Stephan Balkenhol
Bildhauer
Stephan Balkenhol gehört zu den bekanntesten Bildhauern in Deutschland. Er lebt und arbeitet in Kassel, Karlsruhe, Berlin und im französischen Meisenthal. Geboren 1957 im hessischen Fritzlar, absolvierte er 1976 sein Abitur in Kassel und studierte anschließend bei Ulrich Rückriem an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg (1976–1982). Nach Lehraufträgen ebendort und an der Hochschule für Bildende Künste (Städelschule) in Frankfurt am Main lehrt Balkenhol seit 1992 als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Seit 1983 zeichnet sich Balkenhols Werk durch das Bestreben des Künstlers aus, die figurative Skulptur neu zu begründen.
Balkenhol hatte schon in seiner Jugend in Kassel gelebt und sein Abitur am Friedrichsgymnasium absolviert. Vor einigen Jahren lernte er in Kassel seine Ehefrau Kathrin kennen, mit der er mittlerweile eine Familie gegründet hat – Grund genug, um sich wieder in Kassel niederzulassen: »Allein durch meine Frau, die hier als Kuratorin und Studienrätin arbeitet, war schnell klar, dass Kassel für mich zum neuen Lebensmittelpunkt wird«, berichtet Balkenhol. »Die Kinder wachsen hier auf, aber trotzdem werden wir noch vagabundieren und immer wieder einige Zeit in Karlsruhe und Frankreich verbringen.« Insbesondere das Atelier im lothringischen Meisenthal (697 Einwohner) sei ihnen so sehr ans Herz gewachsen, dass es nicht aufgegeben werden soll.
Wie sehr sich der Künstler dort bereits ins dörfliche Leben und die damit verbundene französische Kultur integriert hat, verrät nicht zuletzt der von ihm selbst gebrannte Apfelschnaps, den er auch seinen Gästen gern anbietet. »Wenn man dort eine Obstwiese hat, kann man Mitglied im Obstbauverein werden und erwirbt damit zugleich das Recht, Schnaps zu brennen – mit ausgeliehener Destille in der eigenen Garage«, verrät der Künstler, der an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei Ulrich Rückriem studierte.
Anders als sein Professor – Teilnehmer der documenta-Ausstellungen 5, 7, 8 und 9 – war Balkenhol bislang kein offizieller documenta-Künstler. Dennoch kann er mit sehr speziellen Erfahrungen in Bezug auf die Weltkunstausstellung aufwarten. »Harry Szeemanns documenta 5 von 1972 war die erste documenta, die ich selbst erlebt habe«, erinnert sich der Künstler, damals 15 Jahre alt, »und das fast jeden Tag, da mein Bruder damals an der Kasse Kataloge verkauft hat und mich immer umsonst hinein ließ.« Auch seine »erste Lohnarbeit« habe er dort verrichtet – in der Abteilung »Individuelle Mythologien« des Fridericianums: »Da war ein Raum unterm Dach mit einem Kühlschrank, in dem sich große Schmetterlinge befanden. Meine Aufgabe war es, den Besuchern zu sagen, dass sie dort zwar reingucken dürfen, aber den Kühlschrank gleich wieder schließen müssen.« Der Künstler lacht: »Und nebenan war ein Meditationsraum mit Teppichboden und esoterischen Klängen, da musste ich aufpassen, dass auch alle ihre Schuhe ausziehen.«
Parallel zur documenta 13 hatte Balkenhol auf dem Turm der am Friedrichsplatz gelegenen St. Elisabeth-Kirche eine Skulptur installiert, die ihn in Konfrontation mit documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev brachte. »Meine Figur – ein auf einer Kugel balancierender Mann – war ihr zu präsent, zu rätselhaft, das wollte sie auf keinen Fall«, so Balkenhol. »Denn heutzutage muss ja alles erklärbar sein und es darf keine offenen Fragen mehr geben, kein Geheimnis. Wobei das doch eigentlich das Grundprinzip von Kunst ist: Dass man etwas formuliert, ohne gleich alles zu offenbaren, mithin noch Spielraum für den Betrachter lässt.«
In Zukunft werden Skulpturen wie diese vorwiegend in Kassel entstehen. »Theoretisch könnten meine Figuren hier bis zu sieben Meter hoch werden, das gibt die Raumhöhe des Ateliers her. Doch dafür müsste ich dann auch mit Stämmen von etwa drei Metern Durchmesser arbeiten, denn sonst würde es schon mit der Schulterbreite der Figuren nicht mehr stimmen.« Auch die Figuren in Ton oder Gips – als Vorstufe für den Bronzeguss, den der Bildhauer für große Arbeiten im öffentlichen Raum einsetzt – können hier in ähnlichen Abmessungen gefertigt werden. »Von der Infrastruktur her war das bislang am besten in Karlsruhe machbar«, sagt Balkenhol, »doch nun ist das Kasseler Atelier für beide Bereiche am besten ausgestattet.«
[ Text: Jan-Hendrik Neumann | Fotos: Andreas Berthel ]