soll­ten, da sie uns zei­gen, wie auf unter­schied­li­che Wei­sen auf die Grau­sam­kei­ten des Krie­ges reagiert wurde.

Die docu­men­ta fif­teen wur­de vol­ler Freu­de eröff­net. Es war ein lan­ger Weg bis zu die­ser Eröff­nung, der von ver­schie­de­nen Her­aus­for­de­run­gen beglei­tet war, ange­fan­gen von der Coro­na-Pan­de­mie bis zu den Vor­wür­fen des Anti­se­mi­tis­mus, die wäh­rend der letz­ten sechs Mona­te vor der Eröff­nung gegen uns erho­ben wurden.

Wäh­rend die­ser schwie­ri­gen Situa­ti­on hat­ten wir immer die Hoff­nung, dass die Eröff­nung der docu­men­ta fif­teen für das Ent­ste­hen und den Wert unse­rer kol­lek­ti­ven Arbeit wäh­rend der gesam­ten Vor­be­rei­tungs­zeit ein deut­li­cher Beweis sein wür­de. Und zugleich hoff­ten wir, dass damit der Moment gekom­men sei, in dem wir gemein­sam Wahr­hei­ten aus­spre­chen und uns künf­tig wech­sel­sei­tig ver­ste­hen können.

Im Fol­gen­den möch­te ich die Haupt­the­men auf­grei­fen: das Werk mit dem Titel People’s Jus­ti­ce von Taring Padi und den lan­gen Weg des lum­bung-Pro­zes­ses. Aber zuvor mögen Sie mir in Ver­tre­tung für ruan­grupa erlau­ben, unse­re Bit­te der Ent­schul­di­gung hier noch­mals zu äußern. Wie es auch schon in unse­rer Online-Erklä­rung heißt, ent­schul­di­gen wir uns für den Schmerz und die Angst, die die anti­se­mi­ti­schen Ele­men­te in der Arbeit bei all den­je­ni­gen her­vor­ge­ru­fen haben, die sie direkt vor Ort oder in den Repro­duk­tio­nen der Medi­en­be­richt­erstat­tung gese­hen haben.

Des­halb bin ich hier, um ihre Fra­gen zu beant­wor­ten. War­um und wie es dazu kom­men konn­te, dass das Ban­ner People’s Jus­ti­ce von Taring Padi aus­ge­stellt wur­de, ohne dass jemand von uns besag­te anti­se­mi­ti­sche Bild­spra­che auf­fiel. Die­se Fra­ge möch­te ich auf ver­schie­de­ne Wei­se beantworten.

Für uns ist es sehr wich­tig, mit­tels der Wer­ke von Taring Padi über den geschicht­li­chen Kon­text Indo­ne­si­ens zu erzäh­len und hier­bei auch die frü­hen Wer­ke der Grup­pe mit ein­zu­be­zie­hen, die sie in den Jah­ren um den Fall des Suhar­to-Regimes und den Beginn der Reform-Peri­ode, also nach 1998, gemacht haben, denn dies ist auch die Ära, in der ruan­grupa gegrün­det wurde.

Es gab lei­der prak­ti­sche Pro­ble­me beim Auf­bau des Gerüs­tes und mit dem Mate­ri­al des Ban­ners, so dass es wäh­rend der Pre­view-Tage noch nicht zu sehen war. Das Ban­ner war in der­art schlech­tem Zustand, dass es repa­riert wer­den muss­te und somit erst mit der Eröff­nung auf­ge­hängt wer­den konn­te. Das kol­lek­tiv her­ge­stell­te Ban­ner, an dem damals, vor 20 Jah­ren, mehr als 20 Per­so­nen gleich­zei­tig gear­bei­tet haben, ent­hält in den betref­fen­den Abschnit­ten Ele­men­te, die tief in die Geschich­te und Bild­spra­che Indo­ne­si­ens ein­ge­bet­tet sind.

Zur Geschich­te gehört, dass west­li­che Geheim­diens­te im Namen des Anti­kom­mu­nis­mus das gewalt­tä­ti­ge Suhar­to-Regime unter­stütz­ten, das zwi­schen 500.000 und einer Mil­lio­nen Men­schen ermor­de­te. Zu unse­rer Geschich­te gehö­ren auch Jahr­hun­der­te der Aus­beu­tung durch euro­päi­sche Impe­ri­en, ins­be­son­de­re die Nie­der­lan­de, auf deren Herr­schaft die­je­ni­ge Japans wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs folgte.

Teil der kolo­nia­lis­ti­schen Gewalt war ein Gegen­ein­an­der-Aus­spie­len ver­schie­de­ner Grup­pen nicht-wei­ßer Men­schen. Sie wis­sen wahr­schein­lich, dass im Fall von Indo­ne­si­en ein Unter­schied zwi­schen Indi­ge­nen Indonesier*innen und der chi­ne­si­schen Min­der­heit kon­stru­iert wur­de. Hier­bei haben nie­der­län­di­sche Offi­zie­re, wie Sie viel­leicht wis­sen, euro­päi­sche anti­se­mi­ti­sche Ideen und Bil­der auf die chi­ne­si­sche Min­der­heit über­tra­gen und sie in einer Wei­se dar­ge­stellt, wie Europäer*innen Juden beschrie­ben haben.

Es ist erschre­ckend und beschä­mend für uns, dass hier heut­zu­ta­ge der Zyklus der Über­tra­gung wei­ter voll­endet wur­de. Ein in Euro­pa ent­stan­de­nes Bild wur­de auf völ­lig inak­zep­ta­ble Wei­se unse­rem kul­tu­rel­len Kon­text ange­passt. Ein Pro­zess, über den wir gemein­sam nach­den­ken soll­ten. Unser kura­to­ri­scher Ansatz ist kein klas­si­scher auto­ri­tä­rer Ansatz, der die vol­le Kon­trol­le über die Ele­men­te der Arbeit bei der Schaf­fung der Aus­stel­lung aus­übt. Wir zie­hen es vor, zusammenzuarbeiten.

Die Künstler*innen sol­len das wei­ter­füh­ren kön­nen, was Teil ihres bis­he­ri­gen krea­ti­ven Pro­zes­ses war, um es dann in den Kas­se­ler Kon­text zu über­set­zen – und zwar nicht auf extrak­ti­ve, son­dern auf rege­ne­ra­ti­ve Wei­se. Wir sind in einer stän­di­gen Dis­kus­si­on mit den Künstler*innen über ihre Ethik, Poli­tik, ihre Pro­zes­se und Arbeitsweisen.

Oft laden unse­re Kooperationspartner*innen wei­te­re Partner*innen ein. Wir ver­trau­en bei die­sem Pro­zess abso­lut auf unse­re Partner*innen und dies kann zu Wer­ken füh­ren, die uns manch­mal selbst über­ra­schen. Ent­schei­dun­gen wer­den gemein­sam in der Ver­samm­lung dis­ku­tiert und getrof­fen. In die­ser Kol­lek­ti­vi­tät liegt unser kura­to­ri­scher Ansatz, und im lum­bung trägt das Kol­lek­tiv die Verantwortung.

Wir ver­ste­hen dies als ein poli­ti­sches Unter­fan­gen, bei dem kol­lek­ti­ves Han­deln, Ent­schei­den und Ver­wal­ten als Alter­na­ti­ve zu auto­ri­tä­ren Arbeits­for­men fun­gie­ren. Es ist also eine Dezen­tra­li­sie­rung der künst­le­ri­schen Lei­tung. Mit allen, mit denen wir zusam­men­ar­bei­ten und die in die­sem Pro­zess betei­ligt sind, haben wir ver­sucht, die Rol­le der künst­le­ri­schen Lei­tung auf der docu­men­ta fif­teen zu dezentralisieren.

Unse­re Ergeb­nis­se wer­den, wie der Strom an Besucher*innen bis jetzt zeigt, von Tau­sen­den von Besu­chen­den geschätzt. Die­ser Erfolg wäre uns ohne unser Expe­ri­men­tie­ren mit einem demo­kra­ti­sche­ren Pro­zess bei der Rea­li­sie­rung der Aus­stel­lung nicht mög­lich gewe­sen. Wir wis­sen, dass dies ein Risi­ko ist, wir sind es aber bewusst ein­ge­gan­gen, da unse­rer Auf­fas­sung nach Feh­ler immer auch Lern­mo­men­te in sich ber­gen kön­nen. Bei Abwä­gung aller Umstän­de war das Abhän­gen des Groß­bil­des People’s Jus­ti­ce für uns der ein­zig rich­ti­ge Schritt. Bei den vie­len Her­aus­for­de­run­gen, mit denen wir in den Mona­ten vor der Eröff­nung kon­fron­tiert waren, möch­ten wir dar­auf hin­wei­sen, dass mit ihnen auch eine Flut unbe­grün­de­ter Anschul­di­gun­gen und Angrif­fe ver­bun­den war – was zwei­fel­los zu einer Atmo­sphä­re führ­te, in der am Ende nicht die lum­bung-Wer­te, ins­be­son­de­re das wech­sel­sei­ti­ge Ler­nen mit Respekt vor­ein­an­der, prak­ti­ziert wur­den, son­dern ein Impuls zum Ver­hör, zum Aus­schluss und zur Zen­sur. Wir möch­ten die­se Gele­gen­heit nut­zen, um die brei­te­re Öffent­lich­keit dar­über zu infor­mie­ren, dass wir, ruan­grupa, das Künst­le­ri­sche Team, zusam­men mit unse­ren Partner*innen, Künstler*innen und Team­mit­glie­dern, die für die docu­men­ta fif­teen arbei­ten, infol­ge die­ses Kli­mas bis heu­te auf meh­re­ren Ebe­nen Beläs­ti­gun­gen erle­ben, phy­sisch und digital.

Wir sehen es als eine gro­ße Haus­auf­ga­be für die Geschäfts­füh­rung und auch für uns, dass wir bis zum Ende die­ser 100 Tage die Sicher­heit aller Betei­lig­ten gewähr­leis­ten. Las­sen Sie mich bit­te auch noch Fol­gen­des sagen: Die Anschul­di­gun­gen gegen uns sind falsch, hät­te man Gesprä­chen aus­rei­chend Raum und Zeit gege­ben, zwi­schen uns, den Künstler*innen und Team­mit­glie­dern, hät­te der Geist der Gleich­be­rech­ti­gung auf­recht erhal­ten wer­den können.

Dia­log und Ver­trau­en soll­te, im Sin­ne der We need to talk!-Rei­he, den Vor­rang gegen­über Kon­fron­ta­ti­on und Miss­trau­en erhal­ten, um zu einem pro­duk­ti­ven und offe­nen Dis­kurs über Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus in Kunst und Gesell­schaft zu kom­men. Denn auch das möch­te ich klar­stel­len: Es gibt kei­nen stil­len Boy­kott gegen Israe­lis und oder Juden. Tat­säch­lich zeigt die docu­men­ta fif­teen sowohl israe­li­sche als auch jüdi­sche Künstler*innen, die hier ihrem Wunsch gemäß nicht nament­lich genannt werden.

Wir haben unse­re Rol­le hier nie so ver­stan­den, dass wir natio­na­le Ver­tre­tun­gen ein­brin­gen oder die Aus­wahl auf der Basis eth­ni­scher oder reli­giö­ser Iden­ti­tä­ten tref­fen. Die meis­ten von uns arbei­ten und ent­wi­ckeln das lum­bung-Kon­zept und sei­ne Pra­xis, gera­de weil wir das Arbeits­sys­tem und die Poli­tik des Natio­nal­staats in Fra­ge stellen.

Künstler*innen arbei­ten dar­an, sich von natio­na­len, staat­li­chen, eth­ni­schen und reli­giö­sen Bin­dun­gen und Iden­ti­tä­ten zu lösen und sie wei­gern sich, mit ihnen in Ver­bin­dung gebracht zu werden.

Die­je­ni­gen von uns, die auf der docu­men­ta fif­teen aus­stel­len, dar­un­ter ruan­grupa, kom­men aus Kon­tex­ten, in denen es oft zu Zen­sur kommt. Es war von Anfang an unse­re Absicht, die Mei­nungs­frei­heit durch die docu­men­ta fif­teen zu fei­ern. Das ist nicht nur für die lum­bung- und die docu­men­ta-Com­mu­ni­ty wich­tig, son­dern für alle Kämp­fe welt­weit, die kri­ti­sche Stim­men gegen staat­li­che Gewalt und Kapi­ta­lis­mus unter­stüt­zen, die wie­der­um die Kli­ma­kri­se aus­ge­löst haben, die gleich­zei­tig eine Bedro­hung für und auch in Deutsch­land darstellt.

Wir ver­ste­hen, dass sich die­se Mei­nungs­frei­heit trotz die­ser Über­zeu­gung nicht auf Din­ge erstre­cken soll­te, die belei­di­gend oder auf­rüh­re­risch oder auf­het­zend sind.

Daher hof­fen wir auf­rich­tig, dass alles, was nach der Zen­sur, dem Ver­stum­men von Stim­men und der Repro­duk­ti­on von Trau­ma­ta aus­sieht, mit denen wir täg­lich kon­fron­tiert sind, nicht pas­siert. Obwohl wir aus unse­ren Feh­lern ler­nen wol­len, ist es wich­tig, sich dar­an zu erin­nern, dass wir auch hier sind, um unse­re Per­spek­ti­ven, Erfah­run­gen und unser Wis­sen zu tei­len. Las­sen Sie mich abschlie­ßend sagen, dass es hier nicht dar­um geht, dass der glo­ba­le Süden dem glo­ba­len Nor­den fremd ist oder von ihm getrennt. Seit Jahr­hun­der­ten leben Europäer*innen Sei­te an Sei­te mit dem soge­nann­ten glo­ba­len Süden, von der Kolo­ni­al­zeit über die Ära der Expan­si­on des Kapi­ta­lis­mus bis heu­te. Eine fal­sche Gegen­über­stel­lung, die die docu­men­ta fif­teen als Aus­stel­lung sieht, die nur die Stim­men des glo­ba­len Südens reprä­sen­tiert, wür­de die Ideen und Dis­kus­sio­nen, die wir inner­halb des lum­bung und in der Aus­stel­lung auf­ge­wor­fen haben, ver­kürzt darstellen.

Mit der lum­bung-Metho­de hof­fen wir auf wei­te­re Gesprä­che dar­über, wie wir alle ler­nen zu tei­len und mit Men­schen aus unter­schied­li­chen, aber mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Kos­mo­lo­gien zusam­men­le­ben kön­nen. Wir hof­fen, dass wir die­ses gro­ße Poten­zi­al bis zum Ende der 100-tägi­gen Aus­stel­lung, auch vor allem in der Zeit danach, aus­schöp­fen kön­nen. Danke.

29.06.2022

Die früheren Kasseler Oberbürgermeister Hans Eichel, Wolfram Bremeier, Bertram Hilgen und der amtierende Oberbürgermeister Christian Geselle haben gerade eine gemeinsame Erklärung in der aktuellen documenta-Debatte abgegeben. Hier der Wortlaut:

Stadt Kassel (https://www.facebook.com/stadtkassel/)

Die docu­men­ta schützen!

1. Die Unterzeichner bekennen sich zu den Prinzipien, die die documenta in den vergangenen Jahrzehnten zur weltweit bedeutendsten Ausstellung moderner Kunst gemacht haben: Völlige Unabhängigkeit von politischem Einfluss, Garantie der künstlerischen Freiheit, Globalität als Ziel und Anspruch.

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2. Die­ses Bekennt­nis gilt auch und gera­de in schwie­ri­gen Zei­ten. Und die docu­men­ta fif­teen durch­lebt in die­sen Tagen wahr­lich schwie­ri­ge Wochen. Die Prä­sen­ta­ti­on der Arbeit „People´s Jus­ti­ce“ des indo­ne­si­schen Künst­ler­kol­lek­ti­ves Taring Padi auf dem Fried­richs­platz war ein schwe­rer Feh­ler. Anti­se­mi­tis­mus hat kei­nen Platz auf der docu­men­ta. Die Ver­ant­wort­li­chen haben rich­tig reagiert: Das Bild wur­de zunächst ver­hüllt, dann abge­nom­men. Ruan­grupa, Taring Padi und die Gene­ral­di­rek­to­rin haben um Ent­schul­di­gung gebeten.
Es wird über­prüft, ob ande­re anti­se­mi­ti­sche Kunst­wer­ke gezeigt wer­den. Durch eine Dis­kus­si­ons­rei­he, die in die­ser Woche begon­nen hat, wird die Pro­ble­ma­tik öffent­lich auf­ge­ar­bei­tet. Die docu­men­ta fif­teen wird durch die­sen schwe­ren Feh­ler in ihrer Gesamt­heit nicht infi­ziert. Ein Gene­ral­ver­dacht die­ser Art ist nicht gerecht­fer­tigt und unan­ge­mes­sen. Das bele­gen auch die erfreu­li­chen Besu­cher­zah­len und die durch­weg posi­ti­ve Bewer­tung der Aus­stel­lung durch die Docu­men­ta-Gäs­te. Das Kunst­pu­bli­kum bil­det sich sei­ne Mei­nung durch eige­ne Anschau­ung und nicht auf der Grund­la­ge der Bewer­tung Drit­ter. Auch die inter­na­tio­na­le Pres­se wür­digt die Aus­stel­lung sehr positiv.
3. Wir sind ent­täuscht von der Eröff­nungs­re­de des Bun­des­prä­si­den­ten. Wir bewer­ten die Begrün­dung des Bun­des­kanz­lers für sei­ne Wei­ge­rung, die Aus­stel­lung zu besu­chen, als pau­scha­le Vor­ver­ur­tei­lung und daher unan­ge­mes­sen. Es wäre zu begrü­ßen, wenn der Bun­des­kanz­ler sei­ne Hal­tung noch­mals über­denkt. Wir laden ihn herz­lich zu einem Besuch der docu­men­ta fif­teen ein.
4. Die Unter­zeich­ner leh­nen den sog. 5‑Punk­te-Plan, den die Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en Clau­dia Roth kürz­lich vor­ge­legt hat, als Angriff auf die docu­men­ta ent­schie­den ab. Im Kern geht es der Beauf­trag­ten um mehr Ein­fluss des Bun­des auf die Ent­schei­dun­gen der docu­men­ta-GmbH. Begrün­det wird dies u.a. damit, „dass die vor allem loka­le Ver­ant­wort­lich­keit der docu­men­ta in einem Miss­ver­hält­nis zu deren Bedeu­tung … steht.“ Mit ande­ren Wor­ten: Kas­sel ist zu pro­vin­zi­ell und muss künf­tig durch das klü­ge­re, welt­ge­wand­te Ber­lin an die Hand genom­men werden.
Die­se Hal­tung ist Aus­druck kaum zu über­bie­ten­der Arro­ganz und über­sieht, dass sich die docu­men­ta in ihrer über 60jährigen Geschich­te in „loka­ler Ver­ant­wort­lich­keit“ zu dem ent­wi­ckelt hat, was sie heu­te ist – und das ohne oder nur mit sehr beschei­de­ner finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung durch den Bund.
Es ist auch kei­nes­wegs so, dass dort, wo sich der Bund ent­ge­gen der in der Ver­fas­sung ver­an­ker­ten Kul­tur­ho­heit der Län­der um gro­ße Pro­jek­te inten­siv geküm­mert hat, durch­weg gute Ergeb­nis­se pro­du­ziert wor­den wären.
Die in dem 5‑Punk­te-Plan offen aus­ge­spro­che­ne Dro­hung: Ohne mehr Ein­fluss kein Geld! muss uns nicht schre­cken. Die docu­men­ta könn­te im Zwei­fel auch ohne die beschei­de­nen Bun­des­mit­tel finan­ziert wer­den. Kas­sel ist dar­auf nicht ange­wie­sen. Soll­te die Beauf­trag­te auf die­sem Junk­tim bestehen, muss die Stadt sie auf­for­dern, die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung umge­hend und voll­stän­dig ein­zu­stel­len – und künf­tig in öffent­li­cher Funk­ti­on zur docu­men­ta zu schweigen.
5. Wir wür­den es sehr begrü­ßen, wenn der neue Hes­si­sche Minis­ter­prä­si­dent, der die docu­men­ta fif­teen aus sei­ner Zeit als Hes­si­scher Minis­ter für Wis­sen­schaft und Kunst und zugleich stell­ver­tre­ten­der Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der docu­men­ta-GmbH gut kennt, sei­ne Kabi­netts­kol­le­gin Ange­la Dorn dar­auf hin­weist, dass eine Zan­ge Ber­lin-Wies­ba­den, die ver­sucht, Kas­sel unter Druck zu set­zen, nicht im Inter­es­se des Lan­des lie­gen kann. Dafür gibt es unab­hän­gig von der docu­men­ta zu vie­le gemein­sam getra­ge­ne Kul­tur­ein­rich­tun­gen in Kas­sel, die auf eine gedeih­li­che Zusam­men­ar­beit von Stadt und Land ange­wie­sen sind.
6. Die Ein­be­ru­fung einer Exper­ten­kom­mis­si­on, wie sie die bei­den Minis­te­rin­nen zu Beginn des Jah­res gefor­dert und jetzt erneut the­ma­ti­siert haben, mit dem Ziel, die Kunst­wer­ke vor­ab zu bewer­ten, hät­te die Arbeit des Kura­to­ren­teams grund­sätz­lich infra­ge gestellt und wäre einer Zen­sur sehr nahe gekom­men. Es war rich­tig, die­ses Ansin­nen zurückzuweisen.
7. Wir unter­stüt­zen das Kura­to­ren­team, die Künst­le­rin­nen und Künst­ler, die Gene­ral­di­rek­to­rin und alle Mit­ar­bei­ten­den der docu­men­ta fif­teen dabei, einen inspi­rie­ren­den docu­men­ta-Som­mer zu gestal­ten, die Aus­stel­lung zu einem ins­ge­samt erfolg­rei­chen Abschluss am 25. Sep­tem­ber zu füh­ren und bedan­ken uns für ihren Ein­satz und ihr Enga­ge­ment. Nach dem Ende der docu­men­ta fif­teen, nicht frü­her, ist Zeit und Gele­gen­heit, über evtl. Ver­än­de­run­gen zu sprechen.

24.06.2022

Statement von Taring Padi zum Abbau des Banners „People’s Justice“

Pressemeldung documenta fifteen

Wir bedauern zutiefst, in welchem Ausmaß die Bildsprache unserer Arbeit People’s Justice so viele Menschen beleidigt hat. Wir entschuldigen uns bei allen Zuschauer*innen und Mitarbeiter*innen der documenta fifteen, der Öffentlichkeit in Deutschland und insbesondere der jüdischen Gemeinde. Wir haben aus unserem Fehler gelernt und erkennen jetzt, dass unsere Bildsprache im historischen Kontext Deutschlands eine spezifische Bedeutung bekommen hat. Daher haben wir das Banner zusammen mit der documenta fifteen entfernt.

wei­ter lesen 

Als Kol­lek­tiv von Künstler*innen, die Ras­sis­mus jeg­li­cher Art ver­ur­tei­len, sind wir scho­ckiert und trau­rig über die media­le Bericht­erstat­tung, die uns als anti­se­mi­tisch bezeich­net. Mit Nach­druck möch­ten wir unse­ren Respekt für alle Men­schen bekräf­ti­gen, unab­hän­gig von ihrer eth­ni­schen Zuge­hö­rig­keit, Race, Reli­gi­on, Gen­der oder ihrer Sexua­li­tät. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis unse­rer Bild­spra­che wol­len wir auf den inhalt­li­chen Bezug zur indo­ne­si­schen Geschich­te und Ent­ste­hung unse­res Kunst­werks eingehen.

Das acht mal zwölf Meter gro­ße Ban­ner People’s Jus­ti­ce wur­de 2002 in Yog­ya­kar­ta, Indo­ne­si­en, von zahl­rei­chen Mit­glie­dern unse­res Kol­lek­tivs gemein­sam erstellt. Das Bild ent­stand vor dem Hin­ter­grund der schwie­ri­gen Lebens­be­din­gun­gen, die wir unter einer Mili­tär­dik­ta­tur erfah­ren hat­ten, in der Gewalt, Aus­beu­tung und Zen­sur an der Tages­ord­nung waren. Wie vie­le unse­re Kunst­wer­ke ver­sucht das Ban­ner, die kom­ple­xen Macht­ver­hält­nis­se auf­zu­de­cken, die hin­ter die­sen Unge­rech­tig­kei­ten ste­hen. Ins­be­son­de­re geht es um den Mas­sen­mord an mehr als 500.000 Men­schen in Indo­ne­si­en im Jahr 1965, der bis heu­te nicht auf­ge­ar­bei­tet wurde.

In der Zeit des Kal­ten Krie­ges, nach dem anti­kom­mu­nis­ti­schen Krieg in Korea und wäh­rend des Krie­ges in Viet­nam, wur­de der Staats­streich Suhar­tos und die anschlie­ßen­de Ein­set­zung sei­nes Regimes von vie­len Län­dern unter­stützt. Ver­schie­de­ne west­li­che Demo­kra­tien, dar­un­ter unser ehe­ma­li­ger Kolo­ni­al­herr, bevor­zug­ten – offen oder heim­lich – ein Mili­tär­re­gime statt einer jun­gen demo­kra­ti­schen Repu­blik, die enge Bezie­hun­gen zu ande­ren sozia­lis­ti­schen und kom­mu­nis­ti­schen Län­dern in der Regi­on auf­ge­baut hat­te. Die CIA und ande­re Geheim­diens­te lie­fer­ten angeb­lich Waf­fen und Informationen.

Das Ban­ner People’s Jus­ti­ce insze­niert die­se inne­ren und äuße­ren Macht­ver­hält­nis­se in einer bild­haf­ten Sze­ne und ver­sucht, die kom­ple­xen his­to­ri­schen Umstän­de durch eine Bild­spra­che ein­zu­fan­gen, die eben­so ver­stö­rend ist wie die Rea­li­tät der Gewalt selbst. Es ist wahr, dass die Form der Dar­stel­lung aus Ent­täu­schung, Frus­tra­ti­on und Wut poli­ti­sier­ter Kunststudent*innen stammt, die kurz zuvor vie­le ihrer Freun­de in den Stra­ßen­kämp­fen von 1998 ver­lo­ren hat­ten – einem Auf­stand, der schließ­lich zum Rück­tritt des Dik­ta­tors führte.

Die von uns ver­wen­de­te Bild­spra­che ist jedoch nie aus Hass gegen eine bestimm­te eth­ni­sche oder reli­giö­se Grup­pe ent­stan­den, son­dern als Kri­tik an Mili­ta­ris­mus und staat­li­cher Gewalt gedacht. Wir bedau­ern, dass wir eine mög­li­che Betei­li­gung der Regie­rung des Staa­tes Isra­el so völ­lig unan­ge­mes­sen dar­ge­stellt haben – und ent­schul­di­gen uns auf­rich­tig dafür. Anti­se­mi­tis­mus hat weder in unse­ren Gefüh­len noch in unse­ren Gedan­ken einen Platz.

Wir sind zur docu­men­ta fif­teen gekom­men, um die glo­ba­len Bemü­hun­gen zu unter­stüt­zen, sich mit dem kolo­nia­len Erbe aus­ein­an­der­zu­set­zen. Wir begrü­ßen den Mut der docu­men­ta fif­teen und die Visi­on von ruan­grupa, die­ses Erbe zu hin­ter­fra­gen, das zu staat­lich unter­stütz­tem Auto­ri­ta­ris­mus und Gewalt geführt hat. Wir sind über­zeugt, dass ein offe­ner und ehr­li­cher Dia­log der bes­te Ansatz ist, um Lösun­gen zu fin­den und gemein­sam zu han­deln. In den letz­ten Tagen kamen vie­le Besucher*innen in unse­re Aus­stel­lung im Hal­len­bad Ost, um unse­re Kunst­wer­ke zu sehen und sich mit ihnen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Vie­le von ihnen haben sich die Zeit genom­men, mit uns zu spre­chen und sowohl ihre Wert­schät­zung als auch ihre Kri­tik zu über­mit­teln, und wir hof­fen, dass dies so bleibt.

23.06.2022

ruangrupa und das Künstlerische Team über den Abbau von „People’s Justice“

Pressemeldung documenta fifteen

Trotz teils heftiger Kontroversen im Vorfeld eröffnete die documenta fifteen mit einer Woche voller Freude, Hoffnung und Austausch und einer einzigartigen Atmosphäre in der ganzen Stadt Kassel. Unser Dank gilt dem gesamten Team der documenta, der lumbung-Community und allen, die uns seit vergangener Woche besucht und damit zum Gelingen unserer kollektiven Arbeiten und des kollektiven Prozesses beigetragen haben. Wir danken auch den zahlreichen Menschen, die uns willkommen geheißen haben und der documenta fifteen mit offenen Augen und Herzen begegnet sind. Dies gilt insbesondere für all die wunderbaren Menschen, die diese Ausstellung in unterschiedlichen Funktionen möglich machen, von den Ticketverkäufer*innen bis zu den Aufsichten.

wei­ter lesen 

Umso grö­ßer ist unser Bedau­ern dar­über, dass all die­ses Enga­ge­ment und die groß­ar­ti­gen Kunst­wer­ke nun durch die Ereig­nis­se um Taring Padis Arbeit People’s Jus­ti­ce (2002), die sich seit Mon­tag, 20. Juni 2022 ent­wi­ckel­ten, über­schat­tet sind. Die Arbeit wur­de infol­ge­des­sen ver­deckt und einen Tag spä­ter auf Anra­ten des Auf­sichts­rats, in Abspra­che mit der Geschäfts­füh­rung der docu­men­ta, abge­nom­men. Tat­sa­che ist, dass wir es ver­säumt haben, die Dar­stel­lung, die klas­si­sche anti­se­mi­ti­sche Ste­reo­ty­pe trans­por­tiert, in der Arbeit zu erken­nen. Das war unser Feh­ler. Im Aus­tausch mit Taring Padi unter­stüt­zen wir die Ent­schei­dung, die Arbeit abzu­neh­men, auch in Anbe­tracht der Prin­zi­pi­en und Wer­te Taring Padis: stets in engem Aus­tausch mit Bürger*innen und mit Respekt für eth­ni­sche und reli­giö­se Unter­schie­de zu arbeiten.

Wir ent­schul­di­gen uns für die Ent­täu­schung, Scham, Frus­tra­ti­on und das Ent­set­zen, die die­se Ste­reo­ty­pe bei den Besucher*innen und dem gesam­ten Team, das hart dar­an gear­bei­tet hat, die docu­men­ta fif­teen Wirk­lich­keit wer­den zu las­sen, aus­lös­ten. Wir ent­schul­di­gen uns auch für den Schmerz und die Angst bei allen, die die Arbeit vor Ort oder in den Medi­en gese­hen haben, und bei all jenen, die uns in den ver­gan­ge­nen Mona­ten in den Medi­en und bei der docu­men­ta gegen unge­recht­fer­tig­te Vor­wür­fe und Anschul­di­gun­gen ver­tei­digt haben.

Die Bild­spra­che knüpft, wie wir jetzt in Gän­ze ver­ste­hen, naht­los an die schreck­lichs­te Epi­so­de der deut­schen Geschich­te an, in der jüdi­sche Men­schen in einem noch nie dage­we­se­nen Aus­maß ver­folgt und ermor­det wur­den. Es ist ein Schock, nicht nur, aber ins­be­son­de­re für die jüdi­sche Gemein­de in Kas­sel und in ganz Deutsch­land, die wir als unse­re Ver­bün­de­ten betrach­ten und die immer noch unter dem Trau­ma der Ver­gan­gen­heit und mit anhal­ten­der Dis­kri­mi­nie­rung, Vor­ur­tei­len und Aus­gren­zung leben. Es ist auch ein Schock für unse­re Freund*innen, Nachbar*innen und Kolleg*innen, für die der Kampf gegen alle For­men von Unter­drü­ckung und Ras­sis­mus ein exis­ten­zi­el­les Ele­ment ihrer poli­ti­schen, sozia­len und künst­le­ri­schen Visi­on ist.

Wir nut­zen den Anlass, um uns über die grau­sa­me Geschich­te des Anti­se­mi­tis­mus wei­ter­zu­bil­den und sind scho­ckiert, dass die­se Dar­stel­lung in das betref­fen­de Werk Ein­gang gefun­den hat. Die­ses kol­lek­tiv geschaf­fe­ne Ban­ner ver­weist auf die recht­lich und gesell­schaft­lich unauf­ge­ar­bei­te­te dunk­le Geschich­te Indo­ne­si­ens seit 1965 wäh­rend der Ära der „Neu­en Ord­nung“ (Orde Baru).

Wir möch­ten die­sen Moment dazu nut­zen, unse­re Hoff­nung aus­zu­drü­cken, dass all die in die docu­men­ta fif­teen inves­tier­te Arbeit nicht umsonst war, genau­so wenig wie die Arbeit aller, die uns unter­stützt und mit uns zusam­men­ge­ar­bei­tet haben. Die docu­men­ta fif­teen ist so viel mehr.

Wir sind sehr dank­bar für die kon­struk­ti­ve Kri­tik und Soli­da­ri­tät, die wir von vie­len Men­schen in Kas­sel, in Deutsch­land, von Insti­tu­tio­nen und Partner*innen erfah­ren haben. Wir möch­ten aber gleich­zei­tig dar­auf hin­wei­sen, dass vie­le der Angrif­fe gegen uns nicht in ehr­li­cher Absicht erfolgt sind. Wir haben den Ein­druck, dass vie­le der Vor­wür­fe gegen uns erho­ben wur­den, ohne dass zuvor der Ver­such unter­nom­men wur­de, in einen offe­nen Aus­tausch und in einen Pro­zess des von­ein­an­der Ler­nens einzutreten.

Wir sind hier um zu blei­ben und ent­schlos­sen, die Aus­stel­lung trotz der Schwie­rig­kei­ten fort­zu­set­zen. Wir ste­hen für offe­ne, ehr­li­che Gesprä­che und kol­lek­ti­ves Ler­nen bereit. Wir tun dies als Men­schen mit Feh­lern, Unzu­läng­lich­kei­ten, Stär­ke und Cou­ra­ge und möch­ten alle, die bereit sind, uns auf Augen­hö­he begeg­nen, zu einem kri­ti­schen und frucht­ba­ren Dia­log einladen.

Wir möch­ten das Gespräch mit allen fort­set­zen, die uns unter­stützt und an uns geglaubt haben. Wir möch­ten auch mit der Öffent­lich­keit, den Besucher*innen und loka­len Gras­wur­zel­be­we­gun­gen, denen unse­re Arbeit etwas bedeu­tet, im Aus­tausch bleiben.

23.06.2022

Weitere Maßnahmen durch die Geschäfts­führung der documenta gGmbH initiiert

Pressemeldung documenta fifteen

ruangrupa, das Künstlerischen Team und die Künstler*innen hatten der documenta zugesichert, dass es auf der documenta keinen Raum für Antisemitismus geben wird. Ich hatte gesagt, dass wir umgehend eingreifen, wenn im Rahmen der komplexen Struktur mit so vielen Beteiligten doch antisemitische Inhalte entdeckt würden. Das habe ich nun getan, um weiteren Schaden von der laufenden documenta fifteen und allen kommenden documenta Ausstellungen abzuwenden.

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Sofort nach Bekannt­wer­den der anti­se­mi­ti­schen Figu­ren­mo­ti­ve auf dem Ban­ner People’s Jus­ti­ce (2002) habe ich am Mon­tag ruan­grupa und Taring Padi die Grenz­über­schrei­tung auf­ge­zeigt, die in die­ser ver­let­zen­den Dar­stel­lung liegt. Als Sofort­maß­nah­me wur­de das Wand­bild zunächst ver­deckt und in Abstim­mung mit dem docu­men­ta Auf­sichts­rat am nächs­ten Tag abgebaut.

Ich ste­he nach wie vor dafür, dass unse­re frei­heit­lich demo­kra­ti­sche Gesell­schaft der Kunst den not­wen­di­gen Frei­raum gibt. Aber dies kann und darf nicht anti­se­mi­ti­sche Dar­stel­lun­gen recht­fer­ti­gen. Daher habe ich umge­hend wei­te­re Maß­nah­men ein­ge­lei­tet. Die Ver­ant­wort­li­chen wer­den bin­nen kur­zer Frist Stel­lung neh­men müs­sen, wie es zu der man­gel­haf­ten Kon­trol­le des Ban­ners und dem Ver­stoß gegen die getrof­fe­ne Ver­ein­ba­rung kom­men konnte.

Auf­grund der mög­li­chen Ver­säum­nis­se der Ver­ant­wort­li­chen las­sen wir nun die auf 30.000 m² an 32 Stand­or­ten aus­ge­dehn­te Aus­stel­lung auf wei­te­re kri­ti­sche Wer­ke hin begut­ach­ten. Es ist mög­lich, dass dafür ein­zel­ne Aus­stel­lungs­tei­le kurz­zei­tig geschlos­sen wer­den. ruan­grupa habe ich auf­ge­for­dert, ihre kura­to­ri­sche Auf­ga­be und die Rol­le als künst­le­ri­sche Lei­tung in die­sem Pro­zess wahr­zu­neh­men. Unter­stützt wer­den sie von aner­kann­ten Expert*innen wie Meron Men­del, Direk­tor der Bil­dungs­stät­te Anne Frank in Frank­furt, und mit aus­ge­wie­se­ner recht­li­cher Exper­ti­se. Ein­deu­tig anti­se­mi­ti­sche Dar­stel­lun­gen wer­den deinstal­liert, bei strit­ti­gen Posi­tio­nen eine ange­mes­se­ne Debat­te geführt. Außer­dem behal­ten wir uns das Recht vor, ein­zel­ne Künstler*innen aus­zu­la­den. Dabei wird auch beach­tet, dass sich die Aus­stel­lung nach dem Kon­zept von ruan­grupa stän­dig weiterentwickelt.

Schließ­lich wer­den wir den ange­kün­dig­ten Dia­log nächs­te Woche, am Mitt­woch, 29. Juni 2022, um 18.30 Uhr in der UK 14 mit einem gemein­sam mit der Bil­dungs­stät­te Anne Frank aus­ge­rich­te­ten Podi­ums­ge­spräch auf­neh­men. Dies soll auch der Auf­takt sein zu wei­te­ren Gesprä­chen. Dar­über hin­aus wird die Bil­dungs­stät­te Anne Frank in Zusam­men­ar­beit mit wei­te­ren zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­ren einen Begeg­nungs- und Infor­ma­ti­ons­stand auf dem Fried­richs­platz eta­blie­ren, an dem Besucher*innen, aber auch Künstler*innen in einen Dia­log zu Fra­gen des Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus kom­men können.

Von Anfang an ist für die docu­men­ta als inter­na­tio­na­le Kunst­aus­stel­lung die abso­lu­te Frei­heit der künst­le­ri­schen Lei­tung und Kurator*innen kon­sti­tu­tiv. Die Auf­ga­ben der Geschäfts­füh­rung lie­gen in der Orga­ni­sa­ti­on der Aus­stel­lung. Ich bin nicht für das künst­le­ri­sche Pro­gramm zustän­dig, son­dern dafür, dem künst­le­ri­schen Team den tech­ni­schen Frei­raum für die Umset­zung zu geben. Die Aus­wahl von Künstler*innenpositionen, Pro­jek­ten und Arbei­ten zählt dabei zu den Kern­auf­ga­ben der Künst­le­ri­schen Lei­tung, auf die alle Kura­to­rin­nen und Kura­to­ren der ver­gan­ge­nen docu­men­ta Aus­stel­lun­gen bestan­den haben und immer bestehen wer­den. Es ist nicht die Zustän­dig­keit der Geschäfts­füh­rung, die Wer­ke vor­ab in Augen­schein zu neh­men und frei­zu­ge­ben. Das wür­de der Kunst­frei­heit der docu­men­ta eben­so wider­spre­chen wie die Frei­ga­be durch ein Expert*innengremium.

Die Ent­schei­dung für das indo­ne­si­sche Künstler*innenkollektiv ruan­grupa ist von einer inter­na­tio­nal und natio­nal besetz­ten Fin­dungs­kom­mis­si­on getrof­fen wor­den. Die Nomi­nie­rung wur­de als gro­ße Chan­ce wahr­ge­nom­men, in einen Dia­log mit dem Glo­ba­len Süden ein­zu­tre­ten. ruan­grupa sind mit einem völ­lig neu­ar­ti­gen kura­to­ri­schen Kon­zept ange­tre­ten. Sie haben einen ergeb­nis­of­fe­nen Pro­zess gestar­tet, der eine welt­wei­te Netz­werk­bil­dung aus Künstler*innen und Kol­lek­ti­ven vor­sieht. Die­ses Netz­werk ist mitt­ler­wei­le auf mehr als 1.500 Per­so­nen ange­wach­sen. ruan­grupa begrei­fen sich nicht als klas­si­sche Kurator*innen, die die allei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für die Aus­wahl der Arbei­ten oder deren Ver­or­tung im Raum tra­gen. Auch sie sind Teil des welt­um­span­nen­den Netz­wer­kes, deren lei­ten­de Moti­ve Nach­hal­tig­keit, Soli­da­ri­tät, Res­sour­cen­tei­lung, Teil­ha­be und Gemein­wohl­ori­en­tie­rung sind. Dies hat eine zum Nach­den­ken anre­gen­de, fröh­li­che und ein­la­den­de docu­men­ta fif­teen her­vor­ge­bracht, „ein Bild einer Welt, die aus vie­len Wel­ten, besteht, ohne Hier­ar­chie oder Uni­ver­sa­lis­mus“, wie die inter­na­tio­na­le Fin­dungs­kom­mis­si­on schreibt.

Die Kehr­sei­te die­ses offe­nen Pro­zes­ses ist, dass die unter­schied­li­chen kul­tu­rel­len Erfah­rungs­räu­me aller Betei­lig­ten in Kom­bi­na­ti­on mit der kol­lek­ti­ven Ent­schei­dungs­fin­dung sowie der coro­na-beding­ten, rein digi­ta­len Vor­be­rei­tung auch zu Miss­ver­ständ­nis­sen und Fehl­ent­wick­lun­gen geführt haben, die ruan­grupa im lau­fen­den Pro­zess nicht kom­plett steu­er­te und damit auch nicht auf­lös­te. Die Künstler*innen und ihre Wer­ke tra­fen erst sehr spät in Kas­sel ein. All dies hat lei­der zur öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on der Arbeit People’s Jus­ti­ce von Taring Padi geführt, die eine nicht zu tole­rie­ren­de anti­se­mi­ti­sche Bild­spra­che auf­weist. Davon haben sich auch die gGmbH und ich mich per­sön­lich aus­drück­lich distanziert.

Das betref­fen­de Ban­ner gehör­te zu einer Fül­le von Arbei­ten von Taring Padi, die ver­spä­tet per Schiffs­con­tai­ner in Kas­sel ein­tra­fen. Erst beim Auf­hän­gen wur­de bemerkt, dass das zwan­zig Jah­re alte Ban­ner, wel­ches aus vier Ein­zel­tei­len besteht, so beschä­digt war, dass es von einer exter­nen Fir­ma für die Befes­ti­gung ver­stärkt wer­den muss­te. Aus die­sem Grund wur­de die Arbeit nicht bis zum Mitt­woch, son­dern erst am Frei­tag­nach­mit­tag auf­ge­hängt. Weil es ein sehr detail­rei­ches Bild ist, sind die anti­se­mi­ti­schen Figu­ren erst nach Ende des eng getak­te­ten Eröff­nungs­wo­chen­en­des aufgefallen.

Es ist nicht ange­zeigt, die gesam­te Aus­stel­lung mit ihren tau­sen­den von Wer­ken und Pro­jek­ten unter Gene­ral­ver­dacht zu stel­len: Die docu­men­ta fif­teen lie­fert Denk­an­stö­ße und setzt Impul­se für Soli­da­ri­tät und Gemein­schaft, was vom Publi­kum posi­tiv wahr­ge­nom­men wird. Dies soll­te bei aller Kri­tik wei­ter­hin ent­spre­chend gewür­digt werden.

23.06.2022

Findungs­kommission der documenta fifteen zur Deinstallation von „People’s Justice“

Pressemeldung documenta fifteen

Als Mitglieder der Findungskommission für die Künstlerische Leitung der documenta fifteen stehen wir zu unserer Auswahl von ruangrupa, die diesjährige Ausgabe dieser historischen Ausstellung in Kassel zu kuratieren. Wir haben den Prozess der Entwicklung der documenta fifteen aus der Ferne verfolgt. Die Ausstellungen und Veranstaltungen, an denen wir während der Vorbesichtigungs- und Eröffnungstage teilnahmen, übertrafen all unsere Erwartungen.

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Ins­ge­samt fan­den wir die Prä­sen­ta­tio­nen gene­rös, zum Nach­den­ken anre­gend, leben­dig und ein­la­dend. Die docu­men­ta fif­teen bie­tet ein Bild einer Welt, die aus vie­len Wel­ten besteht, ohne Hier­ar­chie oder Uni­ver­sa­lis­mus. Wir möch­ten den Kurator*innen sowie allen lum­bung mem­ber als auch dem gesam­ten docu­men­ta Team zu ihren her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen gra­tu­lie­ren. Sie zei­gen uns eine Visi­on von kol­lek­ti­ver Kunst und wie eine künf­ti­ge, öffent­li­che Rol­le der Kunst aus­se­hen könnte.

Wir sind daher mehr als erschüt­tert über die Ent­de­ckung von Kari­ka­tu­ren, die nicht anders als anti­se­mi­tisch gele­sen wer­den kön­nen. Wir sehen einen Unter­schied zwi­schen Kri­tik am israe­li­schen Staat und Anti­se­mi­tis­mus, aber Bil­der, die auf Nazi-Kari­ka­tu­ren ver­wei­sen, dür­fen kei­nen Raum in die­ser Aus­stel­lung haben. Wir ver­ste­hen die Ver­let­zun­gen, die sie ver­ur­sacht haben. Wir unter­stüt­zen daher die Ent­schei­dung der Künstler*innen, von Dr. Sabi­ne Schor­mann und ihrem Team sowie des Auf­sichts­ra­tes, das Werk People’s Jus­ti­ce von Taring Padi vom Fried­richs­platz zu entfernen.

Das Erbe des euro­päi­schen Kolo­nia­lis­mus und die anhal­ten­de Matrix glo­ba­ler Macht­ver­hält­nis­se sind The­men, die fast alle Lebe­we­sen die­ses Pla­ne­ten berüh­ren. Die­se Zusam­men­hän­ge und gemein­sa­me Anlie­gen kom­men in West­eu­ro­pa erst all­mäh­lich an und wir sind davon über­zeugt, dass die­se docu­men­ta einen bedeu­ten­den Schritt dahin­ge­hend macht, ihnen im kul­tu­rel­len Bereich Gestalt zu geben. Wir möch­ten daher unse­ren Respekt für das indo­ne­si­sche Künst­ler­kol­lek­tiv Taring Padi und sei­nen lang­jäh­ri­gen Kampf gegen die Unter­drü­ckung und Dik­ta­tur wäh­rend der Suhar­to-Jah­re in Indo­ne­si­en zum Aus­druck bringen.

Wenn wir an die öffent­li­che Debat­te appel­lie­ren kön­nen, dann ist es, allen 1.500 Künstler*innen die­ser viel­schich­ti­gen und kraft­vol­len Aus­stel­lung Gehör zu leis­ten. Wir ermu­ti­gen alle, dar­auf zu schau­en, was ruan­grupa, das Künst­le­ri­sche Team und deren Partner*innen zusam­men­ge­stellt haben. Sie wer­den den Klang einer Welt hören, die sich über die Zeit­zo­nen der Welt hin­weg erhebt – eine Welt, die sagt, dass gegen­wär­ti­ge Macht- und Bezie­hungs­sys­te­me nicht die Zukunft des Pla­ne­ten bestim­men soll­ten. Kli­ma­kol­laps und sozia­le Ungleich­heit sind inak­zep­ta­bel, und es gibt in der Tat Wege, die­se Last gemein­sam zu tra­gen. Das ist es, was uns die docu­men­ta fif­teen bedeu­tet, und wir hof­fen, dass sie dies auch für vie­le ande­re bedeu­ten kann.

Ein solch viel­stim­mi­ger Pro­zess der Wahr­heits­fin­dung und Aus­söh­nung wird weder ein­fach noch ohne Feh­ler ver­lau­fen. Es ist ein sel­te­nes und ehr­gei­zi­ges Unter­fan­gen in die­ser Grö­ßen­ord­nung, und wir spre­chen der Stadt Kas­sel und dem Land Hes­sen unse­re Wert­schät­zung und unse­ren Respekt aus, für ihre Offen­heit, für die­sen para­dig­ma­ti­schen Per­spek­tiv­wech­sel. Wir möch­ten auch Dr. Sabi­ne Schor­mann, Gene­ral­di­rek­to­rin der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH und ihrem Team dan­ken für die Ermög­li­chung die­ses gewal­ti­gen Unter­fan­gens mit her­aus­ra­gen­den Ergeb­nis­sen trotz einer glo­ba­len Pan­de­mie. Nicht zuletzt möch­ten wir ruan­grupa, dem Künst­le­ri­schen Team der docu­men­ta fif­teen und allen dar­an betei­lig­ten Kol­lek­ti­ven und Ein­zel­per­so­nen unse­re bedin­gungs­lo­se Unter­stüt­zung aus­spre­chen für die Fort­set­zung die­ses nicht-hier­ar­chi­schen Plu­ri­ver­sums, zu dem sie uns alle ein­la­den, um zu sehen und hören, zu dis­ku­tie­ren und dar­an teil zu haben.“

Amar Kan­war, Charles Esche, Elvi­ra Dyangani Ose, Fran­ces Mor­ris, Gabi Ngco­bo, Jochen Volz, Phil­ip­pe Pirot­te, Ute Meta Bauer

21.06.2022

Statement von Dr. Sabine Schormann zur Deinstallation des Banners „People’s Justice“ von Taring Padi

Pressemeldung documenta fifteen

Gemeinsam mit ruangrupa, dem Artistic Team und den beteiligten Künstler*innen haben wir versichert, dass auf der documenta fifteen keine antisemitischen Inhalte zu sehen sein werden – andernfalls würden wir umgehend einschreiten. Dieses Versprechen haben wir leider nicht gehalten. Das hätte nicht passieren dürfen.

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Als die anti­se­mi­ti­sche Bild­spra­che auf dem Ban­ner People’s Jus­ti­ce von Taring Padi ent­deckt wur­de, habe ich sofort das Gespräch mit allen Betei­lig­ten gesucht. Gemein­sam haben wir als ers­te Maß­nah­me die Ent­schei­dung getrof­fen, das Wand­bild zu ver­de­cken und eine Erläu­te­rung zu den Ent­ste­hungs­um­stän­den des Wer­kes in Indo­ne­si­en zu geben. Allen Betei­lig­ten, das möch­te ich noch­mal aus­drück­lich beto­nen, tat und tut es außer­or­dent­lich leid, Gren­zen über­schrit­ten und Gefüh­le ver­letzt zu haben. Aus­drück­lich ent­schul­di­gen wir uns auch dafür, dass die anti­se­mi­ti­schen Dar­stel­lun­gen nicht vor der Hän­gung der Arbeit erkannt wurden.

Der Auf­sichts­rat hat mich heu­te Vor­mit­tag dar­in bestärkt, das Wand­bild im nächs­ten Schritt abzu­hän­gen. Anti­se­mi­ti­sche Dar­stel­lun­gen dür­fen in Deutsch­land, auch in einer welt­weit aus­ge­rich­te­ten Kunst­aus­stel­lung kei­nen Platz haben. Dies gilt aus­drück­lich auch bei allem Ver­ständ­nis für die Belan­ge des Glo­ba­len Südens und die dort ver­wen­de­te Bild­spra­che. Mit Respekt für die Unter­schied­lich­keit der kul­tu­rel­len Erfah­rungs­räu­me wird der mit der docu­men­ta fif­teen begon­ne­ne Dia­log weitergeführt.

20.06.2022

Oberbürgermeister Christian Geselle bezieht Stellung — Kunstwerk mit offenbar antisemitischen Abbildungen wird komplett verhüllt

Pressemeldung Stadt Kassel

Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle, Aufsichtsratsvorsitzender der documenta gGmbH, hat nach Bekanntwerden der ganz offensichtlichen antisemitischen Abbildungen auf dem am Friedrichsplatz gezeigten Protestbanners des indonesischen Kollektivs Taring Padi deutlich Stellung bezogen.

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Ich habe heu­te Mor­gen über die im Nach­rich­ten­dienst Twit­ter kur­sie­ren­den Fotos und damit ver­bun­de­nen Vor­wür­fe des Anti­se­mi­tis­mus Kennt­nis erlangt. Dar­auf­hin habe ich umge­hend die docu­men­ta-Geschäfts­füh­rung um Auf­klä­rung sowie um Ein­lei­tung not­wen­di­ger Maß­nah­men gebe­ten. Gleich­zei­tig wer­den die Gesell­schaf­ter der docu­men­ta zu einer Sit­zung zusammenkommen.

Anti­se­mi­tis­mus darf auf der docu­men­ta kei­nen Platz haben. Das ist so und bleibt auch so. Bei der Abbil­dung auf dem Kunst­werk, das nach mei­ner der­zei­ti­gen Kennt­nis erst am Sams­tag auf dem Fried­richs­platz instal­liert wur­de, han­delt es sich um einen ganz offen­sicht­li­chen anti­se­mi­ti­schen Ver­stoß, der nicht von der Hand zu wei­sen ist.

Ich erwar­te von der künst­le­ri­schen Lei­tung — die sich eben­falls klar gegen Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und jeg­li­che Art von Dis­kri­mi­nie­rung posi­tio­niert hat — hier ver­ant­wor­tungs­voll zu reagie­ren. Aller­dings war­ne ich gleich­zei­tig davor, jetzt die docu­men­ta fif­teen unter Gene­ral­ver­dacht zu stel­len. In den Pre­view Days, die ver­gan­ge­ne Woche von Mitt­woch bis Frei­tag für Fach­pu­bli­kum und Medi­en statt­ge­fun­den haben, waren kei­ne anti­se­mi­ti­schen Kunst­wer­ke vor­her feststellbar.“

Geschäfts­füh­rung und künst­le­ri­sche Lei­tung der docu­men­ta fif­teen haben gemein­sam mit der Künst­ler­grup­pe Taring Padi beschlos­sen, das Kunst­werk kom­plett zu verdecken.

20.06.2022

Presse­information zur Verdeckung einer Arbeit von Taring Padi auf der documenta fifteen

Pressemeldung documenta fifteen

Aufgrund einer Figurendarstellung in der Arbeit People’s Justice (2002) des Kollektivs Taring Padi, die antisemitische Lesarten bietet, hat sich das Kollektiv gemeinsam mit der Geschäftsführung und der Künstlerischen Leitung entschieden, die betreffende Arbeit am Friedrichsplatz zu verdecken und eine Erklärung dazu zu installieren.

Taring Padi äußert sich dazu wie folgt:

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Die Ban­ner-Instal­la­ti­on People’s Jus­ti­ce (2002) ist Teil einer Kam­pa­gne gegen Mili­ta­ris­mus und die Gewalt, die wir wäh­rend der 32-jäh­ri­gen Mili­tär­dik­ta­tur Suhar­tos in Indo­ne­si­en erlebt haben und deren Erbe, das sich bis heu­te aus­wirkt. Die Dar­stel­lung von Mili­tär­fi­gu­ren auf dem Ban­ner ist Aus­druck die­ser Erfah­run­gen. Alle auf dem Ban­ner abge­bil­de­ten Figu­ren neh­men Bezug auf eine im poli­ti­schen Kon­text Indo­ne­si­ens ver­brei­te­te Sym­bo­lik, z.B. für die kor­rup­te Ver­wal­tung, die mili­tä­ri­schen Gene­rä­le und ihre Sol­da­ten, die als Schwein, Hund und Rat­te sym­bo­li­siert wer­den, um ein aus­beu­te­ri­sches kapi­ta­lis­ti­sches Sys­tem und mili­tä­ri­sche Gewalt zu kri­ti­sie­ren. Das Ban­ner wur­de erst­mals 2002 auf dem South Aus­tra­lia Art Fes­ti­val in Ade­lai­de aus­ge­stellt. Seit­dem wur­de das Ban­ner an vie­len ver­schie­de­nen Orten und in unter­schied­li­chen Kon­tex­ten gezeigt, ins­be­son­de­re bei gesell­schafts­po­li­ti­schen Ver­an­stal­tun­gen, dar­un­ter: Jakar­ta Street Art Fes­ti­val (2004), die retro­spek­ti­ve Aus­stel­lung von Taring Padi in Yog­ya­kar­ta (2018) und die Poly­pho­nic Sou­the­ast Asia Art Aus­stel­lung in Nan­jing, Chi­na (2019).

Taring Padi ist ein pro­gres­si­ves Kol­lek­tiv, das sich für die Unter­stüt­zung und den Respekt von Viel­falt ein­setzt. Unse­re Arbei­ten ent­hal­ten kei­ne Inhal­te, die dar­auf abzie­len, irgend­wel­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen auf nega­ti­ve Wei­se dar­zu­stel­len. Die Figu­ren, Zei­chen, Kari­ka­tu­ren und ande­re visu­el­len Voka­beln in den Wer­ken sind kul­tur­spe­zi­fisch auf unse­re eige­nen Erfah­run­gen bezogen.

Die Aus­stel­lung von People’s Jus­ti­ce auf dem Fried­richs­platz ist die ers­te Prä­sen­ta­ti­on des Ban­ners in einem euro­päi­schen und deut­schen Kon­text. Sie steht in kei­ner Wei­se mit Anti­se­mi­tis­mus in Ver­bin­dung. Wir sind trau­rig dar­über, dass Details die­ses Ban­ners anders ver­stan­den wer­den als ihr ursprüng­li­cher Zweck. Wir ent­schul­di­gen uns für die in die­sem Zusam­men­hang ent­stan­de­nen Ver­let­zun­gen. Als Zei­chen des Respekts und mit gro­ßem Bedau­ern decken wir die ent­spre­chen­de Arbeit ab, die in die­sem spe­zi­el­len Kon­text in Deutsch­land als belei­di­gend emp­fun­den wird. Das Werk wird nun zu einem Denk­mal der Trau­er über die Unmög­lich­keit des Dia­logs in die­sem Moment. Wir hof­fen, dass die­ses Denk­mal nun der Aus­gangs­punkt für einen neu­en Dia­log sein kann.“

Sabi­ne Schor­mann, Gene­ral­di­rek­to­rin der docu­men­ta und Muse­um Fri­de­ri­cia­num gGmbH dazu: „Die Geschäfts­füh­rung der docu­men­ta ist kei­ne Instanz, die sich die künst­le­ri­schen Expo­na­te vor­ab zur Prü­fung vor­le­gen las­sen kann und darf das auch nicht sein. Das Ban­ner wur­de am ver­gan­ge­nen Frei­tag­nach­mit­tag am Fried­richs­platz instal­liert, nach­dem not­wen­di­ge Repa­ra­tu­ren an der 20 Jah­re alten Arbeit durch­ge­führt wur­den. Ich möch­te noch ein­mal aus­drück­lich dar­auf hin­wei­sen, dass das Werk nicht für Kas­sel, nicht für die docu­men­ta fif­teen kon­zi­piert wur­de, son­dern im Kon­text der poli­ti­schen Pro­test­be­we­gung Indo­ne­si­ens ent­stan­den ist und dort wie an ande­ren außer­eu­ro­päi­schen Orten gezeigt wur­de. Dies ist das ers­te Mal, dass die Arbeit in Deutsch­land und in Euro­pa gezeigt wird. Alle Betei­lig­ten bedau­ern, dass auf die­se Wei­se Gefüh­le ver­letzt wur­den. Gemein­sam haben wir beschlos­sen, das Ban­ner zu ver­de­cken. Ergän­zend holen wir wei­te­re exter­ne Exper­ti­se ein.“

04.05.2022

Gesprächsreihe „We need to talk! Art – Freedom – Solidarity“ ausgesetzt

News documenta fifteen

Die documenta hat, auch nach Rücksprache mit verschiedenen Teilnehmer*innen, entschieden, die für den 8., 15. und 22. Mai 2022 geplante Veranstaltungsreihe We need to talk! Art – Freedom – Solidarity auszusetzen.

wei­ter lesen 

Die docu­men­ta wird zunächst die Aus­stel­lung begin­nen und für sich spre­chen las­sen, um die Dis­kus­si­on dann auf die­ser Basis sach­ge­recht fort­zu­set­zen. Zum jet­zi­gen Zeit­punkt scheint das Ziel, das die docu­men­ta mit der Gesprächs­rei­he errei­chen woll­te, näm­lich im Vor­feld der docu­men­ta fif­teen einen mul­ti­per­spek­ti­vi­schen Dia­log jen­seits insti­tu­tio­nel­ler Rah­men zu eröff­nen, nur schwer umsetz­bar. Der docu­men­ta ist es wich­tig, den Gesprächs­fa­den nicht abrei­ßen zu las­sen. Die bis­he­ri­gen Ansät­ze sol­len als ver­än­der­tes For­mat vor Ort in Kas­sel wäh­rend der docu­men­ta fif­teen wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Das gibt auch Gele­gen­heit, auf Beden­ken ein­ge­hen zu kön­nen, die in den ver­gan­ge­nen Tagen öffent­lich wurden.

Der Dank der docu­men­ta gilt den Podiumsteilnehmer*innen für ihre Bereit­schaft, an der geplan­ten Ver­an­stal­tungs­rei­he We need to talk! Art – Free­dom – Soli­da­ri­ty mitzuwirken.

14.04.2022

Stellungnahme zur aktuellen Berichterstattung über die Antisemitismus-Vorwürfe

News documenta fifteen

Aufgrund der aktuellen Presseberichterstattung, in der Zitate der Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Dr. Sabine Schormann, unvollständig wiedergegeben und unzutreffend interpretiert werden, besteht Anlass zu folgenden Klarstellungen in Hinblick auf die Haltung der documenta und ihrer Generaldirektorin:

wei­ter lesen 

Jede Form von Anti­se­mi­tis­mus oder anti­se­mi­ti­schen Äuße­run­gen, sei­en sie direkt oder indi­rekt, wer­den von der docu­men­ta abge­lehnt und nicht tole­riert. Eine grup­pen­be­zo­ge­ne oder indi­vi­du­el­le Menschenfeind­lichkeit oder Dis­kri­mi­nie­rung gegen­über jüdi­schen Per­so­nen ist für die docu­men­ta nicht akzep­ta­bel. Hier­zu hat­te sich die docu­men­ta u.a. in zwei State­ments bereits Anfang des Jah­res ein­deu­tig posi­tio­niert. Die­se rich­te­ten sich auch gegen jede Form von Rassismus.

Soweit BDS-Anhänger*innen anti­se­mi­ti­sche Posi­tio­nen ver­tre­ten, wird dies von der docu­men­ta nicht geschützt. Die docu­men­ta darf kein Forum bzw. kei­ne Platt­form sein, Anti­se­mi­tis­mus zu ver­brei­ten oder zu tole­rie­ren. Die docu­men­ta redet nicht, wie behaup­tet, Anti­se­mi­tis­mus als mög­li­che Neben­fol­ge des Rechts auf Kunst- und Mei­nungs­frei­heit her­un­ter. Zu einer sol­chen Aus­sa­ge gibt es kei­nen Anlass. Die docu­men­ta blen­det auch nicht aus, dass es ver­stärkt Anti­se­mi­tis­mus gibt. Die­se Ent­wick­lung hat die Gene­ral­di­rek­to­rin aus­drück­lich als „ent­setz­lich“ bezeichnet.

Als inter­na­tio­na­le Kunst­ver­an­stal­tung muss die docu­men­ta als wich­ti­ge Platt­form des inter­na­tio­na­len kul­tu­rel­len Aus­tauschs in einer frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Gesell­schaft – ihrem Bil­dungs­auf­trag gemäß – die Rah­men­be­din­gun­gen für mul­ti­per­spek­ti­vi­sche, dif­fe­ren­zier­te und kri­ti­sche Dis­kus­sio­nen bie­ten. Dabei dür­fen die Gren­zen zum Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus nicht über­schrit­ten werden.

Die­ser Raum soll mit der Gesprächs­rei­he We need to talk! Art – Free­dom – Soli­da­ri­ty, deren Kon­zep­ti­on und Teilnehmer*innen inzwi­schen bekannt sind, ermög­licht werden.

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