FOTOGRAF
Jens Kohlen
Man muss nicht gerade ein Prophet sein, um vorauszusagen, dass er vor seinem coming out steht. Für viele noch ein Geheimtipp, könnte Jens Kohlen alias BRAIN CHURCH schon bald zu einem der international besten Fotografen avancieren. Seine Arbeiten sind in Los Angeles und New York bereits bekannter als in Kassel. Auf dem Kunstportal von Saatchi verkauft er seine Arbeiten an internationale Stars aus Hollywood und New York, wie Lana del Rey, Alicia Keys und Kristin Dattilo…
Der Kasseler Modeexperte Jens Kohlen, in Kassel 1966 geboren, arbeitete viele Jahre in der Modebranche mit seiner eigenen Agentur und seinem Online-Modegeschäft, verkaufte hippe Klamotten in seiner „chottonchurch“, kleidete über Jahre hinweg modebewusste Menschen in Deutschland und organisierte Mode Events und Model-Sharing-Parties. Außerdem veröffentlichte er das Buch „Air be and be“ mit Kurzgeschichten über private Wohnungsvermietungen während der documenta 14 in Kassel, wenn Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen unsere documenta-Stadt besuchen, und später der biografische Roman „Hoch-Tief“ über einen Tiefpunkt seines Lebens, der sich später als Wendepunkt erwies. Ein immer noch sehr aktueller Roman in Krisenzeiten.
Nach der Geschäftsaufgabe konzentrierte es sich ganz seine Leidenschaften: die Fotografie und die Malerei.Und dies mit großem Erfolg. Denn seine Werke sind auch bei Saatschi Art vertreten, der weltweit führenden Online-Kunstgalerie und zugleich Plattform für Künstlern aus der ganzen Welt. Seine Arbeiten verkauft er vorwiegend in den Staaten. Zu den Käufern und Sammlern seiner Arbeiten zählen Stars aus Hollywood und New York wie Lana del Rey, Alicia Keys und Kristin Dattilo.
Kohlens Fotokunstwerke zeichnet insbesondere die subtile und sensible Erotik aus. Seine Fotografie bildet neue ästhetische Standards abseits der klassischen Nudes. Frauen sind in seiner Art der Fotografie nicht nackte Lustobjekte, sondern werden mit enormer Wirkung und Kreativität provokativ gekonnt, wie Geschichten, in Szene gesetzt. Er spielt gerne mit Licht und Schatten und lässt mit Empathie Ideen, Gefühle und Emotionen entstehen, die irgendwie tief in unserer Seele aus Erfahrungen und Perspektiven „wiedergeboren“ werden. Nacktheit ist nicht nur Körperlichkeit, sondern der natürliche und unverfälschte Teil der Frauen in den Porträts, die gleichzeitig stark, mutig, selbstbewusst, reizvoll, sentimental, empfindlich und verletzlich sind.
Die Aufnahmen gewinnen durch ungewöhnlichen Perspektiven und Posen, starke Kontraste und Relationen eine zweite, sehr sensible Ebene im Wahrnehmungsprozess der Bildkomposition. Was Körper bedeuten und wie diese Bedeutung im und durch den Körper in der sozialen Welt konstituiert wird, ist eine komplizierte Frage. Gefühl, Ehrlichkeit, Magie und auch ein wenig Provokation: Diese Ambivalenz, diese besondere Mischung aus Intimität und Inszenierung, an der wir als Betrachter der Bilder Anteil haben, suggeriert, dass wir nicht nur an einer erotischen Szene teilhaben, sondern an einer realen Situation, zumindest an einem Spiel mit der Realität, das unseren Vorstellungen und Phantasien freien Raum lässt..
INTERVIEW
M I T J E N S K O H L E N
- B R A I N C H U R C H -
Für alle, die dich nicht kennen, wie würdest du dich, dein Leben mit der Fotografie und deine Kunst beschreiben? Woher kommt der Künstler-Name brainchurch?
Erst mal würde ich das, was ich tue, nicht zwingend als Kunst beschreiben. Das wäre vermessen. Vielleicht habe ich das Glück, Dinge zu sehen oder anders zu sehen. Mein Leben dreht sich ja nun nicht ausschließlich um Fotografie, auch wenn ich das gerne so hätte, weil sie mich sehr erfüllt und mir eine gewisse Struktur im Tagesablauf bringt. Da Fotografie aber auch ein recht kostspieliges Unterfangen ist, fehlen mir recht oft die finanziellen Möglichkeiten, Dinge umzusetzen. Alles kostet erst mal Geld. Models, Locations, Bildproduktionen und Fotoausrüstungen gibt es nicht gratis.
Ich verbringe viel Zeit damit, Models zu überzeugen, Locations zu finden oder die sozialen Medien zu füttern, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Name brainchurch ist eine Abwandlung meines Fashion Online-Stores, den ich einige Zeit betrieb. Dieser nannte sich cottonchurch. Daraus wurde dann brainchurch. Meine Psychologen sagten, ich denke zu viel nach. Mit dem Nachdenken ist das so eine Sache. Es ist wie mit Alkohol oder Drogen. Man darf es nicht übertreiben.
Wann hast du entschieden, dich der Fotografie zu widmen? Wie sah dein Start als Fotograf aus? Wann hattest du das erste Mal einen Fotoapparat in der Hand? Was waren die Stolpersteine, die du aus dem Weg räumen musstest, als du angefangen hast?
Schöne Bilder hatten schon immer eine gewisse Wirkung auf mich. Mein Bruder hatte eine Schallplatte von den Scorpions. Das Album Lovedrive aus dem Jahr 1979, da war ich 13 Jahre alt. Das fand ich magisch. Mit 16 fuhr ich in den Sommerferien mit einem Monatsticket der Bahn durch ganz Deutschland und fotografierte Städte. Dann kamen die 90er und die Ära der Topmodels wie Claudia Schiffer, Cindy Crawford oder Naomi Campbell und Musik Acts wie Sade Adu. Von Crawford und Adu hatte ich wahnsinnig große Bilder in meinem Zimmer hängen. Vielleicht hat mich das beeinflusst.
Erst viel später bekam ich einen entscheidenden Impuls, mich der Fotografie zu widmen. Es muss in etwa 2015 gewesen sein und ich arbeitete seit 20 Jahren in der Fashion Industrie. Meine Vertriebsfirma stand damals kurz vor der Insolvenz. In meinem kleinen Fotostudio, wenn man das so nennen konnte, fotografierte ich eigentlich die Teile für meinen Online-Store. Oft kam es dabei vor, dass die Models fragten, ob ich denn auch Aktbilder von ihnen machen könnte. Nun, es gibt schlimmere Dinge im Leben. Die ersten Bilder waren eher so semi gut. In einem Fotostudio kann man keine Bildergeschichten erzählen. Irgendwann fing ich an, Frauen in meiner Wohnung zu fotografieren. Die Ergebnisse waren schon etwas besser.
Dann fing ich an, mir geeignete Locations zu suchen. Damals konnte man noch in der Salzmannfabrik fotografieren. Das war eine mega Location. Irgendwann meldete ich mich auf einer Plattform an, auf der man Models buchen konnte, und buchte damals zwei Models aus Kiev, die grade in Deutschland waren. Die Bilder waren dann so, dass ich dachte, sie seien gut. Heute würde ich sie als Katastrophe bezeichnen. Etwa zu dieser Zeit besuchte ich eine Helmut-Newton-Ausstellung in Berlin. Da bin ich dann raus und wusste das genau, das ist das, was ich machen möchte. Die Insolvenz meiner Vertriebsfirma war im Prinzip der Startschuss für die Fotografie. Ich fotografiere übrigens noch heute mit der schlichten, alten Kamera und drei Objektiven.
Der größte Stolperstein, den ich aus dem Weg räumen musste, war eigentlich meine Beziehung. Richtig frei in der Fotografie wurde ich eigentlich erst Ende des vergangenen Jahres, als ich mich von meiner damaligen Partnerin trennte. Ich glaube, es ist nicht einfach, mit jemanden eine Beziehung zu führen, der recht häufig unbekleidete Frauen in seinem Umfeld hat.
Bezahlte Fotojobs habe ich eigentlich nicht. Die Frauen, die ich fotografiere, suche ich mir lieber selbst aus und bezahle diese auch meist für die Tätigkeit. Ich bin auch kein Fotograf für Hochzeiten oder Babybäuche. Das ist auch die Art Fotografie, die ich schlicht nicht kann. Das können andere sehr viel besser. Kürzlich machte ich zwar ein Produktshooting, doch das war eine große Ausnahme. Das würde ich auch so nicht mehr annehmen. Dazu fehlt mir schlicht die Technik und selbst wenn ich sie hätte, könnte ich es nicht umsetzen. Mich interessiert Technik schlicht nicht. Sie lenkt nur ab.
Bist du ein autodidaktischer Fotograf?
Wie hast du gelernt, so großartige Aufnahmen zu machen?
Ich habe absolut keine Ahnung von Fotografie. Ich habe wohl ein ganz gutes Auge und das große Glück, dass das einige Models ähnlich sehen und mit mir arbeiten wollen.
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Wann hast du mit Akt- und Nude-Fotografie begonnen?
Im Jahr 2014.
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Deine Fotografien sind sehr intim – gewissermaßen ein Blick durch das „Schlüsselloch“. Zielst Du auf diesen Aspekt. Wünschst Du Dir Erregung beim Betrachter?
Ich wähle meine Models sehr bedacht aus und versuche Frauen zu finden, die wirkliche Lust haben und wo die Chemie zwischen uns stimmt. Mit den meisten Models habe ich inzwischen freundschaftliche Beziehungen. Die Intimität der Aufnahmen entsteht eigentlich beim Shooting. Ich versuche zu vermeiden, dass die Frauen sich ausgezogen fühlen, obwohl sie nackt sind. Das merken die meisten recht schnell und mögen es. Mir geht es nicht darum, nackte Frauen zu zeigen. Im besten Fall löst ein Bild Kopfkino beim Betrachter aus.
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Sind es Fotos für Männer oder für Frauen?
Interessanterweise kaufen meine Bilder zu 80 % weibliche Kunden. Und in erster Linie fotografiere ich für mich und das Model.
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Wie würdest du selbst deinen fotografischen Stil schildern?
Wie würdest Du deine Bildsprache beschreiben?
Raw ist eine Beschreibung, die ich immer wieder im Zusammenhang mit meinen Bildern höre. Saatchi Art nennt es contemporary nude.
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Wie fängst du die Essenz eines Ortes ein? Wie findest du solche Orte?
Dafür gibt es ein aktuelles Beispiel. Ich besuchte neulich die Ausstellung „bewegte Zimmer“ im Hugenottenhaus in Kassel. Ein magischer Ort und eine perfekte Location für ein Aktshooting. Unfassbare Lichtverhältnisse, fast leere Räume, Holzböden, Leerstand, der eigentlich nur darauf wartet, mit Leben gefüllt zu werden.
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Woher nimmst du deine Themen?
Ich würde lügen, wenn ich jetzt behaupten würde, dass das alles meine eigenen Kompositionen sind. In der Tat verbringe ich sehr viel Zeit auf Instagram oder Pinterest um nach Inspiration zu suchen. Aber ich denke, das ist legitim. Die Modebranche lebt seit Jahrzehnten so. Vieles entsteht allerdings auch beim Shooten. Eine Grundidee habe ich immer. Ich würde auch nie ein Freestyle Shooting machen. Ich habe immer ein Moodboard.
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Du arbeitest mit sparsamen Attributen, wie z. B. Blumen, Federn, Bananen, Zigaretten … Gibt es dafür einen inhaltlichen Hintergrund oder gefällt es Dir einfach?
Ohne zu übertreiben, denke ich, dass auf 80 % meiner Bilder Zigaretten sind. Das liegt vielleicht daran, dass ich selbst leider recht viel rauche. Ich mag einfach den Anblick von rauchenden und trinkenden Frauen. Wenn ich Federn oder Blumen einsetze, tue ich das oft, um Körperbereiche zu verdecken. Das ist ein kommerzieller Hintergrund. Außerdem können Accessoires aus einem Aktbild Kunst machen.
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In deiner fotografischen Arbeit kommst du dem Menschen oft sehr nah. Wie gelingt dir das? Wie schaffst du die Atmosphäre?
Die Models wissen genau, was ich shooten möchte, Im Vorfeld bekommen sie das komplette Moodboard und wissen, was sie erwartet. Meist telefoniert man ein paar Mal und schaut, ob die Chemie stimmt. Das bekommt man recht schnell heraus. Glücklicherweise irre ich mich da recht selten.
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Arbeitest du lieber mit Profi-Models oder Amateur-Models?
Das ist ja auch eine finanzielle Frage. Ich entscheide das Booking, wenn ich weiß, was ich fotografieren möchte. Inzwischen arbeite ich vermehrt mit professionellen Models, da es schlicht schneller geht. Lieber arbeite ich allerdings mit Frauen von der Straße. Am interessantesten sind Shootings mit Frauen, die noch nie vor der Kamera gestanden haben. Die sind dann meist selbst über das Ergebnis verwundert und es bleibt nicht bei einem Shooting.
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Was ist ein typischer Fehler, den Fotografen immer wieder machen, wenn sie Frauen ablichten?
Viele Fotografen haben schlicht kein Auge und keinen Respekt, kümmern sich mehr um ihre Kamera und die Technik und überlassen dem Model das Feld. Bei mir steht das Model zu 100 % im Mittelpunkt.
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Wie planst Du Deine Fotoshootings?
Wie viele Bilder machst Du dann in etwa?
Meist habe ich eine Szene oder eine Location im Kopf, danach wähle ich das Model aus. Ich erstelle dann ein Moodboard mit Beispielbildern und sende die Bilder an das Model. Das Model wählt dann die Bilder aus oder fügt eigene Ideen hinzu. Im Schnitt entstehen bei einem Shooting zwischen 250 und 1000 Bildern. Davon schaffen es 10 bis 50 in eine engere Auswahl.
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Wie aufwendig sind Deine Shootings? Wie gehst Du vom Workflow an neue Projekte heran und wie sieht Dein Workflow aus?
Ich versuche den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Obwohl ich in letzter Zeit immer mal wieder etwas aufwendigere Produktionen hatte. Sei es mit Farbe, Federn oder Locations. In der Regel ist es aber schlicht ein Model, ein Raum, Licht, Schatten, eine Kamera und ich.
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Wie geht es danach weiter?
Unspektakulär würde ich sagen. Ich stecke die SD Karte in den Rechner, mache mir passende Musik an, öffne eine Flasche Wein und sichte die Bilder. Ich erstelle einen Ordner und ziehe gelungene Bilder in den Bearbeiten-Ordner. Nehmen wir mal an, wir haben 500 Bilder geschossen und hatten 10 Szenen, dann wähle ich pro Szene 5 bis 10 Bilder aus und bearbeite diese mit Lightroom. Da wird dann meist recht schnell klar, dass nur ein oder zwei Bilder übrigbleiben. Diese werden dann entweder für soziale Medien wie Instagram bearbeitet oder für Facebook entschärft. Sehr wenige Bilder schaffen es dann auf die Seite von Saatchi Art, wo ich meine Bilder verkaufe.
Wie ist das Verhältnis von der Post-Processing-Nachbearbeitung zur eigentlichen Aufnahme? WelchenStellenwert hat die digitale Nachbearbeitung für Dich?
Die Nachbearbeitung ist ja die eigentliche Arbeit und benötigt Tage. Alleine das selektieren der Bilder dauert eine Ewigkeit. Ich liebe diesen Arbeitsprozess. Man kann aus einem Bild 10 verschieden Bilder bauen. Das ist wahnsinnig spannend.
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Welche Fotografen inspirieren dich?
Also Newton und Lindbergh sind schon Ikonen für mich. Es gibt allerdings eine Vielzahl an Fotografen, die ich sehr schätze. Javiera Estrada aus Los Angeles finde ich aktuell überragend.
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Gibt es einige Fotografen-Kollegen*Innen aus Deutschland, deren Arbeiten Du besonders schätzt?
Stefanie Schneider aus Essen, die nun in Kalifornien lebt, hat einen sehr eigenen Stil, den ich sehr mag. Paul Green aus Berlin ist ganz wunderbar und natürlich Rodislav Driben aus Köln.
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Was ist deiner Meinung nach ausschlaggebend, um in der Fotografie-Branche heutzutage erfolgreich zu sein?
Dann müsste man definieren, was ein guter Fotograf ist? Der, der verkauft oder 50 Hochzeiten im Jahr fotografiert und davon sehr gut leben kann, oder der, der Fotografie studiert hat und die Technik beherrscht. Es gibt eben Fotografen. Wenn mir ein Bild gut gefällt oder es etwas in mir auslöst, dann ist das Foto gut. Egal ob mit dem Handy oder einer 10.000-Euro-Kamera gemacht.
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Siehst Du Deine Bilder heute anders als damals, als Du sie aufgenommen hast?
Ich sehe auf jeden Fall eine Entwicklung. Das beruhigt mich schon mal. Interessant finde ich, dass ich heute ab und an Bilder von vor fünf Jahren bei Facebook poste, für die ich damals belächelt wurde. Plötzlich soll es Kunst sein für einige. Das amüsiert mich.
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Was hast Du durch die Fotografie gelernt?
Dass man nie aufhören darf, an sich zu glauben, und dass Talent wichtiger ist als Technik.
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Hast du heute ein anderes Bild von Schönheit?
Ganz und gar nicht. Ich denke, meine Fotografie hat eine eigene Handschrift. Ich werde morgen nicht anfangen, Frauen auf Motorhauben von teuren Autos zu fotografieren. Ich mag nach wie vor kein Makeup, androgyne Körper und kleine Fehler und Laster.
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Was macht für Dich ein gutes Foto aus? Was macht es zur Ikone?
Gute Bilder müssen beim Betrachter etwas auslösen und Geschichten erzählen.
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Hat sich der Markt der Modefotografie stark verändert? Wie siehst Du die Zukunft der Fotografie? Was muss man heute als Fotograf machen, um zwischen den Milliarden anderen Bilder wahrgenommen zu werden?
Ich glaube man muss eine gewisse Konstanz in der Bildsprache haben. Ich wage zu behaupten, dass man ein Bild von mir inzwischen erkennt. Wenn man es auf das Level geschafft hat, dann ist man schon mal einen Schritt weiter. Modefotografie hat sich insofern verändert, dass dank Instagram ja nun jedes Mädchen Fotograf ist und dank der hervorragenden Kameras in den Handys in der Lage ist, eigene Modestrecken zu produzieren, die sehr oft sehr viel besser als die Produktionen der Auftraggeber in der Modebranche sind. Inzwischen arbeiten ja die meisten Modefirmen fast ausschließlich mit Influencern, um eben Geschichten zu transportieren.
Du verkaufst Deine Arbeiten stärker in den USA als in Deutschland (Europa). Worauf führst Du das zurück?
Grundsätzlich mag es daran liegen, dass Saatchi Art eben ein amerikanisches Unternehmen ist und in den USA eben sehr etabliert ist. Es mag allerdings auch daran liegen, dass ich einen speziellen Typ Frau fotografiere. Wenn man auf meiner Seite die ca. 40 Models vergleicht, wird man zu großen Teilen einen ähnlichen Typ Frau finden, der so gar nicht dem amerikanischen Frauentyp entspricht.
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Und der Umgang mit der Kamera? Wie hat die digitale Fotografie in Deinen Augen das Handwerk verändert?
Digitale Fotografie ist Fluch und Segen zugleich. Man stelle sich vor, man müsste nach jedem Shooting Hunderte Bilder entwickeln und davon 80 % in den Müll tun. Auf der anderen Seite ist natürlich analoge Fotografie noch immer die Königsdisziplin. Sicherlich auch für mich eine Herausforderung für die Zukunft.
Welche Rolle spielen für Dich Internet und Social Media in der Selbstvermarktung und hilft es Dir, Kunden zu gewinnen?
Also ohne Plattformen wie Facebook und Instagram hätte ich natürlich nicht diese weltweite Streuung. Wenn man dort eine gewisse Beharrlichkeit an den Tag legt und diese Tools pflegt, bleibt es nicht aus, gesehen zu werden. Natürlich ist vieles von mir dort auch Marketing. Nicht jede Flasche Wein, die nachts auf Instagram Storys bei mir auftaucht, wurde auch zu dem Zeitpunkt getrunken, und nicht jedes Model bleibt über Nacht. Aber schön, wenn es den Eindruck vermittelt.
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Durch Deine Karriere in der Modewelt hast Du viele Metropolen bereist und einiges von der Welt gesehen. Wo würdest du morgen früh am liebsten aufwachen?
Ich wache eigentlich ganz gerne in Kassel auf und habe das große Glück ortsunabhängig arbeiten zu können. Mit Kassel habe ich meinen Frieden gemacht. Außerdem reicht es ja, wenn meine Bilder inzwischen weltweit in ca. hundert Wohnungen hängen.
Wenn Zeit, Geld und andere Faktoren keinerlei Rolle spielen würden: Wie würde dein absolutes Traumprojekt aussehen?
Also ein großes Loft als Arbeitsplatz und Lebensmittelpunkt mit Tageslicht und Studio wäre schon ein sehr großer Traum.
[ Das Interview führte Sonja Rossetini ]
BUCHEMPFEHLUNGEN
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Erzählungen | Jens Kohlen
ISBN: 9783746723174
HOCH-TIEF
Roman | Jens Kohlen
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